Bei ihrem Basler Gastspiel machte Joan As Police Woman klar, dass sie zu den interessantesten US-Sängerinnen der Gegenwart zählt: Hypnotisch und funky, voller Soul und Leidenschaft sang sich die Bandleaderin in die Herzen des Kasernen-Publikums.
Welche weisse Amerikanerinnen haben im neuen Jahrtausend mit ihren Stimmen aufhorchen lassen? Wenn wir uns auf drei beschränken müssten, würden wir sie nebst Amanda Palmer und Cat Power (die einst im Sommercasino schluchzte) auch dazu zählen: Joan Wasser. In den 90er-Jahren Wegbegleiterin von Jeff Buckley und nach dessen Tod Violinistin bei Antony & The Johnsons.
Tolle Idee: Die Kaserne Basel wartet im April mit einer Konzert-Offensive auf: Kaum ein Tag, ohne dass im Rossstall die Musik spielt. Hierfür wurde ein spezielles Angebot lanciert: «Spring Break». Wer 3 Shows nach Wahl besucht, zahlt 50 Franken. Der Deal gilt für Konzerte bis 12. April und ist ein Fall für die Abendkasse.
Seit 12 Jahren ist sie mit ihrer eigenen Musik, ihrer eigenen Band unterwegs: Joan As Police Woman. Ewiger Geheimtipp in den Musikmagazinen, mit stetig wachsender Fanbasis. Diese dürfte, ja, sollte mit ihrem just veröffentlichten vierten Album noch grösser werden: Denn auf «The Classic» erweitert die Amerikanerin ihr Indie-Kleid um Soul-Ornamente. Zieht sich ein goldenes Motown-Top über. Das überrascht, haben wir sie vor Jahren doch noch in die Nähe ihrer gleichaltrigen britischen Kollegin PJ Harvey gerückt. Traurig und melancholisch, wie viele Lieder klangen.
Befreiung und Bolschewikistil
«Ich habe die alten Geister hinter mir gelassen», erklärte Joan Wasser kürzlich im Gespräch mit der «Süddeutschen» und meinte damit auch Liebesbeziehungen. «Ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung dieses Albums war der Umstand, dass ich endlich einmal nicht meine ganze Energie in jemand anders fliessen liess, sondern in mich selbst. Und dann war da dieses grossartige Gefühl von Freiheit, nach dem ich mich sehr gesehnt hatte. Mehr Energie, mehr Freiheit, das sind wohl die Gründe, warum dieses Album weniger melancholisch und stilistisch offener als die anderen ausgefallen ist.»
Ihren musikalischen Befreiungsschlag präsentierte sie am Freitag in Basel. Erstmals überhaupt konnte man die 43-Jährige in unserer Region erleben. Allein der Anblick ihrer Truppe: eine Augenweide! An der Gitarre der uneheliche Sohn von John Lennon und Jesus (Matt Whyte), am Schlagzeug ein Verfechter des bolschewikischen Kleidungsstils (Parker Kindred) und an Keyboard & Sax der klassische Typ Jazzschulabsolvent aus gutem Haus, mit Kenny-G-Rossschwanz (Eric Lane). Herrlich! Dazu ein Tontechniker in weissem Hemd und schwarzer Krawatte. They got the style! Nur welchen? Egal!
Goldener Glitzer
Joan Wasser selber trat in Stiefeln und goldener Glitzerbluse auf, beeindruckte nicht nur mit ihrer ausgeprägten Armmuskulatur sondern auch ihrem starken Timbre und ihrer Vielseitigkeit: Zunächst sang sie am Keyboard, wechselte später zu Gitarre und goldener Geige. Versiert wie sie ist, liess sie sich auch nicht durch kleine Unsicherheiten in den Abläufen aus der Ruhe bringen, schien in sich gekehrt, fokussiert, konzentriert.
Und kam mit ihren drei Mitmusikern zunehmend in Fahrt. Als dritten Song packte das Quartett bereits die funky Single-Auskopplung «Holy City» aus, jenen Song, mit dem sich Joan Wasser in die Nähe von Morcheeba (Rome Wasn’t Built In A Day) und Chi Coltrane (Hallelujah) gerückt hat.
Live haben wir zwar den Bläsersatz und die Frauenchöre vermisst. Aber Schwamm drüber, der treibende Soul machte Lunte und er wurde gleich noch getoppt von einem frühen Highlight: «Good Together», eine siebenminütige Hymne, vergleichbar mit den experimentellen Phasen von Roisin Murphy und Moloko, hypnotisch steigernd, episch, ergreifend. Umwerfend. Muss man sich so vorstellen:
Nicht der letzte grosse Moment in ihrem 90-minütigen Set: Wie wunderbar Joan Wasser ihr stilistisches Range expandiert hat, offenbarte sie auch im lockeren Wah-wah-Funk von «Shame», dem Reggae «Ask Me» (mit baucherschütterndem Moog-Bass!) oder der prächtigen Acapella-Zugabe «The Classic». Letzteres, eine Hommage an den Sixties-Doowoop, hätte den idealen fingerschnippenden Schlusspunkt gebildet. Doch kam Wasser dem Wunsch nach weiteren Zugaben nach («Thank you for supporting live music!»), was zwar publikumsfreundlich war, aber aus dramaturgischer Sicht suboptimal – gerade auch, weil sie sich für einen sehr ruhigen, sanften Abschluss entschied – ungeachtet der Tatsache, dass die Unruhe im Publikum zunahm, das Bargequassel auch.
Was blieb? Bei manchen vielleicht der Wunsch, dass sie mehr ältere Songs eingebaut hätte, so wie «I Defy» (bekannt im Duett mit Anton Hegarty). Aber zugleich hätte man auf keinen Fall auf die tollen neuen Songs verzichten wollen. Ein Fest der Sinnlichkeit, ihr Indie-Soul, leidenschaftlich, ergreifend und mitreissend.