Feinfühliges Psychogramm einer geheimnisvollen Stadtnomadin

Regisseurin Lisa Blatter zeichnet ein feinfühliges, zuweilen aber etwas arg ruhiges Psychogramm einer modernen Stadtnomadin. Ihr Film «Skizzen von Lou» ist vor allem wegen der starken Präsenz von Liliane Amuat sehenswert.

Liliane Amuat begeistert auf der Basler Bühne und im Schweizer Film. Hier in «Skizzen von Lou» von Lisa Blatter.

(Bild: 2:1 Film)

Regisseurin Lisa Blatter zeichnet ein feinfühliges, zuweilen aber etwas arg ruhiges Psychogramm einer modernen Stadtnomadin. Ihr Film «Skizzen von Lou» ist vor allem wegen der starken Präsenz von Liliane Amuat sehenswert, die man in Basel als Mitglied des Schauspielensembles kennt.

Immer wieder führt die Kamera ganz nahe an das Gesicht der jungen Frau heran. Lou heisst die Filmfigur, die von der 27-jährigen Liliane Amuat verkörpert oder vielmehr gelebt wird. Aber so nahe die Kamera an ihr dran ist, so unergründlich bleibt, was hinter der hübschen Fassade mit diesen grossen blauen Augen und den sinnlich vollen Lippen vorgeht. Ein leises Lächeln mischt sich mit einem Hauch Melancholie, Hingabe springt unvermittelt in Abwehr über. Und umgekehrt.

Diese Lou, deren Skizzen im Film von Lisa Blatter gezeichnet werden, ist eine moderne Stadtnomadin. Ein Rucksack und eine Bananenkiste benötigen ihr Hab und Gut, mit dem sie von Ort zu Ort zieht. Sommer in Zürich ist gut, weil die Limmat (oder ist es die Sihl?) wiederholt zum Bade lädt. Dann aber wieder weg. Nach Nepal, um bei einem Hilfsprojekt mitzutun.

«Ich sammle diese Momente im Leben, in denen man alles andere vergisst, wo man nur noch ist», hört man als Lous Gedankenstrang zu Beginn. Viel gesprochen wird nicht. Und wenn, sind die Dialoge kurz und so verinnerlicht genuschelt, dass man fast etwas froh ist, dass die schweizerdeutschen Aussagen in der Medienvorführung mit deutschen Untertiteln versehen sind.

Sinnliche Liebe, geistiger Abstand

Diese Lou trifft nun also im sommerlich-heissen Zürich auf den scheuen Künstler und Barmann Aro (Dashmir Ristemi). Und wie es so kommen muss, entwickelt sich eine Liebschaft. Keine Amour fou, sondern eine ausgesprochen sanftmütige, die sich nicht ganz so einfach abschütteln lässt, wie die Nomadin Lou das gerne möchte. Es kommt zu Konflikten zwischen Aro, der mehr Einblicke hinter die undurchdringliche Fassade möchte, und Lou, die keine Schuld an der Enttäuschung tragen möchte, die sie bei ihrem vorgesehenen Abschied auslösen könnte.

Es ist nicht der Plot, der einen während den 80 Minuten einnimmt. Das Geheimnis hinter Lous Verinnerlichung, das am Schluss gelüftet wird und über das psychologische Coming-out zum Happy End führt, wirkt etwas konstruiert und verschwurbelt. Es ist auch nicht die von harten Schnitten gebrochene Bedächtigkeit der Bilder, sondern die starke Präsenz vor allem der Hauptfigur, die fesselt.

Eine junge, grosse Schauspielerin

Das Basler Schauspielpublikum hat bereits das Glück gehabt, Liliane Amuat auf der Bühne erleben zu können. Sie gehört zum herausragenden neuen Schauspielensemble, das zusammen mit Direktor Andreas Beck nach Basel gekommen ist. In der Erinnerung hängen geblieben ist sie als die geheimnisvoll-laszive junge Frau Frida in Simon Stones grandioser Inszenierung von Ibsens «John Gabriel Borkman». Stone spornte sie zuletzt auch in Tschechows «Drei Schwestern» zu einer grossen Leistung an.

Auf der Leinwand kommt man nun viel näher an sie ran, was zum Schau-Erlebnis wird. Amuat hat für ihre Leistung als Nebendarstellerin in der Filmkomödie «Lotto» in Solothurn den Schweizer Fernsehfilmpreis erhalten. Für ihre Rolle als Lou gab es eine Nomination für den Schweizer Filmpreis, der am 18. März vergeben wird. Verdient hätte sie ihn.

_
«Skizzen von Lou», Film von Lisa Blatter; ab 2. Februar im Kult-Kino Atelier.

Nächster Artikel