Eine schwindelerregende Reise bis das letzte Blatt gefallen ist

Auf eine Tour vom Erdboden bis in die Weiten des Universums, von der Stille bis in den Lärm nehmen uns die drei aktuellen Ausstellungen im Kunsthaus Baselland.

Bild 052 (Bild: Serge Hasenböhler)

Auf eine Tour vom Erdboden bis in die Weiten des Universums, von der Stille bis in den Lärm nehmen uns die drei aktuellen Ausstellungen im Kunsthaus Baselland.

Die Spanierin Lara Almarcegui, der Schwede Alexander Gutke und die Deutsche Katharina Hinsberg haben im künstlerischen Sinne wenig gemeinsam: Sie bewegen sich in unterschiedlichen Medien und ihren Arbeiten liegen ganz verschiedene Konzepte zugrunde. So haben ihre drei Ausstellungen im Kunsthaus Baselland zwar wenige Anknüpfpunkte, sind aber eine wie die andere den Ausflug an Basels Peripherie wert. Steigen wir ein.

Katharina Hinsberg: Farben im Wind

36 Meter lang ist die Wand des Annex im Kunsthaus Baselland. Und kein Zentimeter davon ist freigeblieben, nachdem Katharina Hinsberg sich ihrer angenommen hat. Unzählige quadratisch zugeschnittene Seidenpapiere hängen daran, immer 16 Farben sind stapelweise hintereinander angeordnet. Im leichten Durchzug bewegen sich die Blättter und geben immer wieder mal den Blick auf die dahinterliegenden Farben frei.



Katharina Hinsbergs Installation, die sich verändern wird.

Katharina Hinsbergs Installation, die sich verändern wird. (Bild: Karen N. Gerig)

Die deutsche Künstlerin bezeichnet ihre Installation als Malerei. Ohne Pinsel und ohne Farbe zwar, dafür arbeitet sie mit einem langen Stock, über dessen oberes Ende der abgeschnittene Daumen eines Plastikhandschuhs gestülpt wurde. Damit kann Hinsberg mühelos auch die höchstgehängten Papiere erreichen, um deren oberste Schicht mit einem kleinen Zug abzureissen. Nach und nach kommt so Farbe um Farbe zum Vorschein, das Werk überschreibt sich immer wieder selber und verändert sich stetig.

Hinsberg hinterfragt mit ihrer Arbeit den Mal- oder Zeichnungsprozess, aber auch das Verhältnis der Werkes zum Besucher, der an diesem Prozess teilnimmt, indem er sich mit dem sich verändernden Bild konfrontiert sieht. Ein festes Konzept, wie die unterschiedlichen Stadien des Bildes aussehen werden, hat Hinsberg keines. Es wäre auch nur begrenzt umsetzbar, denn sie lässt auch befreundete Künstler in die Arbeit eingreifen. Sicher ist nur, dass am Ende das letzte Papier zu Boden flattern wird und nur noch die Nägel in der Wand steckenbleiben werden.

Alexander Gutke: Stille im Loop

So unauffällig wie diese Nägel präsentiert sich schon jetzt ein Werk von Alexander Gutke. Es ist ein Lautstärkeregler, der über Kopfhöhe an einer Wand angebracht wurde und leicht übersehen werden kann. Es habe ihn interessiert herauszufinden, ob dieses kleine Objekt eine grosse Wand verträgt, sagt der schwedische Künstler. Und tatsächlich tut es das. Es verleitet fast dazu, das Ohr an die Wand zu legen, um zu lauschen. Zu hören gibt es allerdings nichts. Und trotzdem zeigt der kleine Regler das Spektrum zwischen absoluter Stille und grösstem Lärm an, durch nichts als die Skala von -10 bis +10, die darauf vermerkt ist.



das Werk überschreibt sich immer wieder selber

Klein, aber fein: Ein Lautstärkeregler für die Wand. (Bild: Karen N. Gerig)

Ton und Musik seien ein wichtiger Bestandteil seiner Werke, sagt Gutke. Noch wichtiger aber, so scheint es in der Ausstellung im Kunsthaus Baselland, sind Film und Zeitfaktor.

Als erstes lockt uns wohl die Treppe an. Denn daneben verschwindet ins Loch nach unten ein Filmstreifen. Auf dem Boden im Untergeschoss steht der zugehörige Projektor, der ein sich drehendes, spiralförmiges Bild auf den Boden wirft. «Vertigo» heisst das Werk, das einerseits Bezug nimmt auf den gleichnamigen Film, andererseits aber auch durchs Ins-Zentrum-Rücken der Vertikale des Raumes tatsächlich eine Art Schwindelgefühl auslösen kann.

Der Loop, in dem sich die Spirale dreht und dreht und dreht, ist ebenfalls ein Leitmotiv dieser Ausstellung von Gutke – wir begegnen ihm gleich mehrmals, beispielsweise auch in den Kabinetträumen, wo der Filmstreifen die Wände eines ganzen Raumes durchmisst, um dann in einer kleinen Ecke das flimmernde Bild eines Massbandes an die Wand zu werfen.



Wie gross ist der Raum? Die Antwort, die der Projektor gibt, ist jedenfalls falsch.

Wie gross ist der Raum? Die Antwort, die der Projektor gibt, ist jedenfalls falsch. (Bild: Serge Hasenböhler)

Dass ein Loopgedanke sich aber auch ausserhalb des Mediums Film manifestieren kann, zeigt die Arbeit «Folded into One». Hier hat Gutke das Universum in Form einer Fotografie zur Box gefaltet – ein unendlicher Sternenhimmel, innen wie aussen. Gleich daneben breitet sich der Horizont unfassbar weit aus, in Form einer Zahl, die sich unendlich verlängern liesse.

In Gutkes Ausstellung überwiegt die Stille, den ratternden Projektoren zum Trotz. Die Arbeiten strahlen eine Ruhe aus, die ansteckend wirkt. Und wenn man dann vor der Glasscheibe in der hintersten Ausstellungsecke steht und diese plötzlich mit einem lauten Knall in tausende kleine Teile zerspringt, dann erschrickt man fast.

Lara Almarcegui: Bodennah im Kellergeschoss

Noch viele kleine Teile mehr hat die dritte Künstlerin im Bunde, Lara Almarcegui, im Kellergeschoss aufgeschüttet: Dort türmt sich die Erde aus dem Aushub eines Hauses in Bottmingen bis unter das Dach der Shedhalle, 300 Kubikmeter insgesamt. Ihre Motivation für diese Arbeit hat sie uns kürzlich geschildert – und wir haben sie in einem Porträt der spanischen Künstlerin niedergeschrieben: «Lara Almarcegui, die Künstlerin mit Schürfrechten».



Lara Almarceguis Installation in der Shedhalle.

Lara Almarceguis Installation in der Shedhalle. (Bild: Serge Hasenböhler)

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Lara Almarcegui, Alexander Gutke, Katharina Ginsberg. Kunsthaus Baselland, bis 12. Juli 2015.

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