Laura Bispuris Debütfilm «Vergine giurata», eine vielschichtige Geschichte über Identität, glänzt dank eindrucksreichen Bildern und einer wunderbaren Alba Rohrwacher in der Hauptrolle. Zu sehen ist er im Stadtkino Basel.
Bergspitzen, von Schnee umhüllt, verschmelzen mit dem Nebel. Die weisse Kälte dringt bis ins Tal hinunter, wo fünf Männer die verschleierte Braut auf einem Esel die Landstrasse entlang führen. Ihr Blick sei verdeckt, damit sie den Weg zurück nicht finde, wird den beiden Mädchen Lila und Hana erklärt, welche die Szenerie vom Strassenrand aus beobachten.
Um dem Schicksal einer solchen arrangierten Ehe zu entgehen, entscheidet sich die in der albanischen Bergwelt aufwachsende Hana für das Leben einer Burrnesha, einer eingeschworenen Jungfrau. Die im Kanun, dem albanischen Gewohnheitsrecht, verankerte Form von Gender-Crossing ermöglicht es ihr, sich fortan Mark zu nennen und die traditionelle Rolle eines Mannes einzunehmen. Im Gegenzug zu dieser vermeintlichen Freiheit verpflichtet sie sich unter einem Schwur zu völligem Verzicht auf sexuelle Beziehungen. Doch zehn Jahre nach dieser Entscheidung bricht Mark mit seiner Rolle, reist nach Mailand und lernt da hadernd die über Jahre verdeckte Identität wieder kennen.
Laura Bispuris Debütfilm «Vergine giurata» erzählt stets sanft und mit einer wunderbaren Alba Rohrwacher als Hauptprotagonistin eine Geschichte von Identitäten und den Möglichkeiten, aus traditionellen Repressionen auszubrechen. Der Film ist eine Geschichte über Welten: Die archaischen Berge Albaniens werden der modernen Metropole Mailand gegenübergestellt, in den zahlreichen Rückblenden vermischt sich die Vergangenheit mit der Gegenwart, Geschlechtern zugeschriebene Eigenschaften werden thematisiert. Doch der Film interessiert sich nicht für klare Definitionen, sondern spielt vielmehr mit diesen Grenzziehungen.
Dies manifestiert sich ausdrucksreich in einer Szene im mailändischen Schwimmbad. Hier, wo die Kamera die unterschiedlichen Körperlichkeiten fokussiert, ist die jugendliche Jonida über ihre Leistung im Synchronschwimmen enttäuscht. «Man ist freier als man denkt. Frei dazu, Dinge nicht tun zu müssen», gibt Mark Jonida als Rat.
Und so ist «Vergine giurata» auch ein Plädoyer für die Möglichkeit, Identität nicht an einer gesellschaftlichen Norm festzumachen, sondern als Ausprobieren zu begreifen.
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«Vergine giurata» wird im Stadtkino Basel noch an folgenden Daten gezeigt:
So, 5.6.2016, 13:30h
So, 12.6.2016, 15:15h