Eine mutige Wahl

Der neue Direktor des Theaters Basel heisst Andreas Beck. Ein Kommentar.

Bringt neuen Schwung ins Haus: Andreas Beck, der neue Direktor des Theater Basel

(Bild: Clemens Fabry)

Der neue Direktor des Theaters Basel heisst Andreas Beck. Die Wahl des Schauspielspezialisten ist ein erfreuliches Votum für das Schauspiel.

Dass der neue Direktor des Theaters Basel ab der Spielzeit 2015/16 ein Schauspielspezialist sein würde, war aufgrund der bisherigen Basler Praxis, jeweils abwechselnd Opern- und Sprechtheaterleute zu nominieren, zu erwarten gewesen. Oder zumindest zu hoffen. Die Wahl von Andreas Beck (Jahrgang 1965) ist dennoch relativ überraschend. Erfreulich überraschend, denn sie ist Zeichen für eine klare und mutige Vorwärtsstrategie, die nicht von Kompromissüberlegungen geprägt ist.

Förderer junger Autoren

Wer ist dieser Andreas Beck? Als künstlerischer Leiter des kleinen, aber künstlerisch ausgesprochen feinen Schauspielhauses Wien und zuvor als Dramaturg am Wiener Burgtheater und weiteren wichtigen Schauspielhäusern hat sich der studierte (und dozierende) Theaterwissenschaftler einen Namen als konsequenter Förderer junger Dramatik gemacht.

Sein Name steht für zeitgenössisches Theater im besten Sinn, für ein Autorentheater am Nabel der Zeit, das sich nicht darüber beklagt, dass in der deutschsprachigen Gegenwartstheaterliteratur Flaute herrscht, sondern junge Autorinnen und Autoren dazu antreibt, Produkte zu liefern. Er ist ein Autoren- und Theaterscout, der, wie er in einem Interview mit dem Wiener «Falter» sagte, junge Dramatikerinnen und Dramatiker auch mal anruft und sie fragt, an was sie gerade schreiben.

Auf diese Weise hat Beck das Talent herausragender junger Autoren und Theatermacher wie Roland Schimmelpfennig oder René Pollesch früh erkannt und deren Schaffen stetig begleitet. Das Resultat lässt sich am Spielplan des Wiener Schauspielhauses ablesen, welcher der Programmvorgabe des Hauses entsprechend ganz und gar geprägt ist von Ur- und Erstaufführungen.

Gewisses Risiko

Nun könnte man einwenden, dass diese geradlinige Art, junges Theater zu fördern, zu einer kleineren Off-Bühne besser passt als an ein mittelgrosses Dreispartentheater. Tatsächlich kann sich das Wiener Schauspielhaus mit seinen rund 220 Zuschauerplätzen und einem Ensemble, das gerade mal aus sechs festen Schauspielerinnen und Schauspielern besteht, im Schatten der grossen Burg- und Volkstheater besser leisten, eine Nische zu besetzen als ein Abonnementtheater wie das Theater Basel, das trotz gewachsener Konkurrenz noch immer eine Monopolstellung innehat respektive erfüllen muss.

Insofern birgt die Wahl von Andreas Beck sicherlich auch ein gewisses Risiko. Wenn der Verwaltungsrat des Theaters Basel den neuen Direktor als «ausgewiesenen Kenner der Opernlandschaft und des zeitgenössischen Tanzes» ausweist, dann dient dies – ohne nun Beck diese Kenntnisse abzusprechen – wohl in erster Linie dazu, die Basler Freundinnen und Freunde von Oper und Ballett zu beruhigen. Aber die dürfen sich auch beruhigen lassen, denn mit den richtigen Spezialistinnen und Spezialisten im Team wird man sich um diese Sparten keine allzu grossen Sorgen machen müssen. Das ist, um nun doch noch einen Vergleich mit dem vielgenannten Basler Über-Theatervater zu bemüssigen, Ende der 1980er-Jahre auch Frank Baumbauer gelungen.

Das Theater Basel braucht Schwung

Viel wichtiger ist es aber, dass das Basler Schauspiel wieder Rückenwind verspürt, dass das Sprechtheater trotz aller Gleichberechtigungsbekundungen wieder die Stellung als spartenmässiger (und über die Spartengrenzen hinaus befruchtender) Primus inter pares erobern kann.

Das war unter dem jetzigen Direktor Georges Delnon – ein Opernspezialist, der sich vielleicht zu sehr auf die Durchsetzungskraft seiner Schaupielleiter verlassen hat – nicht der Fall. Zu Beginn seiner Direktion  war das Schauspiel von der Atmosphäre einer unterspannten Unentschiedenheit geprägt. Und die jetzige Interimsleitung hat trotz einigen beachtlichen Produktionen kaum die Möglichkeit, dem Sprechtheater einen unverwechselbaren und über die Grenzen Basels Debatten auslösenden Charakter zu verleihen.

Und genau das hat das Basler Schauspiel dringend und auch der Tradition verpflichtend nötig. In der Vergangenheit ist es dem Theater Basel immer wieder gelungen, der deutschsprachigen Theaterlandschaft stilbildende und damit weitum beachtete Vorlagen zu liefern. Zeugen dafür sind, um nur eine kleine Auswahl von Beispielen aufzuzählen, Namen von Autoren wie Heinrich Henkel, von Theatermachern wie Christoph Marthaler oder Regisseuren wie Andreas Kriegenburg.

Basler Publikum lässt sich überzeugen

Sie und viele andere standen einst für ein Sprechtheater, das nicht von der Hand in den Mund lebte, sondern eine klare Haltung besass und auch ausstrahle. Das war nicht immer leicht, nicht bequem und auch nicht immer gleich von Beginn weg erfolgreich. Aber eine klare Haltung vermag auf Dauer zu überzeugen. Und in Basel gibt es ein Theaterpublikum, das manchmal vielleicht etwas bedächtig oder langsam reagiert, das sich aber dennoch überzeugen lässt, dem man auch mal etwas zumuten kann – mehr als anderswo.

Und das ist das Wesentliche: Zum Überzeugen ist auch Überzeugendes nötig. Und um dieses Überzeugende zu finden, ist am Theater Basel, das es sich finanziell nicht leisten kann (und sollte), teure Superstars zu präsentieren, ein Gespür für junge Talente nötig, die es zu entdecken und aufzubauen gilt. Immer wieder von Neuem und ohne allzu grosse Scheu vor dem Risiko. Das ist ein überzeugendes Argument, das für den neugewählten Theaterdirektor Andreas Beck spricht – eine Wahl, die nicht zuletzt auch vom Mut zum Risiko geprägt ist, zu der man der Findungskommission und der neuen Theaterverwaltung erst einmal nur gratulieren kann.

 

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