Nneka ist einer der wenigen afrikanischen Popstars von globaler Ausstrahlung. In ihren Liedern singt sie gegen Korruption und Unterdrückung, und abseits der Bühne engagiert sich die Sängerin mit ihrer eigenen Non-Profit-Organisation für Kinder- und Frauenrechte.
Es begann mit diesem Video. Eine Sängerin steht neben einem Schlagzeuger auf einer Kreuzung irgendwo in Afrika. Das Lied hebt an als eine Art Reggae, im Refrain startet der Drummer ein Stakkato gebrochener Beats und die Sängerin wiederholt in Pidgin-English die Silben: «Ca-han-han you fee-heel-heel my Ha-Ha-Ha-Ha Heart is beating».
«Heartbeat» war nicht Nnekas erste Veröffentlichung. Aber jene, die ihr alle Tore öffnete, denn sie brachte Musikerkollegen auf den Geschmack. Lenny Kravitz, The Roots und der Rapper Nas nahmen die Neuentdeckung mit auf Tourneen, die sie durch ganz Europa und halb Amerika führten. Und die stets für einen Hype zu habende englische Musikpresse rief nigerianische Sängerin umgehend zur neuen Lauryn Hill aus.
Ein Popstar von globaler Reputation
Doch Nneka Egbuna ist mit ihrer Mischung aus Soul, Reggae, Hip-Hop und Afrobeat eine einzigartige Erscheinung im Musikbusiness. Geboren und aufgewachsen ist sie als Tochter eines Nigerianers und einer Deutschen in Warri, einer Stadt im Nigerdelta. Als Teenager kam sie nach Deutschland, wo sie zunächst in einem Kinderheim lebte. Später startete sie in Deutschland ihre musikalische Karriere, mittlerweile lebt sie aber wieder in ihrem Heimatland und ist ein Popstar von globaler Reputation.
Daheim dauerte es eine Weile, bis sie als Musikerin wahrgenommen wurde, mittlerweile laufen ihre Songs aber im nigerianischen Radio. «Und ich war in der Jury von ‹Nigerian Idol›, das hat Spass gemacht», erzählt sie im Telefoninterview.
In der Traditon von Ken Saro-Wiwa
Nneka in einer Casting-Show, das erstaunt, denn sie steht mehr für Engagement als für Bling-Bling. In ihren Songtexten spricht sie politische Themen an, erzählt von Korruption und Umweltverschmutzung im Nigerdelta. Im Titelstück ihres letzten Albums «Soul Is Heavy» stellt sie sich explizit in die Tradition der nigerianischen Bürgerrechtler Isaac Boro und Ken Saro-Wiwa.
Auch abseits der Musik engagiert sich die 33-Jährige für Freiheit und Selbstbestimmung. Zusammen mit dem liberianischen Musiker Ahmed Nyei betreibt sie die Non-Profit-Organisation Rope, die Jugendlichen und Frauen ermöglichen will, mit künstlerischen Mitteln einen Ausdruck für ihre Gefühle zu finden.
«Wir Nigerianer haben nie gelernt, dass es einen Unterschied gibt zwischen Respekt und Angst.»
Unlängst hat Nneka einen Workshop in Sierra Leone geleitet für Frauen, die im Krieg Opfer von Massenvergewaltigungen geworden waren. «Wir arbeiteten mit Mode. Viele dieser Frauen sind Schneiderinnen, also haben sie Kleider gestaltet, mit denen sie ihre Erlebnisse verarbeiteten. Die Farben symbolisierten Dinge, diw sie erlebt haben, so wie auch die Muster und die Sujets, die sie auf die Kleider druckten.»
Die Furcht vor den Oberen
Die Begegnung mit diesen Frauen hinterliess einen tiefen Eindruck: «Ich mache diese Arbeit gern, denn es ist ja meine Stiftung, aber ich bin doch froh, nicht jeden Tag mit diesen Themen konfrontiert zu werden. Ich habe meine eigenen Geschichten, mit denen ich mich auseinandersetzen muss. Aber ich bin auch Teil einer Bewegung, die für mehr Freiheit und Rechte – gerade für Frauen – kämpft.»
Politisches Engagement ist in einem Land wie Nigeria heikel. Wer aufmuckt, muss mit Repressionen rechnen. Deshalb zögen es viele vor zu schweigen, erzählt Nneka. «Wir haben nie gelernt, dass es einen Unterschied gibt zwischen Respekt und Angst. Da drückt auch noch das koloniale Erbe durch, denn unter den Weissen hatten die Nigerianer nichts zu melden. Nun regieren wir uns selber, aber wir fürchten die Oberen noch immer.»
Die Frau als Milchkuh
In einem solchen Klima ist es speziell für Frauen schwierig, ihre Rechte einzufordern. «Noch immer schauen viele auf Frauen herunter. Manche betrachten uns als Milchkühe, die den Haushalt machen und die Klappe halten sollen.» In den letzten 20 Jahren habe sich die Situation zwar verbessert, findet Nneka. «Es gibt Frauen in der Politik und bei Demonstrationen gehen auch Frauen auf die Strasse, aber wir sind noch nicht so weit wie in Europa.»
«Musik ist das, was Gott für mich vorgesehen hat.»
Europa brachte Nneka dahin, wo sie heute ist. «Ich wurde nicht mit einem silbernen Löffel im Mund geboren», betont die Musikerin, ohne auf Details einzugehen. Sie betont aber, in Nigeria wäre es ihr nie möglich gewesen, sich selber so zu entdecken, wie sie es in Deutschland konnte. «Ich begann erst in Deutschland, Musik zu machen und meine Stimme zu finden.»
Mittlerweile hat sie mit dieser Stimme drei Alben eingesungen, das letzte, «Soul Is Heavy», erschien vor drei Jahren. Es wäre also Zeit für neues Material. «Wie meinst du das?», fragt sie am Telefon.
Es gibt Wichtigeres als Businesspläne
Nun ja, bei Konzerten möchte man halt nicht unbedingt immer die gleichen altbekannten Songs hören. Sie lacht: «Keine Bange, es wird ein paar neue Nummern geben und wir spielen auch ältere Sachen, die wir bisher nicht live gebracht haben.» Ein neues Album wäre eigentlich bereits eingespielt, sagt die Sängerin. «Wenn es nur nach mir ginge, wäre die Platte längst raus, aber ich arbeite nun mal mit einer grossen Firma zusammen.»
Beklagen will sie sich aber nicht, denn in Nnekas Welt gibt es wichtigeres als Businesspläne. Sie spricht offen über ihren Glauben und ist überzeugt: «Musik ist das, was Gott für mich vorgesehen hat.» Nicht, dass sie frömmeln würde, aber sie glaubt «an den spirituellen Aspekt, innerhalb dem, was wir tun.»
Teil der Veränderung sein
Was das bedeutet? «Du musst verstehen, warum die Dinge sind, wie sie sind und eine Beziehung zu den Dingen um dich herum herstellen. Wenn ich von Freiheit und Veränderungen rede, dann muss ich Teil davon sein. Das fängt bei dir selber an: Was isst du? Wie wohnst und lebst du? Wie behandelst du die Leute um dich herum? Woran glaubst du? Es gab eine Zeit, da fühlte ich mich manchmal als Heuchlerin: Ich stand auf der Bühne und erzählte den Leuten etwas, aber selber habe ich nicht danach gelebt.»
Heute aber scheint Nneka mit sich im Reinen zu sein. Sie lebt, was sie predigt – und das macht sie als Sängerin ungemein überzeugend.
Nneka spielt am Sonntag, 27. Juni auf dem Marktplatz in Lörrach. Im Vorprogramm tritt Amp Fiddler und Band auf.