Fertig Rambazamba

Roman Signer sprengt, zündet und jagt fürs Leben gern Sachen in die Luft. Im filter4 in Basel nicht.

Ob da noch was explodiert? Roman Signer stellt Kinder-Planschbecken in der alten IWB-Filteranlage aus. (Bild: Juri Junkov)

Roman Signer sprengt, zündet und jagt fürs Leben gern Sachen in die Luft. Im filter4 in Basel zeigt sich der Appenzeller Künstler für einmal aber ungewohnt ruhig.

Wer Roman Signers Namen unter einem Werk liest, kann sich auf etwas gefasst machen: Fontänen spritzen aus Tischbeinen, Papierbögen werden in die Luft gesprengt, Raketen werden gezündet und Tabourettli fliegen durch die Fenster eines Appenzeller Kurhauses. Bei Signer geht immer was. Der «Sprengmeister» der Schweizer Kunst liebt die Verwandlung, die Bewegung, das Spektakel. Dachte man bis jetzt. Aber im filter4 ist es anders.

Vier Jahre hat der Künstler aus dem Appenzell gebraucht, bis er auf eine Idee für eine Arbeit in der ehemaligen Filter-Anlage der IWB kam. Der geräumige Gewölberaum mit der über ein Meter dicken Sandschicht auf dem Boden ist wahrlich kein einfacher Ausstellungsort, besonders für einen Künstler, der gerne mit Dynamit arbeitet. Signer hat sich der Herausforderung gestellt und «Fluss», eine imposante Installation auf die Beine gestellt: Er hat den gesamten rechten Gewölberaum mit über 70 Kinder-Planschbecken ausgelegt.

Hier geht noch was in die Luft …

Sehr schön, denken sich die Besucher der Vernissage, und gleich wirds noch besser. Denn wer sich für eine Vernissage bis aufs Bruderholz begibt, dem ist Roman Signer ein Begriff. Hierhin verirrt sich niemand einfach so. Und wem Roman Signer ein Begriff ist, der weiss: Hier geht noch was in die Luft.

Signer, der mit Arbeiten wie die 500’000 Papierbögen, die er 1987 an der documenta 8 in die Luft sprengte, über die Schweizer Grenzen hinaus bekannt wurde, ist ein Künstler, der Nervenkitzel braucht. Seine Werke sind in Bewegung, verändern sich und können jederzeit hochgehen.

Man war also gespannt. Und unterhielt sich in der Zwischenzeit über den Inhalt der Installation: Ist «Fluss» eine Auseinandersetzung mit unserer verschwenderischen Gesellschaft, eine «tiefe Kritik gegenüber dem menschlichen Verhalten und seinem Umgang mit Wasser», wie Organisator Fredy Hadorn meinte? Wo ist der, der «Fluss», von dem im Titel die Rede ist? Das Wasser in den Planschbecken bewegt sich nicht, die 16 Kubikmeter Flüssigkeit sind in Portionen aufgeteilt und vollständig voneinander isoliert.

Wie eine Wasserstrasse aus Plastik schlängeln sich die Planschbecken durchs Gewölbe.

Wie eine Wasserstrasse aus Plastik schlängeln sich die Planschbecken durchs Gewölbe. (Bild: Juri Junkov)

… oder doch nicht?

Die Bewegung, die man sich von diesem Künstler gewohnt ist, fehlt. Nur ganz leicht wird sie in der Anordnung der Becken angedeutet – wie ein Weg (der, zusammen mit dem Standort der Filteranlage auf dem «Jakobsberg» sofort an den Jakobsweg denken lässt), der kein Ende nimmt und aus lauter Einzelteilen besteht, an einem Ort, der lange Zeit für die Wasserversorgung Basels verantwortlich war. Eine poetische Arbeit, die Bewegung als solche ungewohnt leise inszeniert.

«Im Fluss» ist alles andere als im Fluss.

«Im Fluss» ist alles andere als im Fluss. (Bild: Juri Junkov)

Und leise bleibt es: Keine Sprengung, kein Spektakel, nicht die kleinste Regung. Nicht einmal eine kleine Fontäne wird den erwartungsvollen Zuschauern geboten. Der Künstler, der in einem kürzlich erschienenen SRF-Beitrag gesagt hatte, ohne Risiko passiere nichts, ist dieses Mal kein Risiko eingegangen. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Denn auch ohne viel Rambazamba kann «Fluss» überzeugen. Signer hat hier ein Werk geschaffen, das sich für einmal leistet, mit leisen Gesten zu kommunizieren.

Ob Signer einen neuen Weg eingeschlagen hat, ruhiger und weniger abenteuerlich geworden ist, ist schwer zu sagen. Und tut auch wenig zur Sache. Im gleichen Beitrag auf SRF sagt Signer zum Schluss: «Die Sachen, die man unterschätzt, die sind gefährlich.» Im filter4 kann man den Künstler, auch wenn er für einmal nicht laut ist, beim Wort nehmen. Physisch gefährlich ist «Fluss» zwar nicht. Unterschätzen sollte man aber weder seinen Inhalt noch seinen Künstler. 

  • «Fluss»: Eine Installation von Roman Signer im filter4, Einfahrt Reservoirstrasse, 4059 Basel, 6.-28. September.


Nichts ist sicher: Roman Signers «Tisch» an der Sitter in Appenzell.

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