Ein Raumschiff namens Enterprise und kein Ende in Sicht

Vor 50 Jahren lief die erste Folge von «Star Trek» am US-Fernsehen. Seither hat sich die Franchise stets erneuert, die nächste Serie startet im Januar 2017. Was hält sie am Leben? Ein Fan erzählt.

Die alte Star Trek-Crew: Leonard Nimoy als Commander Spock, William Shatner als Captain Kirk, DeForest Kelley als Doctor McCoy und James Doohan als Commander Scott.

Vor 50 Jahren lief die erste Folge von «Star Trek» am US-Fernsehen. Seither hat sich die Franchise stets erneuert, die nächste Serie startet im Januar 2017. Was hält sie am Leben? Ein Fan erzählt.

«Der Weltraum – unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das mit seiner 400 Mann starken Besatzung fünf Jahre lang unterwegs ist, um fremde Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.»

Wir schreiben 2016, und es ist fünfzig Jahre her, seit diese Worte – in Englisch – zum ersten Mal aus dem Fernseher knisterten, während eine weisse Scheibe mit zwei Düsen über den schwarzen Bildschirm schwebte. «Star Trek» startete als eine mit konservativem Budget ausgestattete TV-Serie, was die erste Folge kaum verschleierte:

 

Ein paar Kartonschachteln als Tempeleingang, blaue und ockergelbe Pyjamapullis als Besatzungsuniform und eine Story, die man getrost als ungelenk beschreiben darf: Eine ausserirdische Kreatur, die Letzte ihrer Art, braucht Salz zum Überleben. Und weil sie über die nützliche Fähigkeit verfügt, ihre Gestalt zu wechseln, fällt sie ahnungslose Enterprise-Mitglieder an, um ihnen das Salz aus dem Körper zu saugen.

Bizarr? Vielleicht. Aber für das Genre der Science-Fiction, das in den 1960er-Jahren zwar beliebt, jedoch häufig bipolarer Trash war (Ausserirdische greifen an, Menschen müssen ihre Freiheit verteidigen – es war Kalter Krieg), markierte der Beginn von «Star Trek» einen erzählerischen Quantensprung.

Unverschleierter Internationalismus

Schon allein die Rahmenerzählung der Serie verdeutlichte, dass Gene Roddenberry, der Vater von «Star Trek», über die üblichen Weltraumschlachten hinausdachte. Die «Enterprise» fliegt durch ein 23. Jahrhundert, in dem die Menschheit nach einem Dritten Weltkrieg zivilisatorisch einen Schritt nach vorne gemacht hat. Von der Erde aus regelt die «Vereinte Föderation der Planeten», eine Allianz der Völker der Milchstrasse, mehrheitlich friedlich den galaktischen Alltag, Expeditionsschiffe wie die «Enterprise» durchqueren die endlosen Weiten des Alls nicht für Eroberungszüge, sondern aus Forschungsdrang.

Bei den Pilotvorführungen störten sich die Bosse des TV-Senders NBC, auf dem «Star Trek» seine Premiere hatte, am unverschleierten Internationalismus der Serie: Ein Japaner gehörte, zwanzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, zur Besatzung der «Enterprise», später kam sogar ein Russe hinzu, ausserdem gab es 1968 in der Folge «Plato’s Stepchildren» einen der ersten Küsse am US-Fernsehen zwischen einer weissen und einer schwarzen tragenden Rolle – Captain Kirk und Lieutenant Uhura:

Als am Ende der ersten Staffel die Quoten zwar anständig, jedoch nicht überragend waren, wollte NBC die Serie bereits wieder kippen. Doch da hatte «Star Trek» bereits eine eingefleischte Fanbasis geschaffen: Nachdem das Studio mit unzähligen Protestbriefen eingedeckt wurde, entschloss man sich zur Fortsetzung.

Knapp 50 Jahre später sind die Dimensionen der Serie fast so uferlos wie das All. Der Kosmos von «Star Trek» umfasst 703 Folgen, hinzu kommen eine Zeichentrick-Serie und Ablegerreihen wie «Deep Space Nine» oder «Voyager» sowie 13 Spielfilme. Eine Erfolgsgeschichte ohne Ende?

Ein Fanclub in Basel

«Die Serie war immer ein Katalysator für zeitgeschichtliche Themen», erklärt Peter Zumstein. Zumstein, geboren 1968 und wohnhaft im Aargau, verfiel als Bub in den Siebzigerjahren vor dem Fernseher den Abenteuern der «Enterprise» – und kam als Erwachsener nicht mehr davon los.

In den späten Achtziger- und frühen Neunzigerjahren, als mit «Star Trek: The Next Generation» neue Gesichter die Serie prägten, trat er in den Fanclub «European Starfleet Center» ein und war Mitgründer der Nordwestschweizer Niederlassung mit Sitz in Basel, wo man sich in Trekkie-Uniform traf und über weit entfernte Galaxien fachsimpelte. Bis der Boom abflachte.

Heute ist aus dem Club ein monatlicher Stammtisch geworden, noch immer mit Sitz in einem Keller in der Steinenvorstadt. Ein paar wenige Hartgesottene, die Zumstein an zwei bis drei Händen abzählen kann, kommen noch – allerdings nun in Zivil, und die Gesprächsthemen gehen auch mal über das Enterprise-Universum hinaus. Was hält ihn bei der Stange?

«‹Star Trek› hat es von Anfang an geschafft, gesellschaftlich kontroverse Themen an den Zensoren vorbei zum Fernsehpublikum zu bringen», sagt Zumstein. Die Rassenunruhen der USA und der Vietnamkrieg wurden in den frühen Staffeln reflektiert, später die Verelendung durch Drogenmissbrauch und, im zweiten Kinofilm «The Wrath of Khan», die Risiken der Gentechnologie.

«Für ein normales Serienprogramm am Fernsehen in den Sechziger- und Siebzigerjahren war das nahezu revolutionär», so Zumstein. In der Neuauflage «The Next Generation», diesmal unter dem Kommando des Humanisten Jean-Luc Picard, der anders als sein Vorgänger Captain Kirk weniger mit den Fäusten oder der Phaser-Pistole, sondern mit dem Geist die Probleme anging, verstiegen sich die Folgen zu philosophischen Exkursen in der Tiefe des Raumes.

Behandelt wurden elementare Fragen: Was sind die Grenzen von Moral und Toleranz? Welche Macht sollte der Technik überlassen werden? Selbst die Frage, ob es einen Gott gibt und wie er sich offenbaren könnte, wurde mit der Einführung des Wesens «Q» erörtert. Und gleichzeitig theologisch bedenkenlos erledigt, als sich das scheinbar allmächtige Wesen als Schaumschläger entpuppte.

Am Ende obsiegt bei «Star Trek» stets die Vernunft, und niemand verkörpert sie besser als der wahrscheinlich bekannteste Charakter der Serie: Mr. Spock. Halb Mensch, halb Vulkanier, ist der Stoiker mit den spitzen Ohren besonders dazu geeignet, Brücken zwischen den Völkern zu schlagen. In den frühen Staffeln noch Offizier der Sternenflotte, stieg Spock später zum Diplomaten auf, zu dessen Meisterleistung der Vertrag zwischen der Vereinten Föderation und dem Reich der Klingonen gehörte. Während 50 Jahren ist sein Darsteller Leonard Nimoy (†2015) immer wieder in seine Lebensrolle geschlüpft, zuletzt vor drei Jahren im Kino.

Spock stehe stellvertretend für den fortschrittlichen Geist der Serie, in der «die Völker nicht ständig Kriege gegeneinander führen, sondern sich zu Allianzen verbünden, Friedensverträge schmieden und allein schon durch die multikulturelle Schiffsbesatzung Ideale des Humanismus und der gegenseitigen Akzeptanz verkörpern», sagt Zumstein. Das hebe «Star Trek» von der anderen grossen Science-Fiction-Saga «Star Wars» ab: «‹Star Wars› ist ein Märchen, sozusagen ‹Herr der Ringe› mit Raumschiffen. Da gibt es Magie, Ritter, Schwertkämpfe, dunkle Mächte. ‹Star Trek› hingegen basiert auf Wissenschaft und Technologie», sagt Zumstein.

Darin sei die Serie visionär gewesen: «In den ersten Folgen kommunizierten die Mitglieder der Raumschiffcrew mittels kleiner, aufklappbarer Kästchen. 40 Jahre später sahen Mobiltelefone genauso aus. In den Achtzigerjahren wurden Tablets als Speicher- und Informationsmedien eingeführt. Und auf dem Weg zum Replikator ist man bisher immerhin beim 3D-Druck angelangt.» Nur der Transporter – der «Beamer» – und die Überlichtgeschwindigkeit werden kaum bald Realität werden, glaubt Zumstein.

Irgendwann muss es ein Ende geben

Kann das so weitergehen mit den Sternenflügen in den endlosen Tiefen des Alls? Zumstein ist skeptisch: Schon die neueste Filmreihe, der jüngste Film lief kürzlich im Kino, habe sich zu stark an den Action-Elementen der Frühzeit orientiert und das intellektuelle Potenzial der Serie ausgeblendet.

«Manche Geschichten lassen sich nicht wieder und wieder erzählen», sagt selbst er als Fan. Die Macher der Serie haben sich Tricks einfallen lassen wie den «alternativen Zeitstrahl», um neue Stories erzählen zu können, ohne auf die Kongruenz mit den früheren Episoden Rücksicht nehmen zu müssen. «Vielleicht ist das ein Indiz, dass dieses Vehikel nicht pausenlos weiterlaufen kann. Es wird nicht einfacher, gute Geschichten zu finden.»

Auf den kommenden Januar freut er sich dennoch: Dann schwebt die Sternenflotte ihren nächsten Abenteuern entgegen. «Star Trek: Discovery» wird mit einer neuen Crew für 13 Folgen den Kult weiterschreiben – und wartet auch diesmal mit einer Neuerung auf: zum ersten Mal soll die Hauptrolle einer Frau gehören.

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