Ein verzauberndes Bouquet zum Schluss

Der Brite Christopher Orr und der Franzose Laurent Grasso bringen Wunder, Mystik und Katastrophen ins Kunsthaus Baselland. Klingt nervenaufreibend, ist aber spannend. Und grossartig inszeniert von Sabine Schaschls Team, das sich so eindrücklich verabschiedet.

Les Oiseaux, Laurent Grasso. (Bild: © Sean Kelly Gallery/Laurent Grasso)

Der Brite Christopher Orr und der Franzose Laurent Grasso bringen Wunder, Mystik und Katastrophen ins Kunsthaus Baselland. Klingt nervenaufreibend, ist aber spannend. Und grossartig inszeniert von Sabine Schaschls Team, das sich so eindrücklich verabschiedet.

Zum Abschluss richtet Sabine Schaschl noch einmal mit der richtig grossen Kelle an. Die scheidende Direktorin des Kunsthaus Baselland will offenbar einen Eindruck hinterlassen, könnte man denken – doch ist diese Intention weder nötig noch beabsichtigt, wie sie uns versichert. Positiv in Erinnerung behalten wird man sie, die das Kunsthaus Baselland auf der regionalen, nationalen wie internationalen Karte überhaupt erst sichtbar gemacht hat, auch ohne grosses Abschlussbouquet.

Christopher Orr: «Light Shining Darkly»
Laurent Grasso: «Disasters and Miracles»
Kunsthaus Baselland, Muttenz. Bis 30. Juni. www.kunsthausbaselland.ch

Dass sie also just in ihrer letzten Ausstellung die 600 Quadratmeter grossen Untergeschossräume mit diversen Stellwänden komplett verändert hat, ist Zufall, wie sie sagt. Und dem Künstler, dessen Werke sie hier zeigt, geschuldet: Laurent Grasso. Die an die Wand gemalten Worte «Disasters and Miracles» führen uns die Treppe hinab; «Katastrophen und Wunder», um diese zwei Pole drehen sich all die Arbeiten, die der Franzose hier versammelt hat, nicht wenige eigens für diese Ausstellung geschaffen.

Von der Staubwolke verschluckt

Grasso interessiert sich für historische Ereignisse, aber ebenso für Aberglauben, für Mythologien oder menschliche Urängste. In seinem Film «Projection» wälzt sich eine Staubwolke durch die Strassenzüge von Paris. Sie verschluckt alles, was auf ihrem Weg liegt. Das Motiv wiederholt sich in einem kleinen Ölgemälde, das der Künstler von Restauratoren des Louvre malen liess. Die Strassenzüge unserer Gegenwart hat der Maler fürs Gemälde ins Mittelalter versetzt – Grasso manipuliert dergestalt die Wahrnehmung des Betrachters, indem er ihm einen vermeintlichen historischen Beleg für seinen Film vorgaukelt.

Das kleine Bild ist Teil einer Serie, die Grasso «Studies into the Past» genannt hat. Mehrere der kleinformatigen, in historizierendem Stil gemalten Bilder hängen an den schwarzgetünchten Wänden, die das gesamte Untergeschoss in eine Art mystisches Labyrinth verwandeln. Als Motive hat sich Grasso historische Ereignisse ausgewählt. Das Basler Erdbeben von 1356 zum Beispiel, jene Naturkatastrophe, die zwar nicht jedes Haus, aber merkwürdigerweise jede Kirchenglocke in der Region zerstörte. Genau solch unerklärliche Geschehnisse sind es, die Grassos Interesse wecken.

So kommt es nicht von ungefähr, dass er den historischen Fakten eine Serie von sogenannten Wundern entgegensetzt. Und es sogar schafft, einem gänzlich natürlichen Phänomen einen mystischen Anstrich zu verpassen: In seinem Film «Les oiseaux» sieht man nichts anderes als Vogelschwärme, die über der Kuppel des Petersdomes die unterschiedlichsten Formationen fliegen. Und doch sehen diese lebendigen Wolken so aus, als schwebten sie wie eine Bedrohung über dem Vatikan. Und das, obwohl wir wissen: es ist nichts als Einbildung.

Unerklärliche zeitliche Brüche

Mit unserer Einbildung spielt auch Christopher Orr. Der Brite bespielt mit seinen Werken die Räume des Erdgeschosses, und seine kleinformatigen Gemälde passen ausgezeichnet als Einstieg in die dunkle Welt des Laurent Grasso. Denn auch Orrs Werke haben eine mystische Ebene, die sich vor allem aus der Unerklärlichkeit von zeitlichen Brüchen ergibt. So sind seine Motive in keiner spezifischen Epoche verortbar, die Figuren können ihrer Kleidung zufolge der Gegenwart entstammen, ihre Tätigkeit sie aber in die Vergangenheit transportieren – Tätigkeiten, die manchmal an alchemistisches Tun erinnern.

Das Mystische ebenso wie das vermeintlich Unvereinbare evoziert Orr bereits mit dem Ausstellungstitel: «Light Shining Darkly» heisst die Schau, doch wie kann Licht dunkel scheinen, fragen wir uns? Beim Betrachten seiner Bilder jedoch glauben wir zu verstehen, was der Künstler meint. Das Licht ist eine wichtige Komponente in seinen Gemälden, doch strahlt es nie, sondern ist im Gegenteil verantwortlich für eine durchgängige Düsterheit, die wir von einigen Altmeistern zu kennen glauben. Orr greift auch in seinen Motiven gerne auf historische Vorbilder zurück, auf Jan Vermeer oder Hieronymus Bosch, auf Jan van Eyck oder Caravaggio. Diese Zitate schaffen ebenfalls wieder eine Verbindung zum hier gezeigten Werk von Laurent Grasso.

Sabine Schaschl ist in der Kombination dieser zwei Künstler eine sehr stimmige Ausstellung gelungen. Eine ihrer besten, darf man getrost sagen. Eine, die ihrem noch nicht bestimmten Nachfolger zeigt, was in diesen Räumen alles möglich ist. Und gleichzeitig die Latte sehr hoch ansetzt.

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