Autorin Irena Brežná erzählt in ihrem neuen Buch von der Emigration. Schonungslos ist der Blick der Frau, die jung in die Schweiz einreist, auf die neue Heimat. Grandios ist der Roman, der ihre Geschichte erzählt.
Eine junge Frau kommt aus einer Diktatur «in ein reiches Land», steht im Klappentext von Irena Brežnás neuem Roman zu lesen. Das reiche Land, die Schweiz, das wird nach wenigen Seiten klar. Ein Land, in dem Wörter wie «konsequent» hohes Ansehen geniessen. In dem man die Worte, mit denen man das höchste aller Gefühle ausdrückt – «i ha di gärn» – auch fürs Müesli benutzt.
Irena Brežná hat für «Die undankbare Fremde» autobiografische Züge mit einer fiktiven Geschichte vermengt. Brežná selbst kam vor rund 40 Jahren aus der damaligen Tschechoslowakei in die Schweiz. Das Ursprungsland der Protagonistin in ihrem Roman bleibt unbekannt. Die kulturellen Unterschiede zwischen den beiden Ländern aber sind gross, lassen die junge Frau mit bitteren Gedanken umherstreifen.
Brežná erzählt ihre Geschichte aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln, auf zwei zeitlichen Ebenen. Da ist einerseits die junge Frau kurz nach ihrer Ankunft, mit ihrer Wut im Bauch, andererseits die zur Dolmetscherin ausgebildete Frau, die auf eine längere Erfahrung zurückblickt und etwas milder gestimmt ist.
Unberechenbar vs. verklemmt
Grundsätzlich aber ist die Zugezogene in den Augen der Einheimischen unberechenbar. Die Einheimischen wiederum sind aus ihrer Sicht verklemmt und überkontrolliert – Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Dolmetscherin übersetzt unzählige Geschichten von Immigranten, die mit dem hiesigen System nicht zurecht kommen. Die Mühe haben, ihre alte Kultur abzulegen, weil sie doch in ihr verwurzelt sind. Die Dolmetscherin hat wenig Mühe, sie nachzuvollziehen – sie kennt die Probleme aus eigener Erfahrung. Manchmal unternimmt sie den Versuch, die gefühlt gefühlskalte Kommunikationskultur der neuen Heimat mit kleinen, absichtlichen Übersetzungsfehlern für die Immigranten aufzuwärmen.
Brežná, die in Basel wohnt, hält uns Schweizern den Spiegel vor, lässt uns unser Land sehen durch die Augen einer Auswärtigen, die nicht hier sein will. Die Hauptfigur erfährt die Schweiz als Land von lauter formellen Individualisten, die nicht mal ihren Kindern eine Streicheleinheit gönnen, um niemandem zu nahezutreten. Oft ist ihr Blick entlarvend, oft aber fühlt sich die Leserin ertappt und denkt, jetzt übertreibst Dus aber.
Nach typischer Schweizer Art bleibt man deshalb auf Distanz, würde die junge Frau wohl sagen. Doch man ist nicht eingeschnappt und liest trotzdem weiter – denn dieser Roman ist einfach grandios geschrieben.
- Irena Brežná liest am 28. März im Literaturhaus Basel aus ihrem neuen Roman, um 19 Uhr. Moderation: Peer Teuwsen.