Ein Sänger, der Schmerz in Schönheit verwandelt

John Grant verpackt todtraurige Texte in glücklich machende Melodien. Im Gespräch über persönliche Schwächen und die soziale Stellung von Homosexuellen nimmt der Mann mit der sonoren Stimme kein Blatt vor den Mund.

John Grant hat keine Angst, in seine eigenen Abgründe zu blicken: «Es ist nicht schlimm, sich beschissen zu fühlen. Das sind schliesslich auch Gefühle.»

John Grant verpackt todtraurige Texte in glücklich machende Melodien. Im Gespräch über persönliche Schwächen und die soziale Stellung von Homosexuellen nimmt der Mann mit der sonoren Stimme kein Blatt vor den Mund.

Ein amerikanischer Musiker, der mit Journalisten aus Deutschland und der Schweiz Deutsch spricht, das kommt selten vor. John Grant aber spricht fliessend und akzentfrei Hochdeutsch. Von 1988 bis 1994 studierte er in Deutschland, neben Deutsch auch Russisch. Damit verdiente er später sein Geld. Eine Zeit lang arbeitete Grant in New York als Übersetzer für medizinisches Russisch und kellnerte zusätzlich in einem vornehmen Restaurant.

Glücklich war Grant damals nicht. Seine Band The Czars war an chronischem Misserfolg und Suchtproblemen zerbrochen. Der Sänger hatte die 40 überschritten und wollte die Musik desillusioniert aufgeben. Doch dann nahmen sich die Folk-Rocker Midlake, die mit den Czars das Label teilten, seiner an. «Meine Brüder» nennt Grant die Musiker, die mit ihm sein Solodebüt «Queen of Denmark» einspielten.

Schwuler Sohn aus christlichem Haus

Das Album voll eingängiger Songs im Stil der Spätsiebziger geriet zum späten Triumph und wurde vom englischen Musikmagazin «Mojo» zur Platte des Jahres 2010 gekürt. Wer auf die Texte hört, stürzte aus einem schmeichelnden Melodienbad in einen Strudel der Qual und der Trauer. In «JC Hates Fagotts» erzählt der Sänger davon, wie seine streng baptistischen Eltern mit der Homosexualität ihres Sohnes umgingen: «Jesus he hates homos, son / We told you that when you were young».

«Ich fühlte mich jahrelang als minderwertiger Mensch», erzählt Grant im Gespräch mit Stimmen-Festivalleiter Markus Muffler. Eine gute halbe Stunde dauert der Medientermin im Burghof Lörrach, im Zentrum steht das Thema Homosexualität. Und HIV. Grant trägt das Virus in sich und geht damit sehr offen um. Er erinnert sich noch gut daran, wie tabuisiert dieses Thema noch in den 1980ern war.

«Wenn du mit deinem Freund auf der Strasse Händchen hältst, musst du bereit sein, dich zu kloppen.»

John Grant

Grant wechselt kurz ins Englische und erzählt, wie schwierig es früher für HIV-Betroffene in den USA war, an Medikamente zu kommen. Wenn es nach dem damaligen Präsidenten Ronald Reagan gegangen wäre, erklärt Grant, dann hätte man einfach nichts unternommen, so dass Aids die verhassten Schwulen ausgerottet hätte. Dieselbe Haltung sieht er heute bei Wladimir Putin, den er beim Auftritt beim Open Air Basel vor einem Jahr als «Verbrecher» und «Arschloch» titulierte.

In der westlichen Welt sei die Akzeptanz von Homosexuellen heute recht weit vorangeschritten, findet Grant, schränkt aber ein: «Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Intoleranz wieder zunimmt. Vielleicht ist das eine Reaktion darauf, dass Schwule heute offener auftreten. Wenn du mit deinem Freund auf der Strasse Händchen hältst, musst du bereit sein, dich zu kloppen.»

Wahlheimat Island

Trotz seiner klaren Worte sieht sich der Sänger nicht als politischen Aktivisten. Seine Offenheit hat einen anderen Grund: «Jeder der sieben Milliarden Menschen auf dieser Welt hat eine eigene Geschichte, die interessant ist. Über meine eigene rede ich so offen, weil mich das interessiert: mein Leben, meine Erfahrungen.»

Zu Grants neusten Erfahrungen gehört das Leben in Island. Für die Aufnahmen seines letztes Jahr veröffentlichten Zweitwerks «Pale Green Ghosts» zog er auf die Insel im Atlantik, wo er seine Songs mit einheimischen Produzenten und Sinead O’Connor als Background-Sängerin in 80er-inspirierte Synthiesounds kleidete.

Nach den Aufnahmen blieb er gleich dort. Die Insel fasziniere ihn, seit er Björks frühere Band The Sugarcubes entdeckt hatte, erzählt Grant. Zudem bot der Umzug die Gelegenheit, nach Deutsch, Russisch und Spanisch eine weitere Fremdsprache zu lernen. Und zwar eine schwierige: «Im Isländischen hat jedes Adjektiv 150 Formen», erklärt Grant und man merkt ihm an, dass ihm diese grammatikalische Vielfalt Freude macht.

«Arschlöcher gibts überall und das ist auch gut so – wie sollte man sonst die Guten erkennen?»

John Grant

Auch im Zusammenhang mit Island hat er etwas zum Thema Homosexualität zu sagen: «Ich lebe zum ersten Mal in einem Land, wo es die Leute überhaupt nicht interessiert, ob du schwul bist. Die Heteros haben noch nicht mal Angst, mit einem Schwulen zusammen zu duschen.» Grant hält kurz inne und schiebt dann grinsend nach: «Arschlöcher gibts allerdings überall und das ist auch gut so – wie sollte man sonst die Guten erkennen?»

John Grant verfügt über Humor, der auch in seinen Songs aufscheint. «Queen Of Denmark» eröffnet er mit dieser Zeile: «I wanted to change the world but i could not even change my underwear.» Doch das sind nur Spitzen in Texten, die oft dunkle Gefühle und manchmal regelrechten Selbstekel ausdrücken. Im Stück «GMF» erzählt er davon, dass er lieber rede als zuhöre und dass er lernen sollte, sich selbst zu lieben. Im Refrain singt er dann: «I am the greatest motherfucker that you’re ever gonna meet» – und das in einem Tonfall, dass man ohne Englischkenntnisse denken könnte, der Mann singe von Schmetterlingen auf einer Frühlingswiese.

Wohlklingende Qual

Ist es nicht schwierig, solch sinistere Selbstbespiegelungen auf Tour Abend für Abend singen zu müssen? «Eigentlich empfinde ich es eher als befriedend», findet Grant. Er habe sich jahrelang als schlechten Menschen gesehen, heute aber kenne er sich. «Ich staune selber, dass mich diese Songs nicht runterziehen. Ich glaube, weil diese Lieder die Wahrheit über mich selbst beinhalten, entwickeln sie eine positive Wirkung.»

Grant hält kurz inne und sagt dann, es gebe schon Tage, an denen ihn seine Songs mit Gefühlen konfrontieren, die er lieber vergessen möchte. Aber, fährt er fort, und sein Lächeln verrät, dass nun wieder eine schwarzhumorige Pointe ansteht: «Es ist nicht schlimm, sich beschissen zu fühlen. Das sind schliesslich auch Gefühle.»

Im Gegensatz zu anderen Musikern, die ihr Publikum in ihre eigenen Abgründe zerren, kleidet Grant den Schmerz in Wohlklang, der alle Qual in Schönheit verwandelt. Dafür lieben ihn seine Fans. Und Jesus wohl auch.

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John Grant spielt Donnerstag, 17. Juli um 20 Uhr im Rosenfelspark Lörrach. Im Vorprogramm tritt Joe Bel auf.

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