Xavier Naidoo singt mit den Söhnen Mannheims gegen «Volksverräter» und droht Politikern. Im Juli soll die Band am Summerstage in Münchenstein auftreten. Wir haben Veranstalter und Sponsoren gefragt, wie sie zu Naidoos Hassbotschaften stehen.
Wie viel Hetze ist noch Kunst? Das ist die Frage, die Deutschland derzeit beschäftigt und die sich auch Veranstalter, Sponsoren und Partner des Summerstage Festival in der Grün 80 stellen müssen. Im Münchensteiner Park treten am 7. Juli als Headliner die «Söhne Mannheims» mit Frontmann Xavier Naidoo auf. Die Band steht gerade im Gegenwind, weil sie in ihrem neuen Stück «Marionetten» aggressiv gegen Politiker hetzt und rechte Verschwörungstheorien bedient. Zwei besonders befremdliche Passagen finden sich weiter unten in diesem Artikel.
Für den Veranstalter des Festivals, die Basler Agentur Act Entertainment kein Grund zur Besorgnis. Act-Chef Thomas Dürr erklärt auf Anfrage:
«Wir möchten uns von der Art Ihrer einfältigen Berichterstattung klar distanzieren. Das ist Trittbrettfahren. Wir schätzen und respektieren das Grundrecht der künstlerischen Freiheit und auch der Meinungsäusserung. Dass Sie nun Partner und Fans versuchen zu diskriminieren ist sehr unschön. Ich kenne Xavier Naidoo persönlich und finde, er ist ein grossartiger Künstler, der Ausserordentliches geleistet hat.»
Die künstlerische Freiheit bemüht auch Münchensteins Gemeindepräsident Giorgio Lüthi. Man werde mit der Kantonspolizei analysieren, wie extremistisch die Band einzustufen ist und ob sich Sicherheitsprobleme durch den Auftritt ergeben könnten. Darüber hinaus sieht der CVP-Mann keine Veranlassung einzugreifen: «Es gilt die Freiheit der Kunst.»
«Es ist nichts Neues, dass Xavier Naidoo mit seinen Songs aneckt.»
Christoph Bosshardt, Marketingleiter Basel Tourismus
Ähnlich beurteilt das Christoph Bosshardt, Marketingleiter von Basel Tourismus. Die Organisation unterstützt das Festival in der Kommunikation und ist als Partner aufgeführt. Bosshardt sieht «keinen Grund, auf die Programmplanung Einfluss zu nehmen». Er kenne zwar das nun diskutierte Lied nicht, «es ist aber nichts Neues, dass Xavier Naidoo mit seinen Songs aneckt». Auch Naidoos Texte würden unter die künstlerische Freiheit fallen, solange sie nicht gegen die Rassismus-Strafnorm oder andere Gesetze verstossen.
Kein gesteigertes Interesse am Auftritt des sanften Hassdichters aus Baden-Württemberg zeigt die Baselbieter Sicherheitsdirektion. In deren Verantwortung fällt die Vergabe einer Defizitgarantie in der Höhe von 10’000 Franken an den Anlass durch den Lotteriefonds. Man äussere sich nicht zum Inhalt des Festivals, sagt Sprecher Adrian Gaugler. Die Defizitgarantie sei gestützt auf «die grosse Resonanz» des Festivals gesprochen worden.
«Das Programm ist Sache des Veranstalters.»
Hauptsponsor Migros
Nur die Migros, Hauptsponsorin von Summerstage, erkennt eine gewisse Problematik in Naidoos Texten. Sie will ihm zwar nicht den Stecker ziehen, aber doch ins Gewissen reden:
«Die Migros distanziert sich grundsätzlich von jeglichen antisemitischen Inhalten und Aussagen.
Das Line Up / Programm ist Sache des Veranstalters. Nichtsdestotrotz bittet die Migros, in Absprache mit dem Veranstalter, die Söhne Mannheims, dass sie bei ihrem Konzert auf allfällige solche Inhalte verzichten.»
Hetze im Repertoire
Und an «solchen Inhalten» mangelt es im Repertoire von Xavier Naidoo nicht. Der deutsche Musiker hat sich in den letzten Jahren tief in den Sumpf rechtsextremer, antisemitischer, schwulenfeindlicher Gefilde begeben. Spielraum für Interpretation gibt es bei seinen Texten schon lange keinen mehr.
2009 hetzte er in «Raus aus dem Reichstag» gegen Juden:
«Wie die Jungs von der Keinherzbank, die mit unserer Kohle zocken
Ihr wart sehr, sehr böse, steht bepisst in euren Socken
Baron Totschild gibt den Ton an, und er scheisst auf euch Gockel
Der Schmock ist’n Fuchs und ihr seid nur Trottel»
2012 feindete er Schwule offen an, als er sang «Warum liebst du keine Möse, weil jeder Mensch doch aus einer ist?». 2014 trat er vor den als staatsfeindlich, rechtsextrem taxierten «Reichsbürgern» auf, die unter strenger Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen.
Duktus von Pegida
Die Liste der Irrläufe Naidoos ist lang und nun um einen Eintrag länger. Zum ersten Mal nutzt er auch seine bislang als harmlose Menschenfreunde-Truppe in Erscheinung getretenen «Söhne Mannheims» zur Verbreitung extremistischer Botschaften. Der Song «Marionetten» auf dem neuen Album «MannHeim» hat gerade eine gewaltige Kontroverse in Deutschland losgetreten.
Darin beschimpft Naidoo im erprobten Vokabular von Pegida, AfD und Konsorten Politiker als «Volksverräter»:
«Alles nur peinlich und so was nennt sich dann Volksvertreter
Teile eures Volkes nennt man schon Hoch- beziehungsweise Volksverräter
Alles wird vergeben, wenn ihr einsichtig seid
Sonst sorgt der wütende Bauer mit der Forke dafür, dass ihr einsichtig seid»
Krude Verschwörungstheorie
Und er greift mit dem Hinweis auf «Pizzagate» übelste, längst widerlegte Verschwörungstheorien der rechten Szene auf:
«Als Volks-in-die-Fresse-Treter stösst ihr an eure Grenzen
Und etwas namens Pizzagate steht auch noch auf der Rechnung
Bei näherer Betrachtung steigert sich doch das Entsetzen
Wenn ich so ein‘ in die Finger krieg‘,
Dann reiss ich ihn in Fetzen
Und da hilft auch kein Verstecken hinter Paragraphen und Gesetzen»
Die Zeiten als Xavier Naidoo noch recht kuschlig unterwegs war, im besten Sinn gefühlig, sind definitiv vorbei. Heute laufen seine Songs nicht mehr in der Kabine der deutschen Fussballnationalmannschaft, sondern auf der Playlist rechter Fanatiker – und in der Grün 80 am Summerstage 2017.
Vielleicht hilft da nur noch Satire – etwa Jan Böhmermanns Naidoo-Parodie: