Ein letzter, harter Schlag und dann ist es vorbei – «Gottseidank»

Wie ist es, «Fifty Shades of Grey» in einem Kinosaal mit 500 angetrunkenen Frauen zu sehen? Eigentlich ganz lustig. Wenn da nur nicht dieser schlechte Film wäre.

Sieht gut aus, ist es aber nicht: «Fifty Shades of Grey - The Movie»

Wie ist es, «Fifty Shades of Grey» in einem Kinosaal mit 500 angetrunkenen Frauen zu sehen? Eigentlich ganz lustig. Wenn da nur nicht dieser schlechte Film wäre.

Ein Tag seit der gut besuchten Feminismus-Diskussion in der Kaserne ist vergangen und im «Küchlin» scheint schon alles wieder in Richtung Nullpunkt zu laufen: Hier startet gleich die «Ladies Night», ein Abend, an dem nur Frauen in der Vorstellung zugelassen sind (dafür die ganze Palette: «Ganz egal ob mit Freundinnen, Arbeitskolleginnen, Mutter oder Tochter – die Pathé Ladies Night heisst jede Frau herzlich Willkommen») und für 25 Franken einen Film inklusive Cüpli, Häppchen und Goodie-Bag vorgesetzt bekommen.

Und nicht nur einen Film, nein, pünktlich zu seiner Premiere wird der halberotische Hausfrauenporno «Fifty Shades of Grey» über die Leinwand flackern. Eine clevere Wahl für eine Frauennacht – die «Ladies Night» ist zum ersten Mal ausgebucht, schon seit Wochen.

Das Konzept scheint gut anzukommen: Die grosszügig parfümierten Ladys (ein Kinosaal mit 500 Frauen – ein olfaktorisches Erlebnis) scharen sich um die aufgestellte Bar vor der Leinwand, trinken enthusiastische Mengen von Litschi-Schaumwein und reden über die Themen, über die eine Lady nach ein paar Gläschen an einem solchen Anlass halt so redet: Business, Boyfriends, Bondage.


Die erwartete Armada von desperate Housewives fällt aus. Von der tätowierten Superbraut bis zum verschüpften Teen sind die verschiedensten Frauen-Typen im Raum. Meine Begleiterin sieht das etwas anders: «Chicorée-Schick», flüstert sie entsetzt, bevor sie sich über die kleinen Quiches hermacht, die herumgereicht werden. 

Ok, wir gebens ja zu: Wahnsinnig gefreut hatten wir uns jetzt nicht wirklich auf diesen Film. Vom Buch bleibt eine vage Erinnerung, von dem eher der Hype als der Inhalt faszinierte. «Es ist im Fall gar nicht so schlecht!», kriegte ich immer wieder zu hören, unter anderem von Mitstudentinnen, die das Buch auf die Studienreise nach Venedig mitnahmen.

Zwischen Palladio und Tizian holten sie sich dann wohlige Schauer bei den ständig kopulierenden Protagonisten, stets darum bemüht, den literarischen Wert des Buches zu erwähnen. Darin besteht die Faszination für «Fifty Shades of Grey»: Alle, die es gelesen haben, behandeln das Buch wie ein geistig minderbemitteltes Haustier – ein bisschen doof, aber gerade darum doch umso liebenswerter.

Grandios: Fifty Shades of Buscemi

Zum Glück gibt es immer noch das Internet, das solche Hypes verlässlich zynisch in Unterhaltung verwandelt. So erschienen im Vorfeld zur Premiere zahlreiche Parodien des hochdramatischen Trailers, mit Lego-Figuren, Golden Retrievern, Scooby Doo oder Steve Buscemi in der Hauptrolle. Letzterer ist so gut, dass man ihn niemandem vorenthalten sollte. Original- und Buscemi-Trailer im Vergleich: 

Ich und meine Begleitung sind inzwischen beim dritten gut gefüllten Cüpli angekommen und machen uns an Fake-Fur-Westen und Leder-Jeggings vorbei auf den Weg zu unseren Plätzen – wo bereits zwei grölende Frauen auf unseren Plätzen sitzen. Ein kurzer Blick auf ihre Karten – «Oh, genau, wir haben ja Reihe 6!» – und sie wanken kichernd ein paar Reihen nach hinten. Meine Begleitung macht Kopfschussgesten.

Wir machen es uns in unseren Sitzen bequem, reissen die Popcorn-Packungen auf, die bereit liegen und reissen ein paar «Wäh, Fifty Shades of Grey!»-Sprüche mit unseren zwei Sitznachbarinnen. Alles um uns herum kichert und prustet, und irgendwie fühlt es sich gut an, wie ein grosser schöner Familien-Kinoabend. Bis der Film anfängt.



Volles Haus – dieses Mal im Küchlin, bei «Fifty Shades of Grey»

Volles Haus – dieses Mal im Küchlin, bei «Fifty Shades of Grey»

Zu viele Worte sollte man nicht über diesen Streifen verlieren, denn er ist wirklich nicht gut. Die Handlung ist schnell erzählt: Anastasia Steele verknallt sich in Christian Grey, einen heissen Super-Milliardär, der auf SM-Praktiken steht («Würdest du mir gehören, könntest du eine Woche lang nicht sitzen!»), aber leider niemanden je richtig lieben können wird («Ich schlafe nie mit jemandem. Ich ficke hart!») und der 21-Jährigen ihre romantischen Annäherungsversuche in ein paar wenigen emotionalen Momenten auszureden versucht («Ich bin nicht der Richtige für dich! Du solltest dich von mir fernhalten!») – wenn er ihr nicht grad den Hintern mit einer eindrücklichen Auswahl von Peitschen, Gerten und Slappern versohlt. Und das tut er eigentlich ständig.

Zu den schlechten Dialogen kommen harmlose Sex-Szenen mit einseitigen Einstellungen hinzu (der Film konzentriert sich eingängig auf Steeles Brüste, bebende Lippen und Rehaugen – vom männlichen Protagonisten sieht man höchstens mal den nackten Hintern).

Einziger Lichtblick des Films ist Hauptdarstellerin Dakota Johnson. Ihr nimmt man die Rolle des lippekauenden Mauerblümchens, das hin- und hergerissen ist zwischen romantischen Gefühlen und sexueller Lust, sofort ab. Anders als bei ihrem männlichen Kollegen, dem neuen Keanu Reeves am Kino-Firmament: ein einziger Gesichtsausdruck, konsequent aufgesetzt, den ganzen Film hindurch.



Veranstaltung toll, Film kacke: Besucherin mit Goodie-Bag vor Werbe-Twingo.

Veranstaltung toll, Film kacke: Besucherin mit Goodie-Bag vor Werbe-Twingo.


Als Anastasia Steele zum dritten Mal den Hintern versohlt bekommt, haben meine beiden Nachbarinnen genug. «Wir gehen kurz nach draussen, in eine Bar was trinken», flüstern sie, «für die Goodie-Bags sind wir dann zurück!»

Wir schauen ihnen sehnsüchtig nach. Die restliche Stunde des Films verbringen wir damit, uns auszumalen, was wohl alles an Essbarem im Goodie-Bag sein wird.

Kurz vor Ende kommen unsere Sitznachbarinnen gut gelaunt wieder zurück. Grey schlägt Steele nochmal mit einer besonders grossen Gerte auf den Hintern, sie beschliesst, das nicht mehr mit sich machen zu lassen und verlässt ihn. Dann wirds hell im Saal. «Schon vorbei?» Meine Sitznachbarin schaut von ihrem Handy auf. «Na, Gottseidank.»

Beim Rauslaufen haben alle resigniert, eine besonders enttäuschte Frau verweigert sogar den hübschen Goodie-Bag (Parfum-Muster, Frauenzeitschrift, Amaretti, Shampoo), der am Eingang verteilt wird. Sie schüttelt traurig den Kopf. Was sie wohl erwartet hat?

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«Fifty Shades of Grey»
läuft u.a. in den Basler Kinos Capitol, Pathé Küchlin und Rex. Den Film angesehen haben sich auch die Kollegen vom «Tages-Anzeiger». Eine Journalistin und ein Journalist sagen, was der «Fifty Shades»-Film bei ihnen ausgelöst hat: «Dann mach doch mal vorwärts»


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