Eine Klassiker-Schwemme zum Abschied

Shakespeare, Ibsen, Brecht, Dürrenmatt, Mozart und Verdi: Die Saison 2014/15 am Theater Basel ist vollgepfropft mit beliebten Klassikern des Schauspiel- und Opernrepertoires und soll wohl dafür sorgen, dass der aktuelle Aufwärtstrend bei den Zuschauerzahlen auch in der Abschiedsspielzeit von Direktor Georges Delnon anhält.

Theaterdirektor Georges Delnon (Mitte) präsentiert mit seinen Spartenleitern seine letzte Spielzeit in Basel. (Bild: Dominique Spirgi)

Shakespeare, Ibsen, Brecht, Dürrenmatt, Mozart und Verdi: Die Saison 2014/15 am Theater Basel ist vollgepfropft mit beliebten Klassikern des Schauspiel- und Opernrepertoires und soll wohl dafür sorgen, dass der aktuelle Aufwärtstrend bei den Zuschauerzahlen auch in der Abschiedsspielzeit von Direktor Georges Delnon anhält.

Manchmal lassen sich aus grafischen Erscheinungsbildern Botschaften herauslesen. Die Spielzeitbroschüre des Theater Basel (pdf-Dokument) präsentiert sich wie ein Sehtest-Plakat beim Optiker oder Augenarzt. Sai/son/Vor/schau/2014/2015 ist von oben nach unten zu lesen, wobei die Schrift von Zeile zu Zeile kleiner wird.

Theaterdirektor Georges Delnon liest hier, wie er an der Spielplan-Medienkonferenz des Theater Basel sagte, die Aufforderung an das Publikum heraus, näher hinzuschauen. Ebenso gut könnte man dieses Schrumpfen der Schriftgrösse aber auch als Zeichen für den langsamen Abschied von Delnons Theatercrew aus Basel interpretieren. Im 2015, also in der untersten Zeile mit der kleinsten Schrift, ist man praktisch schon nicht mehr da.

Nicht richtig wäre die Interpretation, dass dem Theater Basel die Luft ausgeht. Dies trifft zumindest für die laufende Spielzeit ganz und gar nicht zu. Delnon konnte von einem Aufwärtstrend bei den Zuschauerzahlen berichten. Das Dreispartenhaus habe in der noch laufenden Spielzeit bereits die Gesamtzuschauerzahl der vergangenen Saison erreicht. «Wenn diese Entwicklung bis zum Spielzeitende anhält, dann wäre die Saison 2013/14 die erfolgreichste meiner Direktionszeit», gibt sich der Direktor hoffnungsfroh.

Aufschwung im Schauspiel

Besonders spürbar sei der Aufschwung im Schauspiel, verkündete Delnon weiter. Dort konnte die durchschnittliche Auslastung bis heute auf 65 Prozent gesteigert werden. Zum Vergleich: In der vergangenen Spielzeit 2012/13 waren es noch 51,3 Prozent. Auch die aktuelle Gesamtauslastung liegt mit 66 Prozent um einiges über den 55 Prozent in der Saison 2012/13. «Damit zeigt sich, dass das Theater fähig ist, wie Phoenix aus der Asche immer wieder aufzuerstehen», freut sich Delnon – immer vorausgesetzt natürlich, dass der Trend während den restlichen anderthalb Monaten der laufenden Spielzeit anhält.

Natürlich hofft Delnon, dass auch seine neunte und letzte Basler Spielzeit beim Publikum auf Anklang stossen wird. Wenn man nun aufgrund der Popularität der einzelnen Spielplanpositionen urteilt, könnte man gute Prognosen stellen. Denn die Liste der Schauspielstücke und Opern steckt voller bekannter und beliebter Theaterklassiker, wobei natürlich, wie die aktuelle Inszenierung von Shakespeares «Ein Sommernachtstraum» zeigt, ein wohlklingender Name noch nicht zwingend ein wohliges Theatervergnügen verspricht.

Shakespeare, Dürrenmatt, Brecht und Ibsen

Aber bleiben wir, um mit dem Schauspiel zu beginnen, gleich bei Shakespeare. Der beliebteste Theaterautor aller Zeiten steht gleich mit seinen zwei bekanntesten Stücken auf dem Spielplan: mit «Romeo und Julia» sowie mit «Hamlet». Während bei der grossen Liebestragödie noch nicht feststeht, wer inszenieren wird, handelt es sich bei «Hamlet» um eine Produktion des Jungen Schauspiels Basel. Patrick Gusset und Béatrice Goetz werden die grosse Tragödie mit Mitgliedern des Jugendclubs inszenieren.

Weitere bekannte und beliebte Spielplanpositionen im Schauspiel sind Dürrenmatts «Besuch der alten Dame» (Regie: Florian Fiedler), Ibsens «Die Wildente (Regie: Amélie Niermeyer), Brechts «Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui» (Regie: Robert Gerloff) und Ödön von Horváths «Kasimir und Karoline» (Regie: Ulrike Quade) – ein Spielplan, wie von einem Deutsch- oder Literaturlehrer zusammengestellt.

Aber auch bei den dramatisierten Romanen tauchen schillernde Titel auf: Thomas Manns «Der Zauberberg» (Regie: Thom Luz), Mary Shelleys «Frankenstein» (Regie: Philipp Stölzl) oder Mark Twains «Tom Sawyer & Huckleberry Finn» in John von Düffels Bühnenfassung (Regie: Niklaus Helbling).

Marthaler und Häusermann

In diese Reihe der populären Produktionen passt natürlich auch Christoph Marthaler mit einem Projekt, über das die Schauspielleitung – wenig überraschend – noch nichts Näheres zu berichten wusste. Einen ziemlich anziehenden (oder besser ausziehenden?) Titel trägt auch der Text «Sex? Aber mit Vergnügen» (Regie: Christian Vetsch) der italienischen Autorin Franca Rame (1929-2013), der Lebens- und Arbeitspartnerin von Dario Fo.

Der Schauspielplan wird abgerundet von einer «Neuen Produktion» der eingebetteten FADC-Truppe (Regie: Tomas Schweigen), von einer Produktion von I pelati delicati mit dem Titel «Fellinicittà» und der grossen Abschiedsproduktion mit dem Titel «Die letzten 48 Stunden», der laut Regisseur und Schauspiel-Co-Leiter Tomas Schweigen durchaus wörtlich zu verstehen sei.

Die kommende Spielzeit beginnt wie bereits 2011 (als Fritz Hauser das gesamte Theaterpersonal zur Schraffur-Parade aufgeboten hatte) mit einem Vorspiel (am 27. August). Dieses Jahr gehts ins Freie, genauer nach Baselland und noch genauer nach Mättenberg bei Rümlingen, wo der Klangspezialist Ruedi Häusermann in Koproduktion mit dem Festival Rümlingen mit über 100 Beteiligten eine «musiktheatralische Durchwanderung» mit dem Titel «Ume mais ume» organisieren wird.

Auch der eigentliche Beginn der Spielzeit am 16. September liegt in den Händen eines Klangspezialisten: Christian Zehnder inszeniert «Föhn, ein zyklisches Wetterspiel» zur Musik von Fortunat Frölich und zu Texten von Urs Widmer, die dieser kurz vor seinem Tod geschrieben hat.

Mozart, Verdi, Donizetti, Offenbach

Weiter geht es aber auch im Musiktheater mit überaus bekannten und beliebten Namen: Mozarts «Così fan tutte» und Verdis «Otello» (beide inszeniert von Calixto Bieito), Jacques Offenbachs «Les Contes d Hoffmann» (Regie: Elmar Goerden), Donizettis «Don Pasquale» (Regie: Massimo Rocchi) und Richard Strauss, dieser allerdings mit seiner weniger bekannten Oper «Daphne» (Regie: Christoph Loy). Dazu kommen die Barockoper «Médée» von Marc-Antoine Charpentier (Regie: Nicolas Brieger) und mit  Peter Ruzickas «Hölderlin. Eine Expedition» steht immerhin noch eine Schweizer Erstaufführung auf dem Opernspielplan.

Eigentliche Uraufführungen sind im Spielplan 2014/15 Mangelware – lässt man das jeweils als «Uraufführung» bezeichnete Projekttheater von Marthaler, FADC, Häusermann und Co. beiseite. In der Oper gibt es, so gesehen, keine, im Schauspiel mit dem noch namenlosen Auftragsstück von Wolfram Höll im Rahmen des Stücklabors Basel gerade mal eine.

Im Ballett indes wird praktisch jede Choreographie als Uraufführung bezeichnet. So etwa der Ballettabend «Dance Talks» (mit Choreographien von Jean-Philippe Dury, Ed Wubbe und Richard Wherlock), das Ballett «Die Liebe kann tanzen» (Choreographie: Stephan Thoss), Wherlocks Education-Projekt «It’s a Game», der «Dancelab 7» (mit Choreographien von Ensemble-Mitgliedern) und das Ballett «Juditha Triumphans» zur Musik von Vivaldi (Chroreographie: Richard Wherlock).

Alte Bekannte und neue Regisseure

Bei den Regisseurinnen und Regisseuren sind besonders im Schauspiel einige neue Namen zu finden. Philipp Stölzl gehört ebenso zu den Rückkehrern wie Amélie Niermeyer, Florian Fiedler oder Thom Luz, der nach seinem gelungen Basler Einstand mit Goethes «Werther» in der letzten Spielzeit zurückkommt, um dann gleich über die Ära Delnon hinaus zu bleiben (siehe Kasten).

Die Oper indes setzt vornehmlich auf bewährte Kräfte. Bestes Beispiel hierfür ist der gleich zweifache Einsatz von Calixto Bieito als Regisseur, aber auch Massimo Rocchi, Christof Loy und Elmar Goerden sprechen für die von Georges Delnon explizit erwünschte Kontinuität in der Opernsparte.

Das Schauspiel wagt den Neubeginn mit einem jungen Team
Der designierte Basler Theaterdirektor ab 2015/16, Andreas Beck, erklärt die Schauspielleitung zur Chefsache und schart ein Team von jungen Hausregisseurinnen und -regisseuren um sich. Sie sind zwischen 1979 und 1984 geboren, es ist also ein ausgesprochen junges Quartett an Hausregisseurinnen und -regisseuren, die Andreas Beck für die Schauspielleitung ab 2015/16 verpflichtet hat. Und es sind bis auf einen Namen, die hier in Basel bislang noch keine Spuren hinterlassen haben.

Die Ausnahme ist der Zürcher Regisseur und Popmusiker Thom Luz, der mit seinen eigenwilligen und beachtenswerten Projekten regelmässig Gast in der Kaserne Basel war und ist, der 2007 an den Basler Treibstoff-Theatertagen sein Regiedebüt gegeben hatte und der mit seinem wunderbar skurrilen, rückwärts erzählten «Werther» auch am Theater Basel bereits überzeugende (und beim Publikum erfolgreiche) Spuren hinterlassen hat.

Bei seinem  Kollegen im Hausregieteam fällt ein spontanes Urteil weniger leicht. Der Regisseur und Autor Simon Stone ist zwar 1984 in Basel geboren, mit sieben Jahren indes zog er bereits nach England, und 1996 landete er in Australien, wo er zunächst als Schauspieler, dann als Regisseur und Autor eine Karriere im Filmbusiness und im Theater begann. Anfang 2014 legte er am Theater Oberhausen seine erte Regiearbeit im deutschsprachigen Raum ab.

Die beiden Frauen in der neuen Hausregisseurinnenenriege haben für ihr junges Alter bereits eine beachtliche Reihe an Inszenierungen vorzuweisen: Die 1979 in Stuttgart geborene Julia Hölscher inszenierte an mehreren deutschen Bühnen und war von 2009 bis 2013 Hausregisseurin am Staatsschauspiel Dresden.
Die 1985 geborene Österreicherin Nora Schlocker arbeitete als Regisseurin unter anderem an Becks Schauspielhaus Wien, am Staatstheater Stuttgart, am Bayerischen Staatsschauspiel in München und am Nationaltheater Mannheim. Von 2011 bis 2015 war sie Hausregisseurin am Düsseldorfer Schauspielhaus.
Die designierte Chefdramaturgin des Schauspiels, Almut Wagner, war zuletzt Co-Chefdramaturgin am Düsseldorfer Schauspielhaus. Und den alten neuen Ballettchef Richard Wherlock braucht man in Basel nun wirklich nicht mehr vorzustellen.

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