Er sei ein grossartiger Schauspieler, schliesslich habe er viele Menschen davon überzeugt, dass er singen könne, scherzte Harry Belafonte in Locarno. Der 85-jährige Entertainer und Aktivist wurde auf der Piazza Grande für sein Lebenswerk geehrt.
Dunkle Wolken hingen gestern über Locarno. Eine Lichtgestalt machte sie vergessen: Harry Belafonte («Island In The Sun», «Banana Boat Song»). Am Nachmittag faszinierte der 85-jährige Entertainer und Philanthrop zunächst die Medienschaffenden. Geduldig liess er einen Interviewmarathon in seinem Hotel in Ascona über sich ergehen, beantwortete zahlreiche Fragen, auch eher unbedarfte wie jene, ob er sich als Sänger oder Schauspieler sehe. «Meine Antwort ist stets dieselbe», so Belafonte, «ich habe die Leute davon überzeugt, dass ich ein grosser Sänger bin. Das macht mich zu einem grossen Schauspieler.» Sagte es und lachte.
Entwaffnender Charme
Belafonte begeisterte nicht nur mit seinem Humor und entwaffnenden Charme. Ungebrochen scheint auch sein Interesse an der Politik. In den frühen 1960er-Jahren beriet sich der Aktivist mit den Kennedys und mit Martin Luther King, unterstützte die Bürgerrechtsbewegung mit Millionenbeiträgen, was «mich mehr als einmal an den Rand des Ruins trieb», wie er uns erzählte.
Der überzeugte Humanist übt gar Kritik an Präsident Barack Obama, der in seinen Augen allzu stark die Interessen der schwarzen Mittelschicht vertrete. Dennoch wird ihn Belafonte wieder wählen, «denn die Wahl eines Mitt Romney wäre für Amerika der Beginn eines vierten Reichs.»
Schwarze Carmen
Locarno zeigt heute zwei Filme, in denen Belafonte mitspielt: «Carmen Jones» von Otto Preminger. Der deutsche Regisseur brach 1954 mit Konventionen und besetzte diese Abwandlung von Bizets Oper ausschliesslich mit dunkelhäutigen Schauspielern – was damals in Hollywood einer Revolution gleichkam. In «Sing Your Song» erzählt die Filmemacherin Susanne Rostock Belafontes Lebensgeschichte, vom Kind mit karibischen Wurzeln, das in grosser Armut in Harlem und Jamaika aufwächst, sich durchbeisst, im Theater Sidney Poitier und Marlon Brando kennenlernt, als Schauspieler und vor allem Sänger Welterfolge feiert und sich humanitären Projekten verschreibt.
Für seine Karriere wurde er am Montagabend vor 8000 Besuchern auf der Piazza Grande mit einem Ehrenleoparden ausgezeichnet. In seiner kurzen Dankesrede sagte Belafonte: «Ich glaube daran, dass Künstler heute mehr denn je notwendig sind, um den Regierenden dieser Welt zu helfen, den richtigen Weg aus den Krisen der Gegenwart zu finden. Künstler sind die Hüter der Wahrheit.»
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