Wer sich als Mami in seiner Meinung bestärkt sehen will, dass im Mutterberuf nicht immer eitel Sonnenschein herrschen muss, dem sei Michèle Rotens Buch «Wie Mutter sein» empfohlen. Die Kolumnistin liest daraus in Basel.
Ich habe sie gemieden wie die Pest. Die ganze Literatur, die einem frisch gebackenen Mami erklären will, wie es fortan zu leben und mit dem Nachwuchs umzugehen hat. Wie Sand am Meer gibt es diese Bücher inzwischen – unter anderem, weil viele Mütter offenbar nicht nur genügend Zeit haben, neben der Betreuung ihrer Kinder noch ein Buch mit Tipps zu schreiben, sondern auch, weil ihr Mitteilungsbedürfnis derart gross scheint, dass all ihre persönlichen Erfahrungen zwischen Buchdeckel gepresst werden müssen. Könnte ja jemand davon profitieren.
Michèle Roten: «Wie Mutter sein».
Echtzeit Verlag, Basel 2013.
Bücher haben einen Vorteil: Man kann sie im Regal stehen lassen – im Gegensatz zu jenen Ratschlägen, die einem an der Migroskasse oder im Tram ungefragt gegeben werden, wenn das Baby gerade nicht so will, wie die Gesellschaft gerne hätte. Und ja, klar, auch ich habe mehrmals in einem Online-Mütter-Forum Rat gesucht, wenn das Baby aus unerfindlichen Gründen rumbrüllte. Nur um zu merken, dass es soviele Ratschläge wie Avatare gibt und man im Endeffekt das Forum verwirrter verlässt als man es betreten hatte.
Plötzlich Baby-Kolumnistin
Zu den Büchern in den Ratgeber-Regalen der Buchhandlungen hat sich ein weiteres gesellt: Michèle Rotens «Wie Mutter sein». Ich gestehe, ich hätte auch dieses Buch freiwillig nicht gelesen. Denn schon als die Kolumnistin des «Magazins» nach der Geburt ihres Kindes in den Job zurückkehrte und plötzlich nur noch über Baby-Themen schrieb, dachte ich mir: Oh Gott, nicht schon wieder eine, die mit dem Mama-Virus infiziert ist!
Doch ich habs gelesen. Und ich gebe zu, ich hab mich streckenweise amüsiert dabei. Wenn ich auch wenig gelernt hab, was vielleicht daran liegt, dass mein Kind inzwischen älter ist und ich die ersten Baby-Eltern-Probleme, die Roten beschreibt, mehr oder weniger erfolgreich hinter mich gebracht habe. Trotzdem habe ich mich in manchen Situationen wiedererkannt, was retrospektiv betrachtet äusserst unterhaltsam sein kann. Vielleicht habe ich aber auch nichts gelernt, weil Roten mir gar nichts beibringen will, sondern nur etwas Unterhaltung in Buchform zukommen lassen.
Rotens Thesen lassen sich kurz zusammengefasst folgendermassen formulieren: Ein Baby verändert zwingenderweise das Leben der Eltern, selbst wenn man vorher anders darüber denkt. Männer sollen an der Pflege des Nachwuchses denselben Anteil haben wie Frauen, dafür muss auch endlich gesellschaftlich und politisch gesorgt werden. Studien bringen selten was. Man muss lernen, das Chaos zu lieben.
Revolutionär sind diese Erkenntnisse natürlich nicht. Nicht für die Durchschnitts-Mutter. Wenn, dann eher für den Durchschnitts-Vater. Nur schon wegen der zehn Punkte umfassenden Liste namens «Warum Mutter keinen Sex will».
Absurde Studien
Roten selbst schreibt, dass ihr Buch unter anderem für Mütter ist, «die es schwarz auf weiss brauchen, dass sie nicht alleine sind mit dem Gefühl, es könnte auch spassiger sein». (Auch das ein Grund, warum man sich als Mami wohl trotz Skepsis in einem Online-Forum Rat holt, aber das nur so nebenbei…) Genau in diesem Punkt hebt Roten sich vielleicht von anderer Ratgeberliteratur ab: Sie scheut sich nicht davor zu schreiben, dass das Mami-Sein manchmal auch kacke sein kann. Seien wir ehrlich: Was ist schon immer und zu jeder Zeit toll und super?
Was an Rotens Buch unter anderem gefällt, ist, dass sie nicht nur eine einzige Studie hinzuzieht, um eine eigene These zu untermauern, sondern mehrere Studien zusammenführt, die sich teilweise widersprechen. Studien ad absurdum geführt.
Genau damit zeigt sie jedoch auch ein Problem der gesamten Baby-Eltern-Ratgeberliteratur auf: Es gibt bei diesem Thema keine Objektivität. Es gibt kein absolut Richtig, kein absolut Falsch. Alles basiert auf eigenen Erfahrungen, auf eigenen Meinungen. Als Mutter kommt man nicht darum herum, sich diese selber zu bilden – basierend auf einer für alle gleichbleibenden Prämisse: In Sachen Elternwerden ist nichts wirklich planbar. Selbst wenn man es gerne so hätte.
- Planbar hingegen ist ein Besuch in der Buchhandlung Thalia in Basel, wo Michèle Roten am 16. Oktober um 20 Uhr aus ihrem Buch liest.