Sharon Jones & The Dap-Kings brachten mit einer geballten Ladung Soul die Kaserne am Montagabend zum Kochen. Eine musikalische Zeitreise, zurück in die Zukunft.
Eine Frau, noch eine, noch eine und noch eine: bei der Zugabe tanzen plötzlich acht Frauen mit Sharon Jones auf der Bühne in der Kaserne um die Wette. Die «Queen of Funk & Soul» zelebriert den Power des Soul: Mit ihrer Stimme, ihrem Rhythmus in den Füssen, ihren Bewegungen der Arme, Beine und Hüften.
Am Montagabend war eines allgegenwärtig: Sharon Jones reibeisige Stimme, ihr Gesang ist ein körperlicher und sinnlicher Akt, der Grosses enstehen lässt. Müsste man sie charakterisieren, würde man Legenden wie Tina Turner, Aretha Franklin und James Brown in einem Atemzug nennen, um den Soul, den Funk und die Energie der in Georgia geborenen Sängerin zu beschreiben.
Reise mit der Zeitmaschine
Und so nimmt uns Jones mit ihrer «Zeitmaschine», dem Soul, auf eine Reise in die Vergangenheit mit. Man wähnt sich im Jahre 1965 in Harlem im legendären Appollo-Theater. Frenetisch jubelt und tanzt das Kleinbasler Publikum. Kleinbasel, Kaserne? Für diesen Abend vergass das stolze Basel für einmal, wer es war. Und gab sich der rund zweistündigen «Super-Soul-Review» von Sharon Jones & The Dap-Kings hin.
Ebenfalls eine Wucht: «The Dapettes», die zwei Background-Sängerinnen. Beide kommen auf die Bühne, legen einen Motown-würdigen Soulsong hin und beziehen dann im Hintergrund Position. Geladen, mit viel «spirit» gezündet sind auch ihre kurzen Shouts und Responses – die beiden sind exquisite Sängerinnen, die ihrer Freundin Jones die Hand in jedem Song wieder von Neuem reichen.
The Dap-Kings, die als Amy Winehouses Studio- und Backingband massgeblich am Retro-Sound und Welterfolg ihres zweiten Albums «Back to Black» (2006) beteiligt waren und so ein Revival der analogen Soundästhetik in der Musikwelt auslösten (Duffy, Adele etc.), spielen knackig, mit kurzen aber melodiösen Soli der Bläser-Section (Trompete, Tenor- und Baritonsaxofon) und sprühen musikalisch vor bejahender, bodenständiger Lebensfreude. Vor der Freude, die Amy Winehouse in ihren letzten Lebensjahren so dringlich gebraucht hätte.
Ältere Songs wie «100 Days, 100 Nights» (2007) oder «Better Things» und «She ain’t a child no more» von ihrem neusten Album «I learned the hard way» (2010) lassen keine Zweifel: Das hier ist weder «retro» noch «vintage», das ist originaler Soulfunk aus der damaligen Zeit. Die Zeitmaschine funktioniert.
«sex in the voice»
Wir Frauen, ab und an auch für unsere unnötigen Zickenkriege berüchtigt, sind an diesem Abend eins – eins mit Sharon Jones. Denn sie verkörpert und lebt Frauenpower, nicht wie wir es von (post-)feministischer Literatur her kennen, denn diese Kraft kommt nicht aus dem Kopf, sondern von einem anderen Ort: Von ganz tief unten. Aus dem Innern. Wir wollen es hier in unserem täglichen Onlinemedium die Beckengegend nennen. Nicht, das Ersteres heutzutage keinerlei Berechtigung mehr hätte. Nur träumen wir am Montagabend davon, dass Respekt und Gleichberechtigung nicht mehr zur Diskussion stehen, sondern zum alltäglichen Leben aller gehören.
Wie sagte einmal eine Soulsängerin in Boston, die eine strenge Lehrerin noch dazu war: «This is the sex in your voice». Ah, so. Damals mit grünschnabeligen 17 Jahren, kapierte man trotz ganz ordentlichen Englischkenntnissen nicht das volle Ausmass ihrer Botschaft. Dazu sollte es nochmals knapp 17 Jahre dauern, nämlich just bis zum Konzerterlebnis von Sharon Jones & The Dap-Kings am Montagabend.
Besonders am Herzen gelegen
Das Publikum liegt der 56-jährigen Sängerin besonders am Herzen: Waren es während der Zugabe die Frauen, die eine nach der anderen auf die Bühne und kurz darauf mit kurzen Solo-Tanzeinlagen von der Bühne geführt wurden, sind ein anderes Mal die Herren der Schöpfung an der Reihe. Für deren drei gibt es an diesem Abend eine Art Feuertaufe. Wer tanzt mit Lady Jones, wer hält ihrem herausfordernden Blick stand, wer lässt die Hüften in ihre Richtung Kreisen? Die Antwort auf diese Frage ist unterschiedlich: der eine ist eher schüchtern, der andere gibt sich als Kavalier, der dritte mimt den Draufgänger.
Von ihren Ahnen singt Sharon Jones, die von Westafrika in die USA als Sklaven verschleppt wurden, und deren Tanz sie barfuss aufs Bühnenparkett bringt. Von der Diskriminierung in «Longer and stronger», die sie als junge Sängerin auf der Suche nach einem Plattenvertrag erfahren musste, weil sie zu dick, zu klein, zu dunkelhäutig gewesen sei. Vielleicht begeistert ihre kraftstrotzende Individualität heute darum umso mehr.
Was, wenn alle Frauen der Welt mit 56 Jahren noch so eine unbändigende Lebensenergie und ekstatische Kraft besässen? Auch wenn man nichts mit Gospel am Hut hat, so wie Sharon Jones, die ihre gesanglichen Anfänge in einem Kirchenchor machte – dann Gnade uns, äh euch, Gott!