Bei der Farewell-Tour für den Jamaikaner Ernest Ranglin sitzt mit Tony Allen einer der stilbildendsten Musiker Afrikas am Schlagzeug . Ein Porträt.
Wenn am Freitag, 29. Juli, der jamaikanische Gitarrist Ernest Ranglin auf dem Arlesheimer Domplatz seinen Abschied von der Bühne feiert, dann bringt er eine Allstar-Band mit, die bis in die hinteren Reihen mit illustren Namen bestückt ist: vom senegalesischen Sufisänger Cheikh Lô bis zu Herbie Hancocks Sideman Ira Coleman am Bass.
Ein Mitglied aus seiner Farewell-Band dürfte Ranglin, selber Mitbegründer von Mitbegründer von Ska und Reggae, sogar den Rang ablaufen, was musikalische Verdienste der letzten 50 Jahre angeht: Tony Allen. Der nigerianische Schlagzeuger hat afrikanische Popmusik seit den 1960ern entscheidend mitgeformt.
Synkopisches Hexenwerk
«Ich wollte der beste Drummer Nigerias werden, hatte aber anfangs keinen blassen Schimmer, wie ich das anstellen sollte», erinnerte sich Allen in einem Interview. «Da geriet mir die Jazz-Zeitschrift ‹Down Beat› in die Hände, mit einer Lektion von meinem amerikanischen Kollegen Max Roach. Seine Anweisungen kombinierte ich mit allem, was ich vorher gelernt hatte – und plötzlich spielte ich wie niemand anders.»
Aufmerksam auf die rhythmischen Künste wird auch ein Landsmann: Fela Kuti, charismatischer Bandleader, ist gerade auf der Suche nach einem Drummer für seine neue Band Koola Lobitos, und Tony Allen überzeugt ihn schnell. «Er sagte, ich würde wie vier Schlagzeuger gleichzeitig spielen», erinnert sich Allen. Tatsächlich rätseln Drummer bis heute über das synkopische Hexenwerk, diese lässige, nie überdrehte Polyrhythmik, die Allen zaubert.
Gemeinsam entwickeln er und Kuti aus dem Jazz, Soul, Funk und dem in Westafrika populären Highlife einen neuen Stil namens Afrobeat: Hypnotische Grooves mit provokanten Texten an die Adresse der korrupten Machthaber – die manchmal 30 Minuten langen Stücke werden prägend für die neue Band Africa 70.
Teamworks von Marokko bis Haiti
Nachdem Allen 30 Platten mit Kutis Afrobeat-Orchester eingespielt hat, gehen die beiden Ende der 1970er getrennte Wege. Allen siedelt nach Paris über und muss dort lange Durststrecken durchstehen, bis ihn eine neue Generation wiederentdeckt. Dafür verantwortlich ist zunächst der Elektro-Produzent Doctor L, der mit ihm psychedelisch eingefärbte Alben aufnimmt. Doch auch der finnische Musiker Jimi Tenor oder Damon Albarn, der Weltmusik-vernarrte britische Popstar, entdecken den Nigerianer. Durch diese unverhofften Kollaborationen ist Tony Allen seit der Jahrtausendwende zu einem wahren Hans-Dampf-in-allen-Gassen geworden: Ein halbes Dutzend Alben unter eigenem Namen hat er in seinem zweiten Frühling eingespielt, zuletzt «Film Of Life».
Fast schon unzählbar sind die Teamworks des heute 75-Jährigen. Man kann ihn in Marokko mit Sufis auf der Bühne sehen, als Rhythmusgeber für eine haitianische Bigband, und in Damon Albarns afro-europäischem Trupp Africa Express ist er ohnehin Stammgast. Dass er jetzt für Ernest Ranglins musikalische Finalrunde die Stöcke schwingt, kommt daher nicht überraschend. Etliche Parallelen gibt es zwischen ihm und dem Jamaikaner: Die stilbildende Arbeit in den 1960ern und 70ern, das Agieren aus der zweiten Reihe, die Wiederentdeckung durch eine neue Generation.
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Live mit Ernest Ranglin bei «Stimmen»:
Domplatz Arlesheim, Freitag, 29. Juli, 20 Uhr.