Bryan Ferry vermag noch immer zu begeistern, mit seiner Ausstrahlung, seinem Charme, seinem schmachtenden Vibrato. Sein Basler Konzert zeigte aber auch: Der Mann hat zu viel Zeit in den Spas der 5-Sterne-Hotels verbracht. Zwischen den Knaller-Songs liess er es ordentlich plätschern.
Da springt er auf die Bühne, mit einer leichtfüssigen Lässigkeit, die er so zum Markenzeichen gemacht hat wie sein schillerndes Modebewusstsein und sein sehnsuchtsvolles Vibrato: Bryan Ferry. Sänger, Songwriter, Stilikone.
Der Brite lanciert sein Gastspiel an der Baloise Session mit einer fulminanten Version von «Re-Make/Re-Model» und macht von Beginn weg klar, dass er keine Berührungsängste hat, was seine erste Gesangs-Karriere, damals, in den aufregenden 70er-Jahren, angeht. Denn wo Bryan Ferry draufsteht, war schon immer Roxy Music drin. Und umgekehrt.
Da steckt viel Roxy Music drin
Das manifestiert sich am Anfang und am Ende des Konzerts besonders deutlich: So locker, wie ein Bryan Ferry seine Blazer wechselt, changiert er zwischen Solo-Hits («Slave To Love») und Roxy-Music-Klassikern («Ladytron»). Dabei bleibt er sich selbst treu und auch seinem Scheitel. Dieser ist leicht graumeliert, ansonsten aber lässt er sich sein Alter – 69 – nicht anmerken.
Er wisse sich jung zu halten, sagte er mal, in Anspielung auf seine damalige Freundin, die ihm sein – räusperräusper – Sohn vorgestellt hatte. Sie war 38 Jahre jünger – und später auch seine Ehefrau. War. Denn Ferry hat gerade die Scheidung hinter sich. Nicht auszudenken, was vor der Bühne passiert wäre, wenn sein Single-Status den anwesenden Manager-Gattinnen vertraut gewesen wäre. So sassen sie unwissend und brav, ja anfänglich gar sehr zurückhaltend an den Tischchen und klimperten lediglich mit den Juwelen.
Bob Dylan mit schmachtendem Vibrato
Aus den Stühlen riss er sie erst später, mit dem Schlussbouquet, dem umwerfenden «Love Is The Drug» und den, durch seine Coverversionen noch berühmter gewordenen Klassikern «Let’s Stick Together» und «Jealous Guy». Lieder von anderen zu interpretieren, auch davor hat er sich nie gescheut.
Und nur wenige können einen Bob-Dylan-Klassiker mit schmachtendem Vibrato singen («Don’t Think Twice It’s Alright»), ohne dass es peinlich wirkt. Er kann es. Und er kann auch Mundharmonika spielen. Und Orgel. Finger schnippen. Fliege lösen. Und eine Band zusammenstellen, die man gerne ansieht und anhört.
Coolness und Dramatik
Diesmal etwa einen fantastischen afroamerikanischen Chor (zwei Sängerinnen, ein Sänger), eine Schlagzeugerin, Saitenmänner (Pink Floyds Guy Pratt am Bass) und eine multitalentierte Saxofonistin und Keyboarderin (Jorja Chalmers), die auch in bester Andy-Mackay-Manie Oboe spielen kann, ganz besonders herausragend in «Ladytron», einem der Highlights an diesem Abend, ja, überhaupt einem der schönsten Songs der gesamten Glamrock-Aera.
Von der eleganten Kastagnette über die zweistimmigen Gitarre bis zu den treibenden Dschungelrhythmen enthält das Stück Coolness und Dramatik dieser Zeit – und vermag noch immer zu betören. Da geht einem das Herz auf, vielleicht auch, weil Pop und Rock einfach hörbar aufregender war als heute.
Natürlich stellt sich bei einem Auftritt von Bryan Ferry immer die Frage nach dem Look, nach dem Outfit, gehört der Brite doch zu den grossen Dandys der Popmusik. Ein Mann mit Stil, ein Mann von Welt, der am Vortag an der Verabschiedung von Adam Szymczyk gesichtet wurde und vor seinem Konzert in der Fondation Beyeler Kunst anschaute.
Gute Songs dürfen fordernd und fingerschnippend sein
Was Ferry auf der Bühne einmal mehr überzeugend demonstriert: Gute Songs dürfen zugleich fordernd und fingerschnippend sein. Er liefert ein Plädoyer für anspruchsvollen Pop, für intelligente Cocktailmusik: In Songs wie «More Than This» überschneiden sich die letzten Atemzüge von Roxy Music und der Peak seiner Solokarriere.
Dass er dieser allerdings als Songwriter nicht mehr zwingend Neues hinzuzufügen hat, erfährt man zur Konzerthälfte: Ferry serviert Kostproben seines kommenden Studio-Albums, doch wirkt «Loop de Li» schon vor der Veröffentlichung datiert, wie aus den 80ern. Netter gesagt: Er bleibt sich auch hier treu.
Als hätte er zuviel Zeit in 5-Sterne-Spas verbracht.
Weniger verzeihlich insgesamt ist der dramaturgische Durchhänger in der Setliste. Ferry reiht nach 45 Minuten zu viele plätschernde, vernachlässigbare Songs aneinander. Es scheint, als hätte er doch zu viel Zeit in den Spas der 5-Sterne-Hotels verbracht, denn so ätherisch nichtig wie Massageraum-Musik klingt auch das Roxy-Instrumental «Tara», das völlig verkitscht gerät, mit spanischer Gitarre, Clayderman-Piano und Hall-Oboe.
Da hätten wir dann doch lieber «Dance Away» gehört. Oder «Oh Yeah» (den viele Leute durch die Refrainzeile kennen: «There’s a band playing, on the radio …»). So aber serviert er uns zur Konzerthälfte viel Fahrstuhlmusik, die eher nach unten zieht.
So viel zum einzigen Wermutstropfen in diesem Musik-Cocktail. Vielleicht spart sich Ferry diese Klassiker ja auf, für eine nächste Roxy-Music-Reunion. Diese führte ihn vor rund zehn Jahren schon mal ans «Stimmen»-Festival. Wer weiss, vielleicht doppelt er ja demnächst auch in Lörrach nach; schön wär’s.
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Ferrys früheren Basler Auftritt, an der AVO Session 2003, gibts übrigens hier in voller Länge: