Im hintersinnigen Theaterprojekt «How To Win Friends & Influence People» von Boris Nikitin wird die Klosterkirche von Mariastein zur Schaubühne und ein Schauspieler zum Prediger. Oder war es doch umgekehrt?
Schauspieler Matthias Breitenbach begrüsst als Schauspieler Matthias Breitenbach die Anwesenden, die auf den harten Holzbänken in der barocken Klosterkirche Mariastein Platz genommen haben. Er begrüsst sie als Theaterbesucherinnen und Kirchgänger, die sich zu diesem Projekt zusammengefunden haben, das den Titel von Dale Carnegies Klassiker der Motivationsliteratur trägt: «How To Win Friends & Influence People». Sie haben Eintritt bezahlt, weil, wie auf einem Schild am Eingang zu lesen war, die «Kirche wegen Aufführung geschlossen» war.
Ob sich nun wirkliche Kirchgänger eingefunden (und ausnahmsweise Eintritt bezahlt) haben, ist schwer zu sagen. Die meisten Anwesenden waren nachweislich als Theaterbesucher nach Mariastein gepilgert, zu einem grossen Teil im vollbesetzten Reisecar, der sie bei der Kaserne Basel aufgelesen und in einer Art Pilgerfahrt zum Wallfahrtsort gefahren hat.
Der Schauspieler als Schauspieler
Man hat sich nach Mariastein fahren lassen, um im Projekt des Basler Theatermachers Boris Nikitin den Schauspieler Matthias Breitenbach als Prediger zu erleben, und weil Breitenbach ein guter Schauspieler ist, erwartet man, dass er einen Prediger spielen kann. Das tut er aber erst einmal nicht, sondern stellt sich als Schauspieler vor.
Mit seinem dunklen Anzug, weissem Hemd und Krawatte sieht er auch nicht aus wie jemand, der in einer katholischen Klosterkirche zur Predigt ansetzt. Die sehen so aus wie der Herr, der vor ihm an das kanzelartige Holzpult getreten war und sich als echter Prediger erwiesen hatte: Abt Peter von Sury, der Vorsteher der Benediktinerbrüderschaft von Mariastein. Im ungespielten, leicht weihevollen Tonfall begrüsst er die Gäste mit wenigen Worten, um sich dann, wie er selber sagt, mit seinen Brüdern in die Gnadenkapelle zum Gebet zurückzuziehen.
Der Schauspieler als Prediger
Der echte Kirchenmann Sury wirkt in seinem kurzen Auftritt so authentisch, dass Breitenbach keine Chance hätte, es als gespielter katholischer Prediger mit ihm aufzunehmen. (Das war bei der Uraufführung des Theaterabends in einer Mormonenkirche in Freiburg i. Br. wohl anders.) Aber der Schauspieler versucht gar nicht, den Priester zu mimen. Vielmehr spricht er im eloquenten Plauderton über sich selbst, sagt dann, dass er uns Zuschauerinnen und Zuschauer von etwas überzeugen wolle, aber nicht genau wisse von was, um dann zur Aussage zu gelangen, dass er nicht so richtig wisse, ob sich ein Theaterabend entwickle, dass er vielleicht, aber unwissentlich doch im Auftrag des Herrn unterwegs sei.
Und langsam wird klar, was gemeint ist mit der Aussage im Programmzettel, dass es das Gebiet zu erforschen gelte, «in dem eine Rede endet und die Predigt beginnt». Boris Nikitins Theaterkosmos ist das flirrende Grenzgebiet zwischen der vermeintlichen Realität und dem inszenierten Spiel. Wir erleben, wie der Schauspieler mehr und mehr von der Rolle eines Predigers eingenommen wird, wie seine lockere Plauderei langsam in eine pathetisch-erbauliche Rede umschlägt und sich schliesslich zur predigenden Extase steigert.
Irritierende Glaubensbezeugnisse
Man hört und sieht dem Schauspieler bei seiner Verwandlung gerne zu, wie er sich in einen religiösen Rausch hineinredet, um dann das Publikum mit grosser Eindringlichkeit zur gegenseitigen Liebesbezeugung aufzufordern. Boris Nikitin belässt es aber nicht bei der One-Man-Show. Dreimal unterbricht Breitenbach seine Predigt, dreimal überlässt er den Platz hinter dem Rednerpult Menschen aus dem Publikum, die hervortreten, um über ihren eigenen Glauben zu reden.
Diese Auftritte sorgen für die eigentlichen Irritationsmomente an diesem Abend. Wie echt ist zum Beispiel das Bekenntnis der Schweizer Autorin und Performerin Beatrice Fleischlin, die erzählt, wie sie nach einer Zeit der Abkehr vom Glauben wieder zu Gott zurückgefunden habe? Wohl nicht ganz. Aber in ihrer kurzen Rede wirkt sie so glaubwürdig, dass man doch ein wenig unsicher bleibt.
Nachdenklicher Nachhall
Um zur eingangs erwähnten Aussage des Schauspielers zurückzukehren: Hat er es geschafft, uns Zuschauerinnen und Zuschauer von etwas zu überzeugen? Nun eine Bekehrung zu irgendetwas fand wohl bei keinem der Anwesenden statt, auch zur wirklichen Erleuchtung ist es nicht gekommen. Die einstündige Performance im eindrücklichen Kirchenraum hat aber eine Stimmung geschaffen, die den einen oder die andere dazu anregte, über den eigenen Glauben oder Nicht-Glauben nachzudenken. Zumindest war dies aus den Gesprächen herauszuhören, die einige der Zuschauerinnen und Zuschauer beim Gang über den Klostervorplatz zurück zum Reisecar führten.
Und das ist, abgesehen von der Tatsache, dass man eine ausgesprochen unterhaltsame Theaterreise ins Kloster, das ja für sich alleine gesehen schon eine kleine Reise wert ist, unternommen hat, doch eigentlich ganz schön erbaulich.
Eine Predigt im Benediktinerkloster Mariastein
Idee, Raumkonzept, Regie: Boris Nikitin
mit : Matthias Breitenstein sowie Heide Cerny, Beatrice Fleischlin und Ulrich Winterhager
Ein Gastspiel des Theaters Freiburg, eingeladen von der Kaserne Basel
Weitere Vorstellungen: 22. und 23. März, 20 Uhr, in der Klosterkirche Mariastein
Die Kaserne Basel bietet einen Shuttlebus für Hin- und Rückfahrt an (begrenzte Platzzahl)
Abfahrt: 19 Uhr Kaserne Basel