Ein aufwendiges Abenteuer im Reich der Mitte

Die Theatertruppe rund um den Basler Regisseur Marcel Schwald bereitet sich auf ein «grosses Abenteuer» vor: Mit ihrer Bühnenperformance «Let’s Pretend To Be Human» wurden sie ans Beijing Fringe Festival eingeladen.

«Let's Pretend To Be Human»: Die Theaterproduktion (unter anderem mit Daniel Hinojo im Bild) wurde nach China eingeladen. (Bild: zVg)

Mitte September geht’s auf nach China: Der Basler Theatermacher Marcel Schwald und seine Truppe wurden mit der Bühnenperformance «Let’s Pretend To Be Human» zum Beijing Fringe Festival eingeladen.

«Die Delegation aus China war ausgesprochen amüsiert», erinnert sich Boris Brüderlin. Das war im November 2011, damals war der eben frisch eingesetzte neue Beauftragte für Tanz, Theater und Jugendkultur in der Basler Kulturabteilung noch vollamtlich als Produzent für freie Theaterprojekte tätig. Und in dieser Funktion war er mit der Theaterperformance «Let’s Pretend To Be Human» des Baslers Marcel Schwald Gast am Zürcher Nachwuchsfestival Gipfelstürmer. Eine der Vorstellungen in der Roten Fabrik war für Programmverantwortliche internationaler Festivals reseviert. Mit dabei war auch eine Delegation des Beijing Fringe Festivals.

«Ich hatte den Eindruck, dass die Besucher aus Peking vor allem von unseren Low-Tech-Puppen begeistert waren», sagt Regisseur Marcel Schwald, der das Stück im Januar 2011 als Koproduktion mit der Kaserne Basel an eben diesem Ort zur Uraufführung gebracht hatte. Lange Zeit aber blieb die amüsierte Delegation aus China ein Stück Erinnerung. Bis dann vor wenigen Monaten unerwartet die Nachricht eintrudelte, dass die Produktion ans Beijing Fringe Festival eingeladen sei. «Eine E-Mail mit lediglich vier Sätzen, und das mitten in den Proben zu unserer letzten Produktion ‚Enfants terribles‘ – eine surreale Situation», erinnert sich Schwald.

Puppen im Gepäck

Es ist ein aufwendiges Abenteuer, das auf die Basler Theaterleute zukommt. An der Produktion sind zwar nur drei Schauspielerinnen und Schauspieler beteiligt. Dazu kommen aber 40 mit Licht- und Tonanschlüssen versehene Puppen, die zwischen den Zuschauern platziert werden. «Einen Container benötigen wir nicht, wir können die Puppen in grossen Taschen selber transportieren. Aber an Übergepäck wird einiges anfallen», sagt Schwald. Und weil das Theater in Peking mehr Zuschauerplätze hat als das in Basel, werden die Theaterleute in China zusätzliche Puppen basteln. Auch die bestehende Bühnenausstattung aus mit Klebeband zusammengepappten Kartonelementen wird in Peking neu gebaut.

Dazu kommt, dass Schwald gleich zwei Darstellerinnen, die wegen aktuellen Engagements nicht mitreisen können, neu besetzen muss. «Es sind aber professionelle Einspringerinnen, die sich sicherlich rasch mit der Produktion vertraut machen werden», ist Schwald überzeugt. Mit Susanne Abelein ist zudem eine Schauspielerin neu mit von der Partie, die bereits einmal nach China eingeladen war. Das war 2009 mit der Produktion «Heiler werden/Treatment», einem Doppelprojekt der Basler Theatergruppe CapriConnection und des unabhängigen chinesischen Living Dance Studios.

Was steht in den chinesischen Übertiteln?

Gespielt wird die Theaterperformance rund um das Thema Helfen in der englisch-deutschen Originalfassung. Und mit chinesischen Übertiteln, die laut Schwald in das Spiel mit integriert werden sollen. «Unser Script wurde von den Behörden in China gelesen und wohl auch geprüft», sagt Schwald. In China entstanden auch die Übertitel. «Ich bin gespannt, wie originalgetreu die Übersetzung ist», sagt Schwald. «Let’s Pretend To Be Human» behandelt in einer geistreich-lebendigen Collage den von der Benefizmaschinerie angetriebenen Helferwahn und die daraus entstehende Hilflosigkeit unter den Hilfswilligen – ein Thema, das durchaus politische Aspekte enthält, die in China mit Skepsis aufgenommen werden könnten. Schwald will auf alle Fälle wissen, was in den Übertiteln steht: «Ich habe einen Freund, der Chinesisch spricht. Ich werde mir die Texte von ihm übersetzen lassen.»

Doch die Vorfreude auf das «grosse Abenteuer» überwiegt die Skepsis betreffend die Übersetzung bei weitem. «Die Einladung ist eine grossartige Sache», betont Produzent Boris Brüderlin. Er freut sich sicherlich auch über den Umstand, dass die ganze Reise bezahlt ist: Neben den verantwortlichen Institutionen in China hat auch Pro Helvetia in den Geldbeutel gegriffen. Am 15. September beginnt die Tournee, die bis zum 30. September dauern wird. Neben den drei Aufführungen am Festival in Peking stehen weitere Aufführungen und Workshops in den Städten Shanghai und Hangzhou auf dem Programm.

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