Das neue Kochbuch «Artist’s Recipes» präsentiert die Lieblingsrezepte zahlreicher Künstler und Künstlerinnen. Spitzenkoch Thierry Boillat hat für die TagesWoche eines davon getestet. Und direkt weiterentwickelt.
Auf der Monroe-Statue thront die Lieblingsglace von Fotograf Roger Ballen. Das Dessert ist im Kochbuch «Artists' Recipes» zu sehen.
Und mit diesen Zutaten wird Ballens Glace jetzt angereichert.
(Bild: Basile Bornand)Wer die Kokosnuss knackt, wird zunächst belohnt mit ihrem herausfliessenden Saft.
(Bild: Basile Bornand)
Vielleicht etwas, das jeder Koch einmal gemacht haben muss.
(Bild: Basile Bornand)Das Schokoladen-Crumble wird mit Szechuan-Pfeffer oder einem Gewürz nach eigenem Gusto bepudert.
(Bild: Basile Bornand)Mit den Brombeeren erhält das Dessert eine saure und erfrischende Note.
(Bild: Basile Bornand)Die Beeren werden noch vor der Glace auf dem Schokoladen-Crumble platziert.
(Bild: Basile Bornand)Die wilde Kamille wächst auf unseren Wiesen. Ihre Blütenblätter eignen sich für besonders zarte Dekorationen.
(Bild: Basile Bornand)Und hier werden die Blütenblätter einzeln auf die Glace gelegt.
(Bild: Basile Bornand)Mit Gel lässt sich nicht nur Geschmack gezielt platzieren, man kann damit auch Glaces mit Augen versehen.
(Bild: Basile Bornand)Es gibt Köche, die interessieren sich für Kunst. Und es gibt Künstler, die teilen die Begeisterung fürs Kochen. Letzteres trifft auf das Basler Künstlerduo Admir Jahic und Comenius Röthlisberger zu. Und weil Kunst und Kochen so harmonieren, haben die beiden das Kochbuch «Artist’s Recipes» herausgebracht – mit Lieblingsrezepten von über achtzig Künstlerinnen und Künstlern aus der ganzen Welt.
Nachdem sich Kulturredaktorin Karen N. Gerig am heimischen Herd mit einem «Leipziger Allerlei» à la Bildhauer Tobias Rehberger auseinandergesetzt hat, schicken wir das Kochbuch in den zweiten Praxistest. In der Küche des Restaurants Stucki versucht sich Thierry Boillat – sonst Meister der Vorspeisen – an der Lieblingsglace des amerikanischen Fotografen Roger Ballen.
Skizzen, die sonst keiner sieht
Auf der Küchenablage liegt Boillats Rezept-Skizze. Sie zeigt eine schwungvoll gezeichnete Dame mit Brombeer-Gel und Kokos-Chips im Haar. Jedes Rezept zeichne er zuerst kurz auf, sagt er. Auch die Rezepte im Kochbuch werden zusätzlich mit kunstvollen Skizzen und Handschriften präsentiert. Ein Blick auf die Fotografie von Roger Ballen verrät dann auch, wer hier einen süssen Glace-Kopf verpasst kriegt: Marilyn Monroe. Bei Ballen ist die Glace kunstvoll auf einer Statue angerichtet.
Und so sieht die Skizze von Thierry Boillat aus. Künstler oder Koch? Das scheint auch hier die richtige Frage zu sein. (Bild: Basile Bornand)
«Es war spannend, mal ein Rezept von jemand anderem zu kochen», sagt Boillat. Und doch wäre er nicht Boillat, hätte er die Nachspeise nicht nach seinem eigenen Gusto weiterentwickelt.
Denn Rezeptschöpfer Roger Ballen scheint es deftig zu mögen. Was da auf der Monroe thront, ist eine Kokos-Glace mit viel Rahm, Kokosmilch, einigen Eiern und einer Menge Zucker. Und weil es noch süsser geht, kommen zusätzlich Schokoladensplitter rein.
Abgespeckt und angereichert
Boillat hat das Rezept zweimal nachgekocht und zieht sein Fazit: «Stellt man die Glace so her, wie sie im Rezept beschrieben ist, wird sie gelb und nicht weiss wie auf dem Bild.» Das liege an den vielen Eiern.
Der Gourmetkoch hat die Glace deshalb etwas abgespeckt und das Drumherum angereichert. «Das Dessert erhält jetzt noch eine saure, eine würzige und eine knusprige Komponente», erklärt er. «Aber es behält trotzdem den Lieblingsgeschmack des Künstlers bei.» Die Glace hat er zuvor bereits mit doppelter Flüssigkeit hergestellt und lässt sie nachfrieren.
Ein Schokoladen-Crumble mit altem Brot
Statt die Schokolade in die Glace zu integrieren, kriegt sie einen Boden aus Schokoladen-Crumble. Dafür verwendet Boillat (altes) Brot, röstet es und mischt es mit geschmolzener Schokolade. Lässt man diese Mischung jetzt eine Weile stehen, wird sie wieder hart und eignet sich als Boden. Dann kann man es mit einer Gewürzmischung bestreuen.
Das Schokoladen-Crumble wird mit Szechuan-Pfeffer oder einem Gewürz nach eigenem Gusto bepudert. (Bild: Basile Bornand)
Da Boillats Kochutensilien-Fundus über keine Monroe-Statue verfügt, hat er sich für eine praktischere Aufmachung entschieden. Er verwendet ein auf A4-Blatt ausgedrucktes Bild und legt eine Glasscheibe über den Kopf und das Dekolleté. Das Bild hat einen leichten Violett-Stich, damit es zu den Brombeeren passt. «Die Farben machen die Stimmung auf dem Bild aus. Am Ende sind sie wichtiger als die Person, die zu sehen ist», erklärt Boillat dazu.
Auf der Glasscheibe platziert er das Schokoladen-Crumble. Hinzu kommen einige Brombeeren-Viertel. Die verleihen der süssen Nachspeise eine erfrischend saure Note. Das Beeren-Aroma hat Boillat aber zusätzlich in einem Gel verpackt, mit dem er ebenfalls garniert.
Gel, das Geheimnis des Gourmets
Gel sei die Geschmacks-Waffe in der Gourmet-Küche, erklärt er. Man nimmt einen beliebigen Geschmack, den man gerne im Essen hätte und geliert die Zutaten. Anschliessend wird die Masse wieder püriert. Mit einer Spritzflasche lässt sich das Gel dann ganz gezielt auf dem Gericht platzieren.
Mit Gel lässt sich nicht nur Geschmack gezielt platzieren, man kann damit auch Glaces mit Augen versehen. (Bild: Basile Bornand)
Die grösste Herausforderung bei sommerlichen Temperaturen ist die Schmelzgefahr des gefrorenen Desserts. Deshalb muss das Anrichten ganz schnell gehen, sobald die Glace aus dem Tiefkühler geholt wurde.
Als weitere Garnitur kommen Kokosraspel und zarte Blumen zum Einsatz. Die Kokosraspel können selbst hergestellt werden. Eine frische Kokosnuss zu öffnen ist aber ein Unterfangen, mit dem auch Boillat bislang nicht vertraut war. Nach einigen Hieben auf die harte Oberfläche mit dem Messerrücken fliesst aber schliesslich der Kokossaft raus.
Und so entsteht aus der deftigen Kokos-Glace und dem Lieblingsrezept von Roger Ballen die Variante à la Boillat. Nach dem Testessen lässt sich sagen: Die Kombination aus Kokos, säuerlichen Brombeeren und einem knusprigen Schokoladen-Boden schmeckt erfrischend und lässt sich wunderbar einfach zu Hause zubereiten. Marilyn Monroe – ob als Statue oder als Bildunterlage – verleiht dem Gericht zudem einen ganz aussergewöhnlichen Charme.
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Das Buch «Artists‚ Recipes» wird am Mittwoch, 17.6., um 19 Uhr abends im Volkshaus Basel vorgestellt.
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Rezeptergänzungen von Thierry Boillat:
Beeren-Gel
260 g Heidelbeersaft (Biotta)
130 g Limettensaft
4 g Agar-Agar
Den Heidelbeersaft und den Limettensaft zusammen in einem Kochtopf aufkochen, das Agar-Agar beigeben und drei Minuten kräftig kochen lassen. Die Masse erkalten lassen und mit etwas Heidelbeersaft in ein hohes Gefäss füllen. Mit einem Stabmixer mixen. Das Gel mit Hilfe von einem Spritzsack aufdressieren.
Schoko-Crumble
Etwas gemahlener Szechuan-Pfeffer
80 g dunkle Schokolade (72%)
33 g Baguette-Brot in feine Würfel geschnitten
Das Brot in einer Teflonpfanne anrösten. Die Schokolade im Wasserbad schmelzen und anschliessend mit dem Brotcrumble mischen. In Metallringen auskühlen lassen. Wenn die Schokolade fest ist, den Szechuan-Pfeffer mitmilfe eines Siebes darüber streuen.
Kokos-Chips
Die Kokoschips werden etwa einen Tag im Ofen bei 65 Grad getrocknet.