An den Schnittstellen von Boxen, Kunst und Muscle Cars führt Linda Briem ein multiples Doppelleben mit ganz eigenen Figuren.
Einem Donnergrollen gleich rollt Linda Briem in ihrem V8-bestückten Wagen an, schwingt beim Aussteigen ihre roten Locken in der Sonne und federt auf weissen Sneakers heran – ignorieren ist keine Option. Aber man darf ja gucken, ist verabredet und gafft nicht einfach wie die anderen Rheinflanierer.
«Manche Männer sind schon irritiert, mich am Steuer zu sehen», lacht Briem. Schliesslich ist ihr Chevrolet Camaro bekannt als Muscle Car für Machos – «die amerikanische Version des Opel Manta, wo die Jungs gerne dran rumbasteln». Ihr Camaro ist eine ziemlich originale Berlinetta-Version mit Jahrgang 1979, zwei Jahre jünger als sie selbst.
Es ist ihr erster Wagen, obwohl die Leidenschaft für Ami-Schlitten schon in Kindertagen entbrannte. «Im Alltag brauch ich kein Auto. Aber mit diesem Schiff rumtuckern ist wie ein Ferienausflug in eines meiner Doppelleben.» Sie würde gerne öfter ausfahren, doch fehlt die Zeit. Mann denkt sich: Aha, ein chices Accessoire-Auto für eine erfolgreiche Frau als Kontra zu ihrer Karriere im Kunstbetrieb.
«Mit diesem Schiff rumtuckern, ist wie ein Ferienausflug.» Linda Briem und ihr Camaro. (Bild: Eleni Kougionis)
Schon mit Anfang dreissig betreute Briem für die Art Basel in Miami die Galerien. «Eine rechte Kiste», wie sie es selbst nennt, «25’000 Quadratmeter Ausstellung in einem anderen Land, zwischen anspruchsvollen Kunden, Latinos und den US-Gewerkschaften – dass da am Ende alles klappte, war ein Kraftakt, aber dann doch auch repetitiv.»
Nach fünf Jahren kündigte Briem und gönnte sich auf Reisen eine Auszeit. Dabei ging es durchaus um Selbstfindung, ein Yoga-Retreat in Indien musste aber nicht sein. «Das wäre für mich eher Folter», winkt Briem lachend ab. Zwar hat sie auch schon Yoga probiert, doch ihr Sport ist das Boxen.
Liebe auf den ersten Schlag war das nicht: «Ich hielt Kampfsport für dumm.» Eine Freundin hatte sie mit Anfang zwanzig zum Training geschleppt, weil Briem etwas für Körper und Kondition tun wollte. Briem fand Gefallen, zeigte Talent und bestritt über Jahre Wettkämpfe. «Da lernte ich, dass Boxen vor allem Kopfsache ist. Der eigene Kopf ist auch dein grösster Gegner.»
Heute steht sie nicht mehr im Ring, trainiert aber weiterhin mit dem Wettkampfteam und leitet selbst Trainings im Club, den sie mit Boxkumpaninnen und -kumpanen mitgegründet hat: das Boxteam Basel.
Ein Kugelkopf aus Styropor liegt neben Styroporkakteen im Kofferraum. Gemeinsam mit den Kakteen wird er bei der kommenden Ausstellung im Projektraum von Ahoi Ahoi gezeigt. Briems andere Arbeiten haben denselben illustrativen Comics-Esprit. Das durchaus Dekorative ist stets kombiniert mit einem subversiv ironischen Bruch, der ihr Werk von den Angeboten in Geschenkboutiquen unterscheidet.
Erst wollte sie bei der Ausstellung einfach einen leeren Raum präsentieren. Das hätte wunderbar zum Titel «Alwasy happy to disappoint you» gepasst. Doch wäre ihre schelmische Freude über die Enttäuschung der Besucher dann doch zu kurzlebig gewesen. Und hinter dem Slogan steckt natürlich mehr. «Heute ist jeder im Netz seine kleine PR-Agentur, wo man sich im besten Licht präsentiert. Dabei sind Peinlichkeiten doch genauso wichtig. Es wäre doch spannender, mal zu erzählen, was man nicht kann. Das Leben spielt doch zwischen den Highlights.»
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BriemBriem: «Alwasy happy to disappoint you». Vernissage: Freitag, 31. März, 18 Uhr. Ahoi Ahoi, Untere Rheingasse 10, Basel. Die Ausstellung läuft bis 29. April.