Ferien am Meer

Im Film «Ni à vendre, ni à louer» fehlen die Worte. Und niemand vermisst sie.

Nichtstun, das ist Savoir-vivre! (Bild: Movienet Film GmbH)

Im Film «Ni à vendre, ni à louer» fehlen die Worte. Und niemand vermisst sie.

«Es gibt keine Gegenwart. Es gibt bloss eine Zukunft, die vorbeigeht.» Solch schöne französische Sätze legt Pascal Rabaté seinen Figuren gerne in den Comic-Mund. In «Ni à vendre, ni à louer» lässt er sie gar nicht erst zu Wort kommen. Konsequent verzichtet der Comic-Zeichner auf Texte und bringt uns stattdessen jenen wortlosen Strand ins Kino, an dem «Monsieur Hulot» seine ­«Vacances» verbrachte – als Hommage an Tati, aber auch in Fortsetzung seiner ­Bestandesaufnahme der französischen Zivilisation seiner Zeit: Es geht überall bergab. Ist es da nicht besser, wir treffen uns gleich unten – am Meer?

Nichts tun, während andere sich abmühen

Es fehlen weder schrille Bikinis, heisse Disco-Beats, coole Wellenreiterinnen noch Meerschaumschläger. «Ni à vendre, ni à louer» bietet von jenem aus der Mode gekommene Savoir-vivre an, das wir nicht nur im Urlaub schätzen: nichts tun und dabei anderen zuschauen, wie sie sich abmühen.

Liebevoll, karg und nur leicht verändert finden wir Tatis Welt wieder. Die Gegend ist etwas abgelebt. Die Restaurants sind mit dünnem Geschmack möbliert. Die Autos sind Schnäppchen. Die Feriengäste sind zahlreich heruntergekommen – ans Meer eben. Da irren verlorene Paare, schurkige Diebe, erlebnishungrige Bonvivants und gelangweilte Teenies durchs Bild. Da leben die Gegenstände, es sprechen die Requisiten. Ein Sturm legt alles quer. Ein Drachen macht sich selbstständig und bringt zwei Paare auf die Seitensprünge. Eine Domina macht Ernst mit dem Dominieren und erniedrigt einen Kunden mal wirklich nach Strich (!) und Faden.

Comic-Autor Rabaté lässt uns das Meer vergessen

Les «Vacances de Monsieur Hulot» waren Tatis Liebeserklärung an die Mühen des kleinen Mannes (und der Frauen) am Strande des Nervenzusammenbruchs. Pascal ­Rabaté, der Comic-Autor, spitzt die Dinge zu. Er überspringt Bilder. Er überzeichnet. In kleinen, fein ineinander verwobenen Episoden strickt er sein Muster. Darin ist er Tati verwandt. Tati jedoch hat seine Figuren immer in unbeobachteten Momenten erwischt. Rabaté zeigt uns die beobachteten Momente. Das lässt uns dann Tati doch nicht ganz vergessen. Nur ans Meer denken wir nicht mehr. Auch wenn der Film mit «Holidays by the sea» angekündigt wird …

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 03.08.12

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