Ein Raubkunstfall, wie gemacht für Hollywood

Um die Jahrtausendwende erhitzte ein Gerichtsfall die österreichischen Gemüter: Gustav Klimts «Porträt Adele Bloch-Bauer», Österreichs berühmtestes Gemälde, wurde als Raubkunst identifiziert und 2006 der rechtmässigen Besitzerin zurückerstattet. Die Geschichte des Falles wurde nun verfilmt.

Gustav Klimt (ein bärtiger Moritz Bleibtreu), wie er Adele (Antje Traue) malt. (Bild: © Ascot Elite)

Um die Jahrtausendwende erhitzte ein Gerichtsfall die österreichischen Gemüter: Gustav Klimts «Porträt Adele Bloch-Bauer», Österreichs berühmtestes Gemälde, wurde als Raubkunst identifiziert und 2006 der rechtmässigen Besitzerin zurückerstattet. Die Geschichte des Falles wurde nun verfilmt.

Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis Hollywood dieses Thema für sich entdeckte: Wie die Erbin einer alten jüdischen Familie aus Wien den Staat Österreich verklagte, um zurückzubekommen, was die Nazis ihrer Familie geraubt hatten, darunter jenes Gemälde, das über 50 Jahre lang als «Österreichs Mona Lisa» galt – Gustav Klimts Porträt von Adele Bloch-Bauer.



Die «Mona Lisa Österreichs»: Gustav Klimts Porträt von Adele Bloch-Bauer.

Die «Mona Lisa Österreichs»: Gustav Klimts Porträt von Adele Bloch-Bauer. (Bild: © Neue Galerie New York)

Die Erbin hiess Maria Altmann, und ihrer Geschichte ist der Film «Woman in Gold» von Simon Curtis gewidmet. Adele Bloch-Bauer war ihre Tante und Klimts Muse gewesen, in jenen schönen Zeiten um 1900, den goldenen Zeiten Wiens. Die Kunstszene florierte, der Stadt ging es gut, nur ein junger Oberösterreicher war unglücklich, weil er voller Hoffnung nach Wien gefahren war, um sein Glück an der Kunstakademie zu versuchen. Es war ihm nicht hold.

Der Name des erfolglosen Aspiranten war Adolf Hitler, und wer um dieses biografische Detail weiss, der versteht, was Maria Altmann im Film meint, wenn sie sagt: «Wäre er doch nur aufgenommen worden.» Dann nämlich, so das Unausgesprochene, hätte seine Karriere vielleicht einen anderen Verlauf genommen, und der Familie Bloch-Bauer und vielen anderen wäre ihr Schicksal erspart geblieben.

Wie innig war das Verhältnis zwischen Tante und Nichte?

Klimt und die verheiratete Adele hätten in jenen Jahren wohl eine Affäre gehabt, mutmasst man heute und erklärt damit Adeles melancholischen Blick auf dem Gemälde. Ihre Nichte Maria war 1907, als das Porträt entstand, noch nicht geboren. Sie erblickte 1916 als Maria Bloch-Bauer das Licht der Welt und wuchs mit dem Bild ihrer Tante im Wohnzimmer auf. In mehreren Szenen zeigt der Film das enge Band, das Tante und Nichte verbunden haben soll – ein Buch hingegen, das sich mit demselben Fall auseinandersetzt, beschreibt Adele als eine Frau, die mit Kindern nichts anzufangen wusste.

Für die Stringenz des Films ist das innige Verhältnis nötig, weil damit einfach zu erklären ist, weshalb Maria Altmann 1998 beschloss, jenes Klimt-Porträt sowie drei Landschaftsbilder zurückzufordern. Dabei ging es Maria Altmann (im Film hinreissend verkörpert von Helen Mirren) um ganz Grundsätzliches: Die Leute sollten nicht vergessen, dass Österreich sich seiner Vergangenheit stellen und dass das Unrecht wieder gut gemacht werden muss – soweit möglich, zumindest. 

Es war darum wohl kaum Zufall, dass Maria Altmann für ihr Vorhaben einen Anwalt aussuchte, der zumindest teilweise ihre Vergangenheit teilte: Eric Randol Schoenberg, genannt Randy, ist der Enkel des Wiener Komponisten Arnold Schönberg, der 1933 aus politischen Gründen in die USA emigrierte. Bis zu diesem Restitutionsfall hatte Randy Schoenberg sich nicht mit seiner Vergangenheit befasst, und er ist einer derjenigen, den Maria Altmann direkt anspricht, wenn sie sagt: «Die Leute vergessen zu schnell – vor allem die Jungen.»



Der Anwalt und seine Mandantin: Randy Schoenberg (Ryan Reynolds) und Maria Altmann (Helen Mirren).

Der Anwalt und seine Mandantin: Randy Schoenberg (Ryan Reynolds) und Maria Altmann (Helen Mirren). (Bild: © Ascot Elite)

Es galt, die Aufmerksamkeit zu gewinnen – sie zurückzugewinnen. Und grösser hätte diese Aufmerksamkeit nicht sein können, denn wer wagt es schon, das berühmteste Bild eines Landes für sich zu beanspruchen? Seit dem Zweiten Weltkrieg hing die «Goldene Adele» im Wiener Belvedere, in der Österreichischen Galerie. Sie war aus der Wohnung der Bloch-Bauers direkt dorthin verfrachtet worden – hatte allerdings unterwegs ihren Namen verloren. Denn wie hätten die Nationalsozialisten begründen sollen, dass sie das Porträt einer Jüdin in ihre «bereinigte» Kunstsammlung aufnahmen?

Das Porträt von Adele Bloch-Bauer hiess fortan deshalb schlicht «Die Dame in Gold». Adele Bloch-Bauer, die 1925 einer Meningitis erlegen war, war aus dem Gedächtnis der Wiener getilgt.

Bevor sie starb, hinterliess Adele ein Schreiben. Darin äusserte sie den Wunsch, dass ihr Porträt sowie die anderen Bilder Klimts nach dem Tod ihres Mannes ins Wiener Belvedere gegeben werden sollten – ein Wunsch, den sie wohl nicht geäussert hätte, wenn sie die Zukunft gekannt hätte. Dieses Dokument nahm im Restitutionsfall «Adele Bloch-Bauer» eine zentrale Rolle ein. Österreich betrachtete das Schreiben noch im Jahr 1998 als Testament und argumentierte damit, es sei der rechtmässige Besitzer der Klimts. Allerdings hatte noch nie jemand dieses Schreiben gesehen.

Im Film spaziert Maria Altmann mit Randy Schoenberg durch Wien und wähnt sich in einem James-Bond-Film. Tatsächlich hat dieser Fall krimiähnliche Züge. Mit der Hilfe des Investigativ-Journalisten Hubertus Czernin (der die Nazi-Vergangenheit des späteren österreichischen Präsidenten Kurt Waldheim aufgedeckt hatte) fanden Altmann und Schoenberg einen Beleg für die Klimt-Porträts, der bewies, dass Adeles Mann Ferdinand die Klimt-Gemälde bezahlte hatte. Adele konnte die Bilder somit gar nicht vererben.

Zweiter Haken an der österreichischen Argumentation: Selbst wenn man Adeles «Wunsch» als legitim betrachtet hätte, so wäre man ihm trotzdem nicht adäquat nachgekommen. Denn die Klimt-Gemälde wanderten bereits vor Ferdinands Tod ins Belvedere.

Dass nach jahrelangem Gerichtsverfahren schliesslich auch die Österreicher ihr Unrecht einsehen und eingestehen mussten, ist heute hinlänglich bekannt. Im Film natürlich wird der Moment, als im Jahr 2006 ein Wiener Schiedsgericht verfügt, dass die Gemälde Maria Altmann zurückgegeben werden müssen, mit Jubel und Fanfaren untermalt. Noch aber warten geschätzte 100’000 weitere Kunstwerke darauf, ihren rechtmässigen Besitzern zurückgegeben zu werden. Aber zumindest in diesem Fall reichte es für ein hollywoodeskes Happy-End.

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«Woman in Gold» läuft am 28. Mai in den Schweizer Kinos an.

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