Es harzt mit der Förderung

Sie soll den Standort stärken, doch die «Initiative Kreativwirtschaft Basel» hat ein Kommunikationsproblem.

Zähe Angelegenheit: Von der Unterstützung durch die «Initiative Kreativwirtschaft Basel» profitieren bislang nur wenige. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Sie soll den Standort stärken, doch die «Initiative Kreativwirtschaft Basel» hat ein Kommunikationsproblem.

Der Anfang war vielversprechend. 2010 erkannte das Basler Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA), dass die Kreativszene ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für den Raum Basel ist. Und es beschloss, diese mittels der «Initiative Kreativwirtschaft» (IKB) zu fördern.

Diesem Entscheid vorausgegangen war eine umfangreiche Studie zur Basler Kreativwelt im eigenen Auftrag, erstellt von Kulturunternehmer Raphael Rossel, einem Vertreter der lokalen Szene, der gleich als Geschäftsführer der IKB eingesetzt wurde. Ihm zur Seite gestellt wurde ein insgesamt siebenköpfiges, Board genanntes Gremium unter der Leitung von Ex-Expo-Leiter Martin Heller. Nun, im Herbst 2012, hagelt es von allen Seiten Kritik an dieser Initiative. Aus der Szene kommen Klagen, und durch eine Interpellation von SP-Grossrat Tobit Schäfer wurde auch die Politik eingeschaltet. Was ist passiert?

Eine Million stellte das AWA für eine dreijährige Projektphase zur Verfügung, eine auf den ersten Blick stolze Summe. Zieht man davon jedoch die Kosten für Verwaltung und Beschäftigte ab, bleibt für Projektbeiträge konkret noch weniger als die Hälfte des Geldes übrig. Bereits hier setzte erste Kritik ein: Geschäftsstelle und Board-Leitung seien mit 100 000 bzw. 30 000 Franken pro Jahr überbezahlt, war einer der Kritikpunkte. Ein Grossteil der Förderarbeit geschieht jedoch auch unsichtbar in den Arbeitsstunden der Geschäftsstelle und Board-Mitglieder, was diese Ausgaben rechtfertige, lässt sich Wirtschaftsminister Christoph Brutschin verlauten.

Und trotz aller Kritik: Geld ist Geld, und wo vorher keines war, nimmt man jeden Franken mit Handkuss. So freuten sich die Kreativen allseits über dieses Regierungsgeschenk. Doch ebenso gross ist nun in Teilen der Szene die Enttäuschung darüber, dass die Förderung der IKB nicht alle im selben Mass erreicht.

Das Problem beginnt damit, dass die Kreativwirtschaftswelt zu disparat ist. Werbemarkt, Musik- und Filmwirtschaft zählen ebenso dazu wie Designwirtschaft, Architektur oder die Games-Industrie. Wo sollte man da als Förderinstitution seriöserweise ansetzen? «Die Regierung beschränkte die Förderung auf die Segmente Architektur und Design», sagt Raphael Rossel. Dabei handelt es sich um jene Felder der Kreativwirtschaft, welche in Basel die meisten Beschäftigten verzeichnen – nämlich rund 4000 der insgesamt 11’000 Kreativschaffenden.

Kein nationales Vorbild

Diese Beschränkung hält das Risiko der Verzettelung in Grenzen. Denn vor zwei Jahren, als die IKB den Betrieb aufnahm, startete man aus dem Nichts. Board und Geschäftsleitung mussten sich erst einmal daranmachen, Kriterien zu finden für die ideale Förderung. Vorbilder gab es nur aus dem internationalen Raum – in der Schweiz kennt man zwar Kulturförderung, doch genau darum gehe es bei der IKB nicht, betont Rossel: «Wir betreiben Wirtschaftsförderung.» Dieser Unterschied sei leider heute immer noch nicht allen klar.

Nach und nach wurde in den Board-Sitzungen der IKB ein Weg zur Bewältigung der Aufgabe gesucht, dabei lief die Zeit schon gegen sie – denn die ersten Anfragen lagen schon vor, bevor die IKB mit der Arbeit begann. So kam es auch, dass die Kriterien einmalig erweitert wurden. Als Lernprozess bezeichnen dies die IKB-Verantwortlichen, in der Szene jedoch sprach man schnell von Intransparenz. Man wisse gar nicht, mit was für Projekten man sich bewerben könne, wurde moniert.

Raphael Rossel nimmt diese Kritik an, sagt aber auch, dass man jederzeit zum Telefon greifen könne: «Es geht auch darum, dass wir gemeinsam die Bedürfnisse herausfinden.» In der Kommunikation haperte es, ein Teil der Szene zog sich zurück, was sich auch in einem Mangel an Projekteingaben bei der IKB spürbar machte: Gerade mal 25 sind in den letzten anderthalb Jahren dort eingegangen. Eine Zahl, die alle überrascht und die Rossel sich damit erkärt, dass das System noch nicht eingespielt sei: «Gerade im Bereich der Designförderung ist auch der Umgang mit Wettbewerben noch nicht eingeübt.»

Die wenigen Eingaben machen es für die IKB wiederum schwierig, die Bedürfnisse der Szene kennenzulernen. Ein Teufelskreis, den sie nun zu lösen versucht, indem sie vor allem konkrete Wettbewerbe und Ausschreibungen lanciert. Und sich damit erneut der Kritik aussetzt.

Einseitige Ausrichtung

Diese Ausrichtung sei zu einseitig, meint etwa Angie Ruefer (Kulturbüro, Reh4). Und Jan Knopp, Dozent am Hyperwerk der Fachhochschule Nordwestschweiz, ergänzt: «Auch ganz junge Büros brauchen Förderung. Gerade diejenigen, die nicht die Zeit und das Geld haben, extra Projekte zu entwickeln, um an einem von der IKB ausgeschriebenen Wettbewerb teilzunehmen.» Die Möglichkeit, freie Projekte einreichen zu können, von denen es in den Schubladen diverser Büros genügend gebe, sei deshalb für den Nachwuchs unverzichtbar. Die IKB jedoch will künftig die Projektförderung den Kulturförderstellen überlassen. «Wir geben zu, dass wir hier Erwartungen geweckt haben, die wir nicht erfüllen wollen», sagt Rossel.

Auch Moritz Walther vom «Depot Basel», einer Plattform für kontemporäre Gestaltung, bemängelt, dass die IKB sich nicht um den Nachwuchs kümmere. Stattdessen fördere sie bereits arrivierte Unternehmen. Tatsächlich findet sich auf der Liste der bis anhin geförderten Projekte und Unternehmen unter anderem ein Beitrag von 10’000 Franken an die Architekturbüros HHF und Christ & Gantenbein – Letztere bauen gerade den Erweiterungsbau des Kunstmuseums Basel. Das Geld wurde von der IKB gesprochen für ein Projekt, das die beiden Büros an der Architektur-­Biennale in Venedig aufgleisten. «Damit wurden jedoch keineswegs die vollen Kosten gedeckt», sagt Simon Frommenwiler von HHF Architekten. «Es handelte sich lediglich um einen Beitrag. Ohne diesen hätten wir das Projekt, für das wir von der Biennale angefragt worden waren, gar nicht stemmen können.»

Die Architekten hatten Glück. Ihr Projekt passte ins Anforderungsprofil der IKB: zwei international tätige Büros, die etwas planen, das an einem für die internationale Architekturszene relevanten Ort Werbung für den Kreativwirtschaftsstandort Basel macht. «Den Beitrag der IKB verstehen wir auch als Anerkennung für das, was wir leisten», sagt Frommenwiler.

Diese Form der Förderung ist für die IKB zentral. «Es geht nicht nur darum, die lokalen Binnenstrukturen zu stärken», sagt Rossel, «man muss auch bereits Funktionierendes am Laufen halten, weil dadurch eine Zugkraft entstehen kann.» Frommenwiler pflichtet dem bei: Er verstehe nicht, warum etwas in der Wahrnehmung an kulturellem Wert verliere, sobald es als arriviert gilt.

Jan Knopp kann diese Argumentation nachvollziehen, konstatiert aber, dass es der IKB offenbar weniger um die Kreativszene gehe als um die Ausstrahlung der Stadt: «Eigentlich betreibt die IKB Standortmarketing.» Das zentrale Problem macht er – wie Ruefer und Walther auch – in der Kommunikation aus: «Die Art und Weise, wie die IKB fördert, ist legitim, aber dann soll es klar so definiert und kommuniziert werden. Dann weiss man, woran man ist.» Wie die Kritiker beklagt auch die IKB diesen Kommunikationsverlust. Und beide Seiten bezeichnen sich als offen für Gespräche. Zu Beginn fanden diese noch statt – seit Längerem aber nicht mehr.

Dass die IKB ein Kommunikationsproblem hat, wurde auch für die TagesWoche offensichtlich: Ein Gespräch mit Martin Heller, das Klarheit hätte schaffen sollen bezüglich der Arbeit der IKB, wurde aufgrund weiterer Recherchen unsererseits von Heller wieder zurückgezogen. Was bedauernswert ist, da offene Fragen darin beantwortet worden wären.

Und Klarheit wäre nötig, denn: «Die Szene und die IKB entfremden sich», sagt Moritz Walther. Und Jan Knopp ergänzt: «Wir dachten, die IKB würde uns eine Stimme geben und als Schnittstelle zwischen der Szene und der Stadt fungieren. Dieser Wunsch wurde nicht erfüllt.»

Hilfreiche Entlastung

Aber nicht alle mäkeln an der IKB rum. Lela Scherrer etwa. Die Mode­designerin kehrte 2010 nach zehn Jahren im Ausland nach Basel zurück, just als die IKB gegründet wurde. «Ich suchte Unterstützung, um hier ein Geschäft aufzubauen, und ich fand sie in der IKB», sagt sie. Sie nimmt beispielsweise das Pressemailing-Angebot der IKB wahr. «Die IKB hat mir die Pressearbeit für meine Showroom-Events in Basel, Zürich und Genf abgenommen. Das entlastet mich ungemein», sagt sie. Man müsse der IKB Zeit lassen für den Aufbau. «Das Projekt steckt ja noch in den Kinderschuhen.»

Ähnlich klingt es bei Rainer Kyburz. Der Produktdesigner, der zusammen mit seinem Bruder Tobias im Stellwerk im Bahnhof St. Johann ein Atelier betreibt, hat mit Hilfe der IKB dieses Jahr am Designwochenende «Kreislauf 4+5» in Zürich teilgenommen. Noch mehr hätten sie allerdings vom «Transfer»-Angebot der IKB profitiert: «Wir konnten den Zürcher Designer Jörg Boner treffen. Ohne Hilfe wäre uns das nicht gelungen», sagt er. Das Treffen, an dem die Brüder den bekannten Designer über dessen Erfahrungen ausquetschen konnten, habe sie darin bestärkt, ihre frischen Ideen weiterzuentwickeln.

Sowohl Scherrer wie Kyburz fragen sich, warum so wenige den Schritt auf die IKB zu machen. Ob sie schlicht den zusätzlichen Aufwand scheuen? Diesen Verdacht hegt auch Rossel. Er bleibt dabei, dass, wer sich interessiere, sich auch informieren könne: «Der Aufwand für viele unserer Angebote hält sich in Grenzen.»

Inzwischen hat die IKB ihren Förderkatalog geschärft (vgl. Box). «Er müsste jetzt verständlicher sein», sagt Rossel und hofft, wie die Exponenten der Szene, auf künftig mehr Eingaben. Denn mit der IKB hat Basel viel gewagt, mehr als Zürich etwa, wo auf die Förderung der Kreativwirtschaft verzichtet wurde. Jeder spricht von einem mutigen Projekt. Hier finden sich die IKB-Verantwortlichen und die Kritiker wieder: Alle fänden es schade, wenn die Regierung nach einer Evaluation Ende 2013 zum Schluss kommen würde, die Förderung der Kreativwirtschaft sei verzichtbar.

Die Förderformate der «Initiative Kreativwirtschaft»

– Showcases: Die IKB offeriert eine Plattform für die Teilnahme an Ausstellungen und Messen, z. B. Swiss Innovation Forum, Kreislauf 4+5 Zürich, Blickfang Basel/Zürich, Designer’s Saturday, Mode Suisse etc. Auf Einladung, mittels Ausschreibung oder auf Antrag.

– Transfer: Treffen mit einem ­eigens gewünschten Branchen- oder fachspezifischen Experten zum Coaching von Kreativunternehmen. Die Interessierten ­können vor dem Gespräch eine ­Eigenpräsentation und einen Fragenkatalog erstellen.

– Erfolgsgeschichten: Netzwerkanlass im Rahmen einer Gesprächsreihe unter Leitung von Martin Heller mit Erfolg­reichen aus Architektur und Design. Fragen wie der Umgang mit Kunden, Aufträgen usw. stehen im Vordergrund.

– Businessplan-Challenge: Gründer und KMU können ihre Gründungs-, Wachstums- und Expansionspläne durch PricewaterhouseCoopers nach ­vorgängiger Prüfung durch ­einen IKB-nahen Branchen­experten prüfen lassen.

– Input: Workshops und Fach­vorträge (geplant ab Frühling 2013). Themen sind: Internationalisierung, Rechtliches, Finanzierung, Import/Export, Personalfragen etc.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 16.11.12

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