Eintauchen in das Leben des Jacques Cousteau und seine Unterwasserwelt

Der Kinofilm «L’Odyssée» lässt uns in die Welt des Meeresforschers Jacques-Yves Cousteau (1910-1997) eintauchen. Jérôme Salle versucht ihn in seinem Biopic als Familienvater wie auch als Filmemacher und Forscher zu erfassen. Und verliert bei allem Pathos den Fokus. Man hätte sich gewünscht, dass er noch tiefer bohren würde.

Tauchpionier Cousteau, dargestellt von Lambert Wilson.

Der Kinofilm «L’Odyssée» lässt uns in die Welt des Meeresforschers Jacques-Yves Cousteau (1910-1997) eintauchen. Jérôme Salle versucht ihn in seinem Biopic als Familienvater wie auch als Filmemacher und Forscher zu erfassen. Und verliert bei allem Pathos den Fokus. Man hätte sich gewünscht, dass er noch tiefer bohren würde.

Er hat den Schutz der Meere und ihrer Lebewesen vorangetrieben: Jacques-Yves Cousteau. Der Franzose (1910-1997) hat das Flaschentauchen nach dem zweiten Weltkrieg populär gemacht: Indem er sich mit seinem Schiff Calypso aufmachte, in die Weltmeere, um das Verhalten von Unterwasser-Fauna und -Flora zu erforschen. 

Während andere die Entdeckung neuer Planeten faszinierte, zog es ihn immer in die Tiefe. Cousteau sah die Zukunft der Menschheit im «Homo aquaticus» – so verkaufte er zumindest seine Utopie einer bewohnten Unterwasserwelt, was aus heutiger Sicht an die Ausstattungsideen eines James-Bond-Films erinnert.

Denn auch das war er: ein brillanter Vermarkter seiner Ideen, seiner Erfindungen. Ein Exzentriker, der seine Crew und sich mit roten Mützen ausstattete – und sich sein Geld ebenso mit TV-Dokumentationen verdiente wie mit Gesteinsproben für Ölfirmen. Ein Schwärmer, der die Erlebnisse auch mal zu seinen Gunsten zurechtrückte, der abenteuerliche Geschichten erzählte – und verkaufte. So wie diese hier:

In seiner französischen Heimat wurde Cousteau mehrfach zum populärsten Einheimischen gewählt. Umso mehr erstaunt es, dass es so lange dauerte – der Forscher starb 1997 – bis sein Leben verfilmt wurde. Späte Ehre also. Dafür aber auch mit stolzen Mitteln:

35 Millionen Euro soll das Budget betragen haben, mit dem Regisseur Jérôme Salle operieren konnte. Für europäische Verhältnisse eine sensationelle Summe, die unter anderem für Reisen an Originalschauplätze, darunter die Antarktis, eingesetzt wurde. Cousteaus intensives Leben – er war Marineoffizier, machte sich selbständig, wurde Meeresforscher, Filmemacher, Unternehmer – wird von den 50er- bis in die 70er-Jahre aufgerollt. 

Die Handlung driftet hin und her

Man wird den Eindruck nicht los, dass sich Salle nicht richtig entscheiden konnte, worauf er sich konzentrieren wollte: Auf den charismatischen Erfinder (Pionier Jacques-Yves Cousteau)? Auf die abenteuerlichen Reisen (exotische Destinationen, tiefe Tauchgänge)? Auf die konfliktreichen familiären Beziehungen (abwesender Vater, untreuer Gatte)?

Der Film, als Biopic aufgezogen, lässt uns nicht nur ins Submarine eintauchen, er driftet mit seinem Fokus auch zwischen Familienmitgliedern hin und her, schaukelt vom Patriarch zu seinem designierten Nachfolger, Sohn Philippe, streift die einsame Mutter (blass: Audrey Tatou) sowie den farbloseren Bruder und die gesichtslose Crew.

Diese Unentschlossenheit des Regisseurs und die Unvollständigkeit im Biografischen trüben das Sehvergnügen. Dem Film gelingt es nicht wirklich, Cousteaus Ansporn herauszuschälen: Was trieb diesen Mann eigentlich an? Glaubt er wirklich an seinen «Homo aquaticus»? Man weiss es auch nach zwei Stunden nicht. 

Schön gefilmt, schöngefärbt aber auch

Getrübt wird der Eindruck auch dadurch, dass einige biografischen Eckpunkte am Rande abgeschliffen wurden, was verharmlosend wirkt. Dass Cousteau seine Filme inszenierte und nicht immer mit Respekt gegenüber der Natur auftrat, hat Regisseur Salle grösstenteils ausgeblendet. Und dass Cousteau für seine Aufnahmen angeblich Kliffe sprengte und Haie massakrierte, auch das erfährt man hier nicht. Es scheint, als wollte man ihn nicht allzu sehr vom Sockel runterholen.  

Immerhin schimmert durch, dass Cousteau zur Finanzierung seiner Expeditionen mit Ölbohrfirmen zusammenarbeitete: 1954 etwa lieferte er an der Küste vor Abu Dhabi Gesteinsproben, im Auftrag von BP, die neue Ölplattformen bauen wollte.

Cousteaus Zweischneidigkeit schimmert bestenfalls durch, stärker gewichtet wird aber sein Verdienst: Dass die Meeresforschung und der Umweltschutz sich von der finanziellen Abhängigkeit (und Beeinflussbarkeit) durch Grossfirmen loslösen konnte und bedeutend unabhängiger agiert als noch vor 50 Jahren. Das ist auch tatsächlich grosses Kino, ebenso die Unterwasseraufnahmen, die in diesem Film die Stille und Grandezza der Unterwasserwelt wiedergeben. Allerdings muss man sagen: Das tun heute Naturdokus der BBC auf noch eindrücklichere Weise.  

Das Fazit

So faszinierend Cousteaus reisefreudiges Leben gewesen sein muss: Das Biopic wird seinem Titel «L’Odyssée» auch im negativen Sinn gerecht. Der Film gibt zwar verschiedene Einblicke ins Universum Cousteau, aber nicht ganz so tiefe wie man sich wünschen würde.

Was die kuriose Darstellung des Exzentrikers angeht, so behält man am Ende Wes Andersons freiere (aber auch vergnügsamere) Interpretation von Cousteaus Wirken in besserer Erinnerung: Der US-Regisseur hat mit seinem Spielfilm «The Life Aquatic» Jacques Cousteau en passant ein Denkmal gesetzt, das sich eigentlich in Sachen bizarre Unterhaltung gar nicht toppen lässt.

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«L’Odyssée» läuft derzeit im Kino Atelier

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