2012 wird ein bedeutendes Jahr für den jungen Basler Slampoeten Laurin Buser: Er bringt sein zweites Programm auf die Bühne und veröffentlicht seine erste CD.
Verführerisch brummt die Stimme: «This is a song for all the ladys in Arlesheim.» Laurin Buser blickt auf den Boden und schiebt nach: «Nennen wirs Herzfickerschmerzscheiss, damit der Song nicht zu kitschig wird.» Das sitzt. Besser gesagt: Das wird sitzen, wenn er dieses Intro erstmals vor Publikum vortragen wird.
Noch sitzt er im Untergeschoss eines Allschwiler Gewerbebaus. Auf den ersten Blick ein Bandraum wie jeder andere: Neonröhren, Betonwände, Luftschutztüren. Auf einem Sofa-tischchen Thermosflasche, Macbook und – das macht den kleinen Unterschied – ein Buch von Sartre. Hier spielt nicht nur die Musik. Hier spricht auch der Denker.
Frühe Erfolge
Der Slam-Poet feilt derzeit zwischen seinen Auftritten mit seinem musikalischen Kompagnon Sascha F. an neuen Liedern. Mal raspelt Laurin Buser in schwindelerregendem Tempo einen Ragga ins Mikrofon, mal schaut er zu, wie sein Kumpel einen Beatbox-Rhythmus aufbaut, loopt und dazu ein funky Gitarrenriff spielt. Ein eingespieltes Team, das konzentriert arbeitet.
In der Pause gehts kurz rauf an die frische Luft. Laurin Buser zündet sich eine Zigarette an, zupft seine Mütze zurecht und blickt hektisch umher. «Nur noch zwei Wochen, dann gehts los», sagt er. Dann feiert er mit seinem neuen Bühnenprogramm Premiere.
Ein Getriebener? Möglich. Ein Angetriebener? Ganz bestimmt. Erst zwanzigjährig, ist sein Leistungsausweis beachtlich: 2010 wurde er in Bochum deutschsprachiger Poetry-Slam-Meister, Kategorie U20. Im selben Jahr spielte er eine Hauptrolle im Bühnenstück «Punk Rock», mit dem das Junge Theater Basel zurecht überregional Erfolg feierte – stark inszeniert, das Stück, stark gespielt auch.
Ebenfalls im letzten Jahr trat er mit seinem ersten Soloprogramm an der Kleinkunstbörse in Thun auf, wo sich Veranstalter jeweils einen Überblick über die aktuelle Schweizer Szene verschaffen. Laurin Buser fiel auf – und erhielt Anfragen zuhauf. Seither lebt er von seiner Kunst. «Wenn ich in einem Kleintheater rappe, dann finden das Leute super, die mit dieser Kultur sonst nichts anfangen können. Das ist schön. Aber auch seltsam.»
Voller Experimentierfreude
Wer ihn vor fünf Jahren, am Anfang seiner Slam-Karriere, erlebte, sah einen Idealisten, der von einer besseren Welt träumte, der mit wohlfeilen Gedichten und charismatischer Performance punktete. Ein «Schnügel», dieser junge Kerl aus Arlesheim. Die Schülerinnen in der ersten Reihe: hin und weg. Eine Blüte dieser Frühphase ist die mit Pathos aufgeladene Ballade «Die Rose», die auf Youtube schon fast 50 000 Mal angeschaut wurde.
«Das ist lange her», sagt Laurin Buser und meint es nicht kokett. Er lernt ständig dazu, entwickelt sich weiter. Das rechnen ihm etablierte Slam-Kollegen hoch an: «Nichts wäre einfacher, als auf einer erfolgreichen Schiene weiter zu fahren», sagt Sebastian, 23. «Glücklicherweise ist das Laurin zu langweilig. Er probiert sich immer wieder neu aus – ohne Qualitätsverlust. Die Kunstform des gesprochenen Wortes braucht genau solche Leute. Ansonsten erstarrt sie und verblasst wie ein Keks in der Konditorei.» Schliesslich gesteht der arrivierte Slampoet aus Bochum: «Ich möchte so werden wie Laurin Buser. Das klingt nach einer platten Phrase, aber es stimmt wirklich, ich möchte so werden wie er: jünger, attraktiver, Schweizer.»
Jünger wären auch manche Fans gerne. In seiner Post fand Buser schon mal eine Liebeserklärung, in der die Absenderin seufzend bedauerte: Wenn nur die 40 Jahre Altersunterschied nicht wären!
Schritt in die Selbständigkeit
Wann fasste er den Entscheid, seine Gefühle und Gedanken auf die Bühne zu tragen? Schon mit 14 Jahren schrieb er Texte, «allerdings nur für mich. Raps», erzählt er. Als ihm ein Bekannter auf Youtube Slampoetry zeigte, wusste Laurin: «Das will ich auch probieren! Also schaute ich nach, wo der nächstbeste Wettbewerb stattfand: in Kreuzlingen, am Bodensee.» Seine Eltern fuhren ihn hin und erlebten mit, wie ihr Sohn erstmals auf einer Bühne stand, mit einem eigenen Text. Aufgeregt. Aufgewühlt. Und glücklich.
Mit 15 nahmen die grossen Reisen ihren Anfang: Tagsüber feilte Laurin an seiner Poesie, am Wochenende fuhr er zu Slams. Nachdem er mit 19 Jahren die Steiner-Schule abschloss, zog er aus, nach Basel, in eine WG. Seine Eltern hatten Verständnis, dass er sein Glück fortan in der Selbständigkeit suchen wollte, schlugen sie doch einst den gleichen Weg ein: Mutter Dalit Bloch ist Schauspielerin und Regisseurin, Vater Daniel Buser Schauspieler und Musiker (Touche Ma Bouche). Das Theater sei seine zweite grosse Leidenschaft, sagt Laurin Buser, eine Schauspielausbildung könnte er sich später mal vorstellen. Im Moment aber lässt er seiner Experimentierlust freien Lauf, stellt hohe Ansprüche an sich, greift auch ernsthafte Themen auf, aber mit Humor. Er betört mit Hirn, Charme und Ironie.
Auf vielen Bühnen präsent
Shooting Star war gestern. Sein GA amortisiert er mittlerweile im Nu, Kleinkunstkeller, Firmenanlässe, Theatersäle – die Agenda ist voll. Als sei das noch nicht genug, organisiert er auch noch den grössten Slam der Nordwestschweiz, im Kulturpavillon am Zoll Otterbach/Basel. Der Slam ist fast immer ausverkauft. Laurin Buser, so scheint es, macht nicht nur sehr viel, sondern auch sehr viel richtig. «Ich muss mir eine Agentin suchen», sagt er, «manchmal wächst mir all das Organisatorische über den Kopf.»
Und den Kopf, den möchte er frei haben. Für Ideen, für seine Texte, seine Musik. Ein ganzes Album hat er mit Sascha F. aufgenommen, 2012 soll es erscheinen. Zuvor bringt er das Bühnenprogramm «Earth Shaking» zur Uraufführung (Regie: Sandra Löwe). Gleich für acht Abende hat ihn das Tabourettli gebucht. Grosses Vertrauen. Grosse Erwartungen.
Ist da nicht die Gefahr, dass er sich übernimmt? Sein grosser Slam-Bruder Gabriel Vetter (28) glaubt an ihn: «Laurin ist ein schlauer Kerl mit dem richtigen Schuss Schwerenot und Selbstkritik, die ihn davon abhält, dem ganzen Schweizer-Illu-Prix-Walo-Scheiss zu verfallen, und trotzdem locker genug, sich ums brottrockene Feuilleton-Geschwurbel zu scheren.» Man werde noch viel hören, sehen und lesen von Laurin Buser, prognostiziert Vetter: «Könnte man von jungen Künstlern Aktien kaufen, Laurin wäre meine erste Wahl.»
Tabourettli, Basel. Premiere: 4.1., 20 Uhr. Weitere Vorstellungen: 5.–7. und 11.–14. Januar 2012.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 23/12/11