Elvis Costello: Der Grosskünstler als Alleinunterhalter

Er hat mit den Grossen der Popmusik gespielt, nach Basel kam er ganz ohne Begleitung. Elvis Costello beglückt sein Publikum als Troubadour mit unschlagbaren Songs und hart geschlagener Gitarre.

Er selber fand seinen Auftritt nicht gelungen. Doch Elvis Costello überzeugte in Basel mit grossen Songs und entschlossenem Spiel. (Bild: Dominik Plüss)

Zur Zugabe wird Elvis Costello von Baloise-Session-Präsident Matthias Müller und CEO Beatrice Stirnimann auf die Bühne begleitet. Die Veranstaltung vergibt ihre eigenen Preise und überreicht heute Abend den «Musician’s Musician Award». Die Baloise Session ehrt Elvis Costello. Als wäre es nicht umgekehrt: Elvis Costello beehrt Basel mit seinem Besuch.

Als er die Trophäe in Händen hält, begibt sich Costello erstmals an diesem Abend hinters E-Piano und vergisst beinahe, fürs Preisübergabe-Foto zu posieren. Als er schliesslich sitzt, entschuldigt er sich beim Publikum, dass er heute leider nicht gut gespielt habe. Dann singt er «Shipbuilding», eine Meditation über den Falkland-Krieg aus dem Jahr 1982, die jeden rührt, der ein Herz zum Fühlen hat.

Tom Waits in dickwandiger Watte

Begonnen hatte der Abend drei Stunden zuvor mit dem Auftritt von Rebekka Bakken. Die Norwegerin ist ein Star des zeitgenössischen Jazz und veröffentlichte dieses Jahr mit der hr-Bigband unter dem Titel «A Little Drip of Poison» ein Album mit Tom-Waits-Interpretationen.

Sie setzt sich an den Flügel und beginnt mit «Time», einem der schlichtesten und schönsten Waits-Songs überhaupt. Bevor das Lied zu Ende ist, setzt Langeweile ein. Danach tritt die Band hinzu und macht mit Waits, was Profi-Jazzer halt mit Waits so machen. Und der Mischer packt den Sound in dickwandige Watte.

Rollenspiel in der Multifunktionshalle

Zwischendurch spielt Bakken auch mal einen eigenen Song und bettet ihn in eine Decke aus melancholischen Kuschelklängen, die seit den Achtzigern nicht mehr richtig gelüftet worden ist. Da hilft auch kein anzügliches Lied gegen Ende des Sets, das sie ihrer Mutter zuliebe eigentlich nicht spielen sollte.

Rebekka Bakken ist eine virtuose Vokalistin, ohne Frage, doch was sie hier abliefert, ist reines Rollenspiel. Es passt gut ins Ambiente aus Kerzen, Klubtischen und Multifunktionshalle.

Eine Gitarre lässt die Wände wackeln

Nach der Umbaupause entert Elvis Costello die Bühne im Laufschritt. Zur Begrüssung haut er «45» raus, das Eröffnungsstück des Albums «When I Was Cruel», das ihn 2002 nach mehrjähriger Pause zurück auf der Höhe seiner Kunst zeigte. Ohne viel Federlesen schwenkt er anschliessend mit «Either Side Of The Same Town» ins Lyrische und schwingt die Stimme kraftvoll in die Höhe.



Kein feinsinniges Gezupfe: Die Gitarre zeigt, dass Elvis Costello seine Songs gern auch mal roh raushaut.

Kein feinsinniges Gezupfe: Die Gitarre zeigt, dass Elvis Costello seine Songs gern auch mal roh raushaut. (Bild: Dominik Plüss)

Über 300 Songs hat Costello geschrieben und so herrscht heute kein Materialmangel. Meist streicht, zupft und schlägt er eine akustische Gitarre, eher simpel, aber mit einer Intensität, dass die Wände wackeln. Das ist kein Songwriter-Geschrummel, sondern Bamm-Bamm-Bamm. Dazu singt und pfeift Costello und wenn mal ein Griff daneben oder einer Silbe am Mikrofon vorbei geht – wen kümmerts.

Costellos Stimme scheint aufs erste Hinhören ungeeignet zum Singen und doch trägt sie auch gewagte Melodiebögen.

Mit wem hat dieser Mann neben seiner Stammband The Attractions, später The Imposters, nicht alles gearbeitet: Paul McCartney, T-Bone Burnett und Allen Toussaint, Burt Bacharach, Lucinda Williams und Emmylou Harris, das Brodsky String Quartett, Anne Sophie von Otter und zuletzt The Roots. Heute ist er ganz allein da und spielt seine Lieder, eins besser als das andere und zwischendurch erzählt er einen Schwank aus seinem Leben. Ein Troubadour.

Nach einer halben Stunde setzte er sich hin und singt ein Lied für Frau und Kinder daheim. Jeder Andere würde sich damit der Fremdschäm-Schranke nähern, doch Elvis Costello ist nicht jeder Andere, sondern der vielleicht letzte Grosskünstler der britischen Popmusik.

Alleinunterhalter auf Konfrontationskurs

Unfassbar bleibt, dass er als Sänger derart berührt. Denn die Stimme ist seit jeher brüchig; sie scheint aufs erste Hinhören ungeeignet zum Singen und trägt doch auch gewagte Melodiebögen. Er schafft es, ein Stück mit dem Titel «When I Was Cruel» zärtlich klingen zu lassen. Sogleich schiebt er «She» hinterher, jener Heuler, der im Film «Notting Hill» Hugh Grant zu Julia Roberts trieb.



Zwischen den Songs beweist Costello Showman-Qualitäten.

Zwischen den Songs beweist Costello Showman-Qualitäten. (Bild: Dominik Plüss)

Dann ist es Zeit für eine Gitarre, die unter Strom steht. «Watching The Detectives», ursprünglich eine reggaefizierte New-Wave-Nummer wird auf verzerrte Akkorde reduziert. Costello nutzt nun ein Loop-Gerät und allerlei Effekte, bis die Amps so fies fiepen, dass es eine Weile braucht, bis er den Lärm gezügelt hat. Die Konfrontation scheut der einst als giftig bekannte Musiker auch als Alleinunterhalter nicht.

Das böse Möbel vor der Brust

Wo er gerade so rüde mit seinen Hits zugange ist, reicht Costello «Alison» nach. An sich ein wunderbares Liebeslied, doch trägt er noch immer das böse Möbel vor der Brust, das bei der leisesten Berührung brummt und anständige Anschläge mit Dröhnen und Brüllen beantwortet. Besser kann es nicht werden. Costello geht ab.

Vielleicht meinte es der Musiker als Witz, als er seinen Vortrag nach der Preisübergabe abqualifizierte, womöglich war er tatsächlich unzufrieden mit seinem Spiel. Der Zuhörer indes verlässt den Saal beglückt von Elvis Costello und dem Triumph der Musikalität über die Virtuosität.

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