Ein versunkener Schatz fürs Antikenmuseum

Ein Zufall führte 1900 vor der griechischen Insel Antikythera zu einem spektakulären Fund: Kostbare Bronze- und Marmorstatuen und sogar ein antiker Computer! Ende September sind diese versunkenen Schätze erstmals ausserhalb Griechenlands zu bestaunen, und zwar im Antikenmuseum Basel. Wir durften vorab schon einmal einen Blick auf die Ausstellungsstücke werfen.

Versunkene Schätze: Das Antikenmuseum Basel holt zum ersten Mal eine Ausstellung von Athen in die Schweiz, welche die geborgenen Kunstwerke eines verunglückten römischen Handelsschiffs zeigen.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Ein Zufall führte 1900 vor der griechischen Insel Antikythera zu einem spektakulären Fund: Kostbare Bronze- und Marmorstatuen und sogar ein antiker Computer! Ende September sind diese versunkenen Schätze erstmals ausserhalb Griechenlands zu bestaunen, und zwar im Antikenmuseum Basel. Wir durften schon einmal vorab einen Blick auf die Ausstellungsstücke werfen.

Durch Zufall entdeckten Schwammtaucher um 1900 vor der griechischen Insel Antikythera das Wrack eines antiken römischen Handelsschiffes. Am Meeresboden verstreut lag die Fracht des Bootes: Marmor- und Bronzestatuen, Münzen und ein mysteriöses, zahnradbetriebenes Instrument. Über Jahrzehnte wurden immer wieder Schätze aus dem untergegangenen Schiff geborgen. Seit ihrer Entdeckung wurden diese ausschliesslich im Archäologischen Nationalmuseum in Athen ausgestellt. Bis jetzt.

Die versunkenen Kunstgegenstände traten Anfang September ihre lange Reise von Griechenland in die Schweiz an. Zum ersten Mal werden sie ausserhalb von Athen gezeigt, und zwar im Antikenmuseum Basel. Ab dem 27. September können sich Interessierte die Austellung ansehen, doch im Museum werden die Kunstwerke aus Athen bereits ausgepackt und begutachtet.



Versunkene Schätze: Das Antikenmuseum Basel holt zum ersten Mal eine Ausstellung von Athen in die Schweiz, welche die geborgenen Kunstwerke eines verunglückten römischen Handelsschiffs zeigen.

Versunkene Schätze: Das Antikenmuseum Basel holt zum ersten Mal eine Ausstellung von Athen in die Schweiz, welche die geborgenen Kunstwerke eines verunglückten römischen Handelsschiffs zeigen. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Zombies aus der Tiefsee

Das Alter des Schiffs lässt sich anhand der Münzenfunde auf das erste Jahrhundert vor Christus datieren, die Zeit nach der Eroberung Griechenlands durch die Römer. Zu dieser Zeit pflegten die Griechen mit dem Römischen Reich einen regen Handel mit Kunstexporten. Nachdem römische Heimkehrer erste Raubgüter mit nach Hause brachten, galt es bald darauf bei reichen Römern als «en vogue», sich seine eigene Statue aus Griechenland zu bestellen.

Ein teurer Spass. Und, was aus heutiger Sicht etwas seltsam anmuten mag, die Marmorstatuen waren alle mit Farbe bemalt: «Da bestellt man sich von mehreren Hundert Kilometern entfernt eine Statue aus kostbarem Marmor und lässt diese auch noch mit Farbe bepinseln!», berichtet Laurent Gorgerat, Mitarbeiter des Antikenmuseums. «Heute würden wir den Kopf schütteln, aber damals war es das Ziel, die Figuren so lebensecht wie möglich ausschauen zu lassen.»

Von der Farbe ist nach all den Jahrhunderten nichts mehr zu sehen; die organischen Bindemittel haben sich im Meerwasser ziemlich schnell zersetzt. Faszinierend sind die Fundstücke trotzdem. Jene Partien der Statuen, welche vor der Bergung von Sand begraben waren, blieben so vor der Korrosion geschützt, und der Marmor glänzt wie eh und je. Die Teile, welche dem Wasser ausgesetzt waren, zerfielen, was den Figuren ein groteskes, unheimliches Äusseres verleiht.

Antiker Computer

Wie die Statuen auf das Schiff gekommen sind, ist also klar. Was aber hat es mit dem geheimnisvollen Apparat auf sich, der ebenfalls geborgen wurde?

Der «Mechanismus von Antikythera», wie er genannt wird, versetzt Forscher heute noch in Staunen. Zu Beginn noch wenig beachtet, wurden in den 20er-Jahren auf der Kupferscheibe eingravierte Zeichen bemerkt. Mittlerweile ist man sich einig, dass es sich um eine Art antiken Computer handelt.

Der raffinierte Zahnradmechanismus diente der Vorhersage von Sonnen- und Mondfinsternissen, der Berechnung der Planetenbewegungen sowie der Bestimmung des Datums der jeweils nächsten Olympischen Spiele. «Dies verblüfft besonders, da man gemeinhin annahm, dass diese Art von feintechnischem Geschick bisher erst in der Renaissance aufkam», führt Gorgerat aus. 

Schon Cicero erwähnte in seinen Texten einen Feldherren, der möglicherweise einen solchen Mechanismus besessen haben soll, mit welchem er Mond- und Sonnenfinsternisse voraussehen konnte. Dadurch versprach er sich einen militärischen Vorteil: Während seine eigenen Truppen über das Naturschauspiel informiert waren, erschraken möglicherweise seine Gegner ob der Verdunkelung der Sonne. Diese Verunsicherung nutzten er und seine Soldaten aus.

Das Original bleibt zu Hause

Was das Instrument auf dem römischen Boot zu suchen hatte, ist eine andere Frage. Denn als Kunstexport war es sicherlich nicht gedacht. «Wahrscheinlich gehörte es einer Privatperson, welche mit dem Frachter, der nach Rom unterwegs war, mitreiste», erklärt Gorgerat, «Die Personenschifffahrt war damals ja noch nicht erfunden.»

Im Antikenmuseum werden eine Kopie und mehrere Modelle des Mechanismus‘ ausgestellt werden, die dessen Funktionsweise interpretieren. Das Original bleibt in Athen; es gehört zum Nationalheiligtum Griechenlands und darf das Land nicht verlassen. Der Faszination für dieses aussergewöhnliche und einzigartige Stück tut dies allerdings keinen Abbruch.

Wer sich die Wartezeit bis zum Beginn der Ausstellung verkürzen möchte, kann mit etwas Geschick und Geduld zu seinem ganz persönlichen Sonnen- und Mondfinsterniskalender kommen. Das Instrument gibt es nämlich auch zum Selberbauen, Lego sei Dank:

Die Forschungen um das Schiffswrack vor Antikythera sind auch über 100 Jahre nach dessen Entdeckung noch nicht abgeschlossen. Momentan laufen wieder Bergungsarbeiten am Meeresgrund vor der Insel.

_

«Der Versunkene Schatz», Antikenmuseum Basel, Ausstellungsdauer: 27. September 2015 bis 27. März 2016

Nächster Artikel