Fauler Zauber: «Mumbo Jumbo» im Basler Schauspielhaus

«Mumbo Jumbo» heisst der Theaterabend von Far A Day Cage im Basler Schauspielhaus. Das bedeute so viel wie fauler Zauber, Brimborium oder Geschwafel, wird einem gesagt – was dem, was auf der Bühne zu sehen ist, eigentlich ganz gut entspricht.

Mumbo Jumbo auf zwei Bühnen (Bild: Judith Schlosser)

«Mumbo Jumbo» heisst der Theaterabend von Far A Day Cage im Basler Schauspielhaus. Das bedeute so viel wie fauler Zauber, Brimborium oder Geschwafel, wird einem gesagt – was dem, was auf der Bühne zu sehen ist, eigentlich ganz gut entspricht.

Einen Vorhang gibt es nicht. Also hat man vor Vorstellungsbeginn Zeit, das Bühnenbild (Stephan Weber) genau zu betrachten (in der Schluss-Viertelstunde des Abends hat man erneut Zeit für Betrachtungen, denn dann passiert nicht mehr viel). Eigentlich sind es zwei Bühnenbilder, genauer zwei Räume, die sich in einem 90-Grad-Winkel an einer Ecke berühren und zwei unterschiedliche Szenerien darstellen: eine gutbürgerliche Stube im 1940er-Jahre-Stil und ein billig möblierter Seminar-oder Therapieraum der Gegenwart mit Flipchart-Blättern an der Wand.

Das ist also die äussere Szenerie des Abends, die dem selbstdeklarierten Prinzip der im Schauspielensemble eingebetteten Gruppe Far A Day Cage ganz gut entspricht: «Ein typischer FADC-Abend (…) macht den Entstehungsprozess auf der Bühne sichtbar», ist im Programmheft zu lesen, «und hat Spass daran, mit den verschiedenen Ebenen und Meta-Ebenen seiner dramaturgischen Settings zu spielen.» Der Abend hat also gewissermassen Spass an sich selber, was aber noch nicht heisst, dass sich dieser auch auch auf das Publikum überträgt. Aber das Bühnenbild wirkt erst einmal vielversprechend.

Hokuspokus

Das Projekt trägt der Titel «Mumbo Jumbo». Das sei eine englische Redewendung, erklärt eine Stimme aus dem Lautsprecher, und bedeute so viel wie «Hokuspokus, fauler Zauber, Brimborium, bedeutungslose Sprache oder Geschwafel» (was für eine Steilvorlage für einen Verriss!). «Mumbo Jumbo», so erfährt man weiter, gehe auf eine westafrikanische Bezeichnung für einen Zauberer zurück, der die verstörten Geister der Ahnen verscheuchen könne, also «ein Ritual, das einen Konflikt lösen kann».

Also braucht es einen Konflikt, besser eine Person mit einem Konflikt. Und einen Zauberer. Dieser tritt als Klischeefigur eines guruhaften Therapeuten in schlecht sitzenden Klamotten und spiessiger Metallbrille (Julian Hackenberg) in Erscheinung beziehungsweise an die Rampe und bietet den Zuschauerinnen und Zuschauern seine Hilfe bei der Problembewältigung an. Ein Begleiter (Jesse Inman) übersetzt seine Ausführungen in irgend einen Inuit-Dialekt (oder sonst so eine Sprache), was ganz witzig wirkt, inhaltlich aber keinen Sinn ergibt.

Olli aus dem Zuschauerraum

Es ist nicht das letzte Mal an diesem fünfviertelstündigen Abend, dass sich die auf der Bühne an diejenigen davor richten. Denn auch das Theater ist letztlich ja nicht mehr als Ritual oder fauler Zauber, wenn man so will. Später am Abend wird das Publikum zum Beispiel aufgefordert, die Taschenlämpchen ihrer Smartphones aufleuchten zu lassen (keine Ahnung warum). Und es wird ein Paar, das den Zuschauerraum verlassen möchte, forsch zurechtgewiesen, dass es auf das falsche Stichwort reagiert habe (die echten Zuschauerinnen und Zuschauer, die wirklich rausgehen, kommen aber ungeschoren davon).

Zurück aber zum Beginn des Abends. Auf Aufforderung des Therapeuten tritt ein Mann namens Olli aus dem Zuschauerraum auf die Bühne und erzählt auf Baseldeutsch, dass zuhause zuviel gestritten werde und dass er seit drei Jahren nicht mehr mit seinem Vater gesprochen habe. Diesem Olli soll nun also geholfen werden. Per «Familienaufstellung nach Hellinger» (das ist im Programmheft nachzulesen), also einer Methode, bei der weitere Anwesende der Therapiegruppe (auch diese werden aus dem Zuschauerraum rekrutiert) stellvertretend die Rolle von Familienmitgliedern einnehmen.

Wilde Zeitsprünge

Oder besser die Rolle der Ahnen, denn es geht bei «Mumbo Jumbo» ja auch um «die verstörten Geister der Ahnen», die es zu verscheuchen gilt. Doch jetzt wird es kompliziert. Denn die Ahnen (Julian Hackenberg, Johannes Schäfer, Florian Müller-Morungen und Chantal Le Moign) bleiben nicht dieselben Figuren, sondern werden in mehr oder weniger wilden Zeitsprüngen selber zu deren Ahnen.

Diese Zeitsprünge gehen – vermutlich, denn so genau lässt sich das nicht nachvollziehen –  auf die voodooartigen Rituale zurück, welche die Figuren auf der anderen Bühnenebene vollziehen (Philippe Graff, Vera von Gunten, Silvester von Hösslin, Mareike Seidl, Stephan Weber und Jesse Inman). Es sind wilde Rituale in wilden Masken und Kostümen (Anne Buffetrille), die vor knapp zwei Jahren in der wundervoll-verschrobenen «Urwald»-Produktion am Theaterfestival Basel, als FADC noch als wirklich freie Truppe tätig war, erstmals zu sehen waren.

Zerfledderter Ablauf

Nicht weiter verwunderlich ist, dass sich die Grenzen der Ebenen zu verwischen beginnen, dass das Zeitgefüge durcheinandergerät. Auf einmal trifft der Sohn auf seine mit ihm schwangere Mutter, immer mehr landen die Figuren auf der falschen Ebene, das Chaos ist perfekt.

Als Anlage oder Grundkonzept mag dies ganz interessant klingen. Doch die FADC-Truppe und ihr Regisseur Tomas Schweigen scheinen ihrer eigenen Idee selber nicht so richtig vertraut zu haben. Anstatt das Spiel mit und zwischen den Ebenen mit der nötigen strukturellen und technischen Präzision durchzuziehen, werden mehr und mehr inhaltlich wenig erhellende Gags eingestreut, das Spiel mit dem Chaos wird selber zum chaotischen Spiel.

Am Schluss die grosse Leere

Mit der Frage, wie sich dieses chaotische Durcheinander zwischen den verschiedenen Ebenen und Meta-Ebenen zu einer nachvollziehbaren dramatischen Pointe führen lässt, scheinen sich die Theaterleute gar nicht mehr so richtig befasst zu haben. Nach etwas mehr als einer Stunde treten alle Figuren ab. Hinter der Bühne ist ein Getuschel über die Frage zu hören, wie man das Ritual mit Hilfe des Publikums nun zu Ende bringen könne. Dieses aber hat das Interesse am Geschehen zum einem grossen Teil bereits verloren.

Übrig bleibt allein der Bühnenbildner Stephan Weber. Zwischen den Spiel-Ebenen installiert er eine Sprengladung. Aber auch diese verpufft mit einem harmlosen Rauchwölkchen. Ein Bild, das den Abend als Ganzes eigentlich ganz gut beschreibt.

«Mumbo Jumbo»
Ein Theaterprojekt von und mit Far A Day Cage
Regie: Tomas Schweigen, Bühne Stephan Weber, Kostüme: Anne Buffetrille
Mit: Julian Hackenberg, Johannes Schäfer, Florian Müller-Morungen, Chantal Le Moign, Philippe Graff, Vera von Gunten, Silvester von Hösslin, Mareike Seidl, Jesse Inman und Stephan Weber
Die nächsten Vorstellungen: 12., 19., 22., 26., 28. und 31. Mai
Theater Basel, Schauspielhaus

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