Ein Basler Konzern in der Kritik

Um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, braucht es Firmen wie Syngenta. Das Geschäftsmodell des Basler Konzerns steht trotzdem in der Kritik.

Projekt Nahrungsmittelkette, Forschung Standort Stein (AG) von Syngenta. die jungpflanzen Reben werden hier in ein gewachst haus platziert und mit duenger und Wasser gegossen Bild(KEYSTONE/Gaetan Bally) (Bild: GAETAN BALLY)

Um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, braucht es Firmen wie Syngenta. Das Geschäftsmodell des Basler Konzerns steht trotzdem in der Kritik.

Einigkeit herrscht eigentlich nur darüber, dass die Ausgangslage nicht besonders gut, die Perspektive besorgniserregend ist: Bis im Jahr 2050 wird die Erdbevölkerung auf 9,2 Milliarden Menschen angewachsen sein, und bereits heute gilt jeder Achte als unterernährt. Um den Zuwachs zu bewältigen muss die globale Landwirtschaft 70 Prozent mehr Nahrungsmittel produzieren – die Bauern in Entwicklungsländern müssen sogar doppelt so viel erzeugen. Das ist eine gewaltige Menge: In 50 Jahren soll gleich viel angebaut werden wie in den letzten 10’000 Jahren zusammen.

Es sind diese Zahlen, die einen Glaubenskrieg losgetreten haben, wie die Agrarwirtschaft die Welt ernähren soll. Soll der bisherige Weg weiter bestritten werden – oder braucht es ein radikales Umdenken?

Mehr Ertrag und ausgezehrte Äcker

Unbestritten ist, dass jene Methoden, die heute kritisch betrachtet werden, vielen Entwicklungsländern, vor allem in Asien, den Sprung aus der Misere erlaubt haben. Der Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden, neuen Bewässerungsmethoden, insbesondere aber die Züchtung ertragsreicher und widerstandsfähiger Sorten hoben die Landwirtschaft auf ein neues Level. Zwischen 1965 und 1980 verdoppelte sich so die globale Getreideproduktion.

Ausgerechnet jetzt aber, wo der nächste Sprung vonnöten wäre, stagnieren die Erträge, werden ausgezehrte Äcker unbrauchbar. Die Welternährungsorganisation FAO mahnt eindringlich: In Südostasien sowie in Nordafrika und im Nahen Osten gibt der Boden nicht mehr Anbauflächen her. Wo es noch Landreserven hat, in Lateinamerika und in der Subsahara-Zone sind die klimatischen Bedingungen und die Bodenqualität problematisch.

Ändert sich nichts, schlittert die Welt in eine Katastrophe.

Das renommierte International Food Policy Research Institute rechnet mit dramatischen Preisanstiegen bis 2050 angesichts der höheren Nachfrage und nahezu leerer Kornspeicher. So soll sich der Preis für Mais verdoppeln. Die Folgen davon sind bekannt: In den letzten Jahren führten Preissprünge bei Grundnahrungsmitteln zu mehreren Hungerkrisen. Verschärft wird die Verknappung von Lebensmitteln vom Biosprit-Boom, wofür gewaltige Mengen an Soja und Mais verwendet werden. Ändert sich nichts, auch das ist Konsens unter Experten, schlittert die Welt in eine Katastrophe.

Für eine Firma wie Syngenta ist das eigentlich eine komfortable Situation. Das Basler Unternehmen ging 2000 aus dem Pharma-Multi Novartis hervor, die Firmengeschichte reicht aber bis in die 1920er-Jahre zurück, als der Novartis-Vorläufer Ciba mit der Produktion von Insektiziden begann. Mittlerweile ist der Konzern auch dank zahlreichen Zukäufen weltweit der grösste Hersteller von Pflanzenschutzmitteln und in der Sparte Saatgut die Nummer drei. Weltweit beschäftigt Syngenta 28’000 Mitarbeiter und erzielt einen Umsatz von knapp 15 Milliarden Dollar.

Gentechnik gegen Klimawandel

Nun darf Syngenta auf goldene Zeiten hoffen. Doch die Rolle des Unternehmens wird skeptisch beäugt. Viel Geld verdient das Unternehmen mit Soja- und Maisanbau, das zu Tierfutter und Biosprit verarbeitet wird. Damit lässt sich kaum eine wachsende Bevölkerung ernähren. Im Unternehmen stellt man sich auf den Standpunkt, mit seinen Produkten in erster Linie eine Nachfrage zu bedienen. Oder anders ausgedrückt: Für Landwirtschaftspolitik und das Konsumverhalten sind andere zuständig.

Tatsächlich sind es auch nicht die grossen Plantagen, die von der FAO als problematisch erachtet werden. 80 Prozent aller Lebensmittel in Entwicklungsländern werden von Kleinbauern und Familienbetrieben hergestellt. Um global mehr Güter zu erzeugen, müsse dort angesetzt werden. Und dort haben auch Multis wie Syngenta eine wichtige Rolle.

Die überwiegende Mehrheit dieser Kleinbauern greift auf Saatgut zurück, das lokal hergestellt wird und längst nicht die Qualitäten mitbringt, die es braucht, um aus dem Boden mehr rauszuholen. Der Zugang zu modernen, anpassungs- und leistungsfähigen Sorten gilt als eine der Hauptvoraussetzungen, um den grossen Sprung zu schaffen. Zumal klimatische Veränderungen nach neuem Saatgut verlangen. Syngenta forscht an Sorten, die besser mit Dürre zurechtkommen und weniger Ressourcen zum Wachsen benötigen. Gerade beim Bewältigen des Klimawandels kommen auch gentechnisch veränderte Sorten ins Spiel.

Syngenta fühlt sich falsch verstanden

Die Forschung ist Teil eines ehrgeizigen Plans: Syngenta hat sich zum Ziel gesetzt, die Erträge auf derselben Anbaufläche bei gleichbleibendem Ressourceneinsatz um 20 Prozent zu steigern. Dazu steckt die Firma auch Geld in Initiativen, um Kleinbauern den Zugang zu Märkten, zu neuen Methoden und modernem Saatgut zu ermöglichen. Diese Initiative wie weitere zur Stärkung der Biodiversität haben Syngenta den Vorwurf von «Greenwashing» eingetragen, also dem Überstreifen eines grünen Mäntelchens über ein Geschäftsmodell, das alles andere als grün ist.

Die grössten Schäden an Agrarland verursachen nicht Pestizide, sondern übermässiges Pflügen und falsche Bewässerung.

Die Firma weist den Vorwurf als ideologisch motiviert zurück und fühlt sich falsch verstanden. Wahrscheinlich dürften vor allem ökonomische Überlegungen hinter den Projekten stecken. Werden Kleinbauern gestärkt, dann öffnet sich da auch Syngenta ein neuer Absatzmarkt für Saatgut und Pflanzenschutzmittel. Ein Bauer, dessen Land ausgelaugt und vergiftet ist, ist ein verlorener Kunde.
 
Der Einsatz von Pestiziden wird von der FAO kritisch betrachtet. Sie empfiehlt grösste Zurückhaltung, vor allem beim Einsatz von Pflanzenkillern, die nicht spezifisch wirken, sondern rundherum alles abtöten ausser der angebauten Pflanze. Davon hat Syngenta noch einige im Angebot. Die grössten Schäden an Landwirtschaftsland verursachen aber gemäss FAO nicht Pestizide, sondern übermässiges Pflügen und falsche Bewässerung.
 
Halten sich Landwirte an die Empfehlungen der FAO, spielen Politik und Privatwirtschaft mit, dann ist die Lage alles andere als aussichtslos. Das ist die gute Nachricht: Eine Untersuchung in 57 Entwicklungsländern hat ergeben, dass sich die Ernteerträge dort fast verdoppelten, wo effizienter bewässert und die Erdkrume nicht beschädigt wurde und wo weniger Pestizide verwendet wurden.

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