Mit dem Bühnenprojekt «LSD – Mein Sorgenkind» führen Regisseur Thom Luz und das Schauspielensemble auf eine wundersam-skurrile und höchst vergnügliche Reise an die Ränder des Bewusstseins.
Es ist eine faszinierende Erfindung, die uns das Ensemble auf der Basler Schauspielhausbühne präsentiert: Zwischen den Saiten und den mit Farben präparierten Filzhämmern wird ein breiter Papierstreifen hochgezogen, auf dem die Musik optische Spuren hinterlässt. Aus Joseph Haydns «Die Schöpfung» fliesst so ein mehrfarbiger DNA-Strang.
Diese Erfindung gibt es im Theaterprojekt «LSD-Mein Sorgenkind» zu bestaunen. Sie drückt ein Phänomen aus, das der junge Sandoz-Chemiker Albert Hofmann, der durch seine Entdeckung von LSD weltberühmt wurde, nach einem Selbstversuch in sein Forschungstagebuch notiert hat: «Besonders merkwürdig war, wie alle akustische Wahrnehmungen in optische Empfindungen transponiert wurden.»
Die Psychedelic-Falle umschifft
Dieses Phänomen wurde in Filmen und auf Bildern Hunderte Male illustriert, fast ausschliesslich mit rauschartigen Farborgien, untermalt mit psychedelischer Musik von den «Doors» oder «Jefferson Airplane». Thom Luz, der «die Kette glücklicher Zufälle», wie es im Untertitel heisst, «organisiert» hat, geht einen ganz anderen Weg. Hier erklingen, arrangiert und gespielt vom Musiker Mathias Weibel, Melodien von Haydn, Bach, Chopin, Mozart und lediglich als kleine Referenz an die musikalischen Reisen ins Unterbewusste der 1960er eine spanisch gesungene Version von «Because» der Beatles.
Luz versucht gar nicht, das Phänomen LSD umfassend darzustellen. Die Hippie-Bewegung der 1960er und 70er kommt ebenso wenig vor, wie der Drogenpapst Timothy Leary oder die politische Vereinnahmung der Droge. Das Projekt beschränkt sich auf den Akt der modernen Alchemie, darauf, dass in akribischer Forschungsarbeit eine Substanz entdeckt wird, die aus dem streng wissenschaftlichen Rahmen des Chemielabors in geheimnisvolle Sphären führt, die noch nie ein Mensch zuvor betreten hat.
Die legendäre Velofahrt
Als Grundlage für «LSD – Mein Sorgenkind» dient die gleichnamige Beschreibung der legendären Velofahrt, die Hofmann im Frühling 1943 nach einem Selbstversuch mit der Substanz unternommen hat. Es ist der Versuch, mit wissenschaftlicher Akribie einen Bewusstseinszustand zu beschreiben, der die Grenzen der wissenschaftlichen Beschreibbarkeit überschreitet.
Thom Luz und sein Ensemble von Chemikern und Laboranten (Carina Braunschmidt, Mario Fuchs, Wolfgang Menardi, Daniele Pintaudi, Mathias Weibel und Leonie Merlin Young) haben hierfür eine wunderbare audiovisuelle Bildwelt gefunden, die vom routinierten Laboralltag in die geheimnisvollen neuen Sphären führt.
Kanon-Tanz um die Klaviere
Staunend verfolgen die Zuschauerinnen und Zuschauer ebenso wie die Forscherinnen und Forscher auf der Bühne, wie sich die Grenzen der Bewusstseinsnorm auflösen. Das beginnt sehr zurückhaltend, wenn der Moog-Synthesizer, der hier Laborgerät ist, aus einem undefinierbaren Rauschen plötzlich Stimmen und Musik aus fernen Welten einfängt. Und das strebt seinem Höhepunkt zu, wenn aus einem Klavier, aus dem Papierbahnen mit Farbtupfern in den Himmel wachsen, sechs werden und sich das Ensemble im wachsenden Wald von hängenden Papierfahnen zum Kanon-Tanz um und auf den Quartieren aufschwingt.
Nein, eine Bewusstseinserweiterung bringt der knapp anderthalbstündige Abend nicht. Auch keine umfassende Kulturgeschichte von LSD. Aber man verlässt das Theater in der Befriedigung, einer wundersam-skurrilen und höchst vergnüglichen Entdeckungsreise beigewohnt zu haben in theatralische Sphären, die noch nie ein Zuschauer zuvor betreten hat.