Der Basler Musikhändler Klemens Trenkle träumt von einem Museum für Synthesizer. Einige Hundert Sammlerstücke hortet er in seinem Kleinbasler Lager. Wegen Zahlungsrückständen droht ihm aber jetzt die Räumung und Entsorgung. Für Freunde der Musikgeschichte wäre es eine verpasste Chance.
Die Zeit drängt. Am 30. Juni muss der Basler Musikhändler Klemens Trenkle seine Synthesizer, Orgeln und Keyboards zügeln. Er braucht dringend Platz für die rund Tausend Musikinstrumente, die er seit zehn Jahren in einem Kleinbasler Gebäude lagert. Den Handel hat Trenkle nach einem Burn-out mehr oder weniger eingestellt, in den letzten Monaten keine Miete mehr zahlen können. Er ist arg im Zahlungsrückstand. Mehr als 35’000 Franken seien es, gibt er zu.
Die Liegenschaftsverwaltung gewährte ihm eine letzte Gnadenfrist vor der Räumung. Vor der Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten erklärte er sich einverstanden, auf Ende Juni auszuziehen. Hoffte, bis dahin eine räumliche Lösung für sein Lager zu finden. Einen neuen Ort. Jetzt fürchtet er, dass sein Instrumentenlager entsorgt werden könnte. Und weibelt auf Online-Kanälen für seine Idee, seinen Wunsch, aus seiner Sammlung ein Museum zu machen. Ein Museum für Synthesizer.
Hilfeschrei im Internet
«Bundesrat Berset und Isabelle Chassot, Direktorin des BAK Schweiz: Rettet das SMEM Schweizerische Museum für elektronische Musikinstrumente», lautet der Hilfeschrei, den man im Rahmen einer Online-Petition mitunterzeichnen kann.
Das Museum ist eigentlich noch gar keines. Wer Trenkles Lager besucht, zwängt sich durch ein Dickicht von Occasionsinstrumenten. Messi-gleich dribbelt man an Pauken und Trompeten vorbei, um in den Dachstock zu gelangen. Messie-gleich scheint der Mieter veranlagt zu sein. Zumindest sind Ansätze erkennbar, ist doch alles bis unters Dach vollgestopft mit alten und mitunter auch uralten Instrumenten.
Ein Sammelsurium, das Trenkle hier nahe der Messe Basel hortet – eine Weiterführung seines Geschäfts Music X-Dream, welches man jahrelang an der Margarethenstrasse im Gundeli vorfand.
Ein Herz für Synthies
Seit knapp 35 Jahren handelt Trenkle (51) mit Musikinstrumenten, angefangen hat er als Mitarbeiter bei SM Elektronik, an der Basler Nauenstrasse (dort, wo man heute das House of Sound findet). Er verkaufte elektronische Instrumente, erlebte den Wandel von der analogen zur digitalen Musik – auf einmal brachten Keyboarder «alte» Ware zurück. Trenkle beobachtete, dass viele andere Schweizer Musikgeschäfte solche Occasionsinstrumente vom Markt nahmen (mitunter auch mal mittels Entsorgung), damit die Neuheiten an Männer (und damals seltener Frauen) gebracht werden konnten. Er selber aber hing an den Instrumenten, auch an den obskuren, für die sich niemand (mehr) interessierte.
Er zeigt auf einen Vocoder von Korg, den er vor Jahrzehnten seinem Chef abkaufte, nachdem sich niemand mehr dafür interessiert hatte (und den die Band Air in den 1990ern wieder reaktivierte). Und er kramt eine Rarität hervor: eine Steiner-Trompete, ein «Electronic Valve Instrument», von dem nur wenige Hundert Stück hergestellt worden seien.
Später, erzählt Trenkle, habe die japanische Firma Akai diesen elektronischen Woodwindinstrumenten zum Durchbruch verhelfen wollen. Auch ein solches zieht er aus einer Ecke hervor.
Keine Frage: Der Mann hat in diesem Dschungel den Durchblick – auch wenn man als Besucher keine Ordnung, keine logische Kategorisierung der Gerätschaften ausmachen kann. Alles zugestellt, auf Regalen, auf Ständern, an Wänden.
Hoher Sammlerwert
Welchen Wert hat die Sammlung? Schwer zu sagen. Trenkle schätzt den Wert aller Instrumente, die auf den 500 Quadratmetern und auf mehreren Schichten gelagert sind, auf drei Millionen Franken. Warum verkauft er da nicht einfach eine Hand voll Synthies, macht ein bisschen was flüssig, um die Mietschulden zu begleichen?
Trenkle ringt um Worte, man merkt ihm eine Überforderung an. Er mag sich nicht trennen von seinen Stücken, sagt er. «Ich habe diese Sammlung doch nicht aufgebaut, um sie jetzt wieder auseinanderzureissen. Sie ist in dieser Grösse einzigartig in der Schweiz und gehört in ein Museum – ein bestehendes oder ein neues.»
Das Synthie-Museum in Luterbach
Tatsächlich sucht die Sammlung ihresgleichen. Aber ein privates Synthesizer-Museum gibt es bereits, das Synthorama in Luterbach, Kanton Solothurn, entgegnen wir. Trenkle weiss davon, kennt den Besitzer Martin Hollinger. «Wir haben uns auch schon ausgetauscht. Seine Sammlung ist toll, aber nicht so umfassend wie diese hier», sagt er.
Zudem sei das Privatmuseum im kleinen Luterbach angesiedelt, in seinen Augen am falschen Ort. «Eine grosse Musiksammlung gehört doch in eine Stadt – und Basel als Musikstadt verkennt eine Chance, wenn es sich nur auf mittelalterliche Instrumente konzentriert», sagt Trenkle. Er spielt auf die Sammlung im Museum für Musik an, «die nur bis ins 20. Jahrhundert reicht, also dort aufhört, wo die Elektrifizierung unserer Gesellschaft angefangen hat».
Einzelne Stücke verkaufen? «Ich bewahre das doch für die Nachwelt auf», sagt Klemens Trenkle.
Natürlich, räumt Trenkle ein, gebe es mit «Pop Basel» derzeit gerade eine Sonderausstellung, die auch die jüngere Musikgeschichte behandle. «Man findet dort auch einige Leihgaben von mir.» Er hat Kurator Martin Kirnbauer und Marie-Paule Jungblut, die Direktorin des Historischen Museums, schon zu sich eingeladen. «Aber leider scheinen ihnen die Hände gebunden», sagt er.
Warum? «Weil uns dafür das Geld wie auch der Platz fehlt», sagt Jungblut auf Nachfrage. «Wir sind mit unseren Depots sehr stark ausgelastet.» Und so eindrücklich diese Sammlung auch sei: Mit einem Lagerraum wäre aus musealer Sicht noch nichts erreicht. Man müsste die Geräte und ihre Geschichte erfassen, sie mitunter restaurieren und inszenieren, betont Jungblut. Dass die Synthesizer mit ihren schrägen Sounds faszinieren, das sieht auch die Museumsdirektorin. «Es bräuchte jemanden, der die Sammlung auf lange Zeit sichert.» Das wäre auch Trenkles Traum. Er stellt sich eine Art Schaulager vor.
Ein grosser Sammler, ein kleiner Messie
Wie aber kam es zu seiner Notsituation? Trenkle schaut auf, seine Augen weg. Es ist ihm unangenehm, darüber zu reden, hat mit persönlicher Überforderung zu tun, mit finanziellen Forderungen, mit einem Geschäft, das ihm über den Kopf wuchs.
Vor drei, vier Jahren leitete er deshalb eine berufliche Neuorientierung ein: zum Schauspieler und zum Statisten. Er bleibt ein Idealist, nimmt auch mal Gratis-Aufträge an, weil er an ein Projekt glaubt (etwa das wunderbar schräge Web-Format «Bild mit Ton» der Slampoetin Lara Stoll) – und verdient in einem Monat mal mehr, im andern mal weniger. Hält sich über Wasser, irgendwie. Und merkt jetzt, dass ihm dieses bis zum Hals steht. Ihm und seiner Sammlung.
Daher, nochmals die Frage: Einzelne Stücke verkaufen? «Ich bewahre diese doch für die Nachwelt auf», sagt Trenkle, durchaus pathetisch. Er kann auch dickköpfig, ja, trotzig auftreten («Ich zahle ja schon Miete, aber einfach mit Verzug – diese Sammlung ist doch wichtiger als eine offene Rechnung!»). Wo er aber recht hat: Seine Sammlung ist in ihrer umfassenden Grösse tatsächlich wertvoll, entdeckt man doch Schätze, Raritäten. Vom Vorläufer der Melodica, einem Harmonicor (circa 1870), bis zu einem Jupiter 6 Keyboard von Roland, auf dem Komponist Jonas Haefeli 1978 den Soundtrack zum erfolgreichsten Schweizer Film, «Die Schweizermacher», eingespielt hat.
Solche einzelnen Stücke zu verkaufen bringt Trenkle nicht übers Herz. Überhaupt mag er kaum noch was loswerden. Sein Geschäft, «Music X-Dream» im Kleinbasel, öffnet er nur noch auf «Appointment», wie er erzählt. Das steht so auch auf der Website seines Ladens. Online ist auch ein Sortiment versprochen, das zum Verkauf stehe – tatsächlich aber ist keines seiner über 1000 Instrumente zum Verkauf aufgelistet.
Zwischenlösung statt Mulden?
Jetzt ist es also fünf vor zwölf. Trenkle hat Stiftungen angeschrieben, macht via Facebook auf die Notsituation aufmerksam. Und hofft auch auf die Unterstützung aus der Politik, so etwa des Basler Grossrats Oswald Inglin, der auf TeleBasel die Absicht vertrat, dass man einen Lagerraum in einer staatlichen Liegenschaft finden müsse. Um dann in aller Ruhe zu prüfen, was man mit der Sammlung machen könnte.
Trenkle notiert sich derzeit Angebote von Musikern und Sympathisanten, die in ihren Kellerräumen Platz für einige Instrumente schaffen würden. Allerdings sollten die Räume trocken sein (Elektronik kann rosten) – und natürlich ist eine Verteilung auf mehrere Orte suboptimal.
Es läuft wohl auf eine Zwischenlösung hinaus, kaum denkbar, dass die alten Synthesizer in Mulden geworfen werden. Oder?