Fitzgerald und Rimini vermessen Zwischenräume und porträtieren Europa

Die Berner Band Fitzgerald und Rimini hat Europa bereist und war dort, wo der Postkartenglanz abblättert. Zur Nachsaison in Rimini, beispielsweise. Ihre Erfahrungen auf der «Grand Tour» haben sie in die Tonspur eines gleichnamigen Albums gegossen, das sie am Freitag dem Basler Publikum präsentieren.

Seit zehn Jahren im Duett unterwegs: Fitzgerald & Rimini.

(Bild: Daniel Bernet)

Die Berner Band Fitzgerald und Rimini hat Europa bereist und war dort, wo der Postkartenglanz abblättert. Zur Nachsaison in Rimini, beispielsweise. Ihre Erfahrungen auf der «Grand Tour» haben sie in die Tonspur eines gleichnamigen Albums gegossen, das sie am Freitag dem Basler Publikum präsentieren.

Mehrere Stunden haben sie warten müssen, bis das Bild fürs Album-Cover geschossen werden konnte. «Gruusigs» Wetter habe geherrscht, der Regen, die Kälte. Und vor allem der Nebel, der habe ihnen besonders zu schaffen gemacht. Dann aber lichteten sich die Wolken für einen kurzen Augenblick und gaben die Sicht frei auf die aschgraue Decke des Rhonegletschers. Davor: Fitzgerald und Rimini im aschgrauen Tweed auf aschgrauem Grund. Strike a Pose. Klick.

Hudelwetter auf dem Furkapass. Für ein Foto hat es trotzdem gereicht. (Bild: Michael von Graffenried)

Ein kleines Meisterwerk, dieses Foto, voller Zitate und Reminiszenzen. Auf Grand Tour durch Europa gingen im 18. Jahrhundert die Sprösslinge bildungsbürgerlicher Familien, um sich mit eigenen Augen ein Bild von der Welt zu machen, bevor der Ernst des Lebens begann. Fitzgerald und Rimini, den Theodolit und die Kamera im Anschlag, paraphrasieren dieses bourgeoise Gehabe und machen es sich gleichzeitig zu eigen. Immer schön unterwegs sein, immer schön aufzeichnen.

Schwierig in Worte zu fassen

Die, die da die Welt vermessen, heissen Ariane von Graffenried und Robert Aeberhard und sind als künstlerisches Duett seit beinahe zehn Jahren aktiv. «Grand Tour» lautet der Titel ihrer  aktuellen CD, die bereits Anfang 2015 erschien und damit überreif ist, entdeckt zu werden. Ihr zuzuhören hinterlässt denselben Effekt, wie ihn grosse Reisen eben zu hinterlassen pflegen: Aufregung über das Erlebte, den Drang, davon zu erzählen, aber auch die Schwierigkeit, die treffenden Worte zu finden.

«Grand Tour» von Fitzgerald und Rimini passt in kein Schema. Die Musik trägt Elemente von Sprechgesang und Beat Poesie in sich, vermengt Naturgeräusche mit Grossstadtsounds zu einem tektonischen Gefüge aus Wort und Klang. Was daraus entsteht, lässt sich vielleicht als Europaporträt in elf Stationen beschreiben, mit Rimini als Ausgangspunkt und dem Berner Grauholz als Abschluss.

Sängerin Ariane von Graffenried schreibt Geschichten wie jene des österreichischen Pilgers ohne Namen, der in Santiago de Compostela einer Prostituierten mit triefendem Stolz seine Pilgerfahrt nacherzählt. Sie möchte lieber rauchen, hört aber geduldig zu. Kaum merkbar trägt sie leisen Spott in unser Ohr, der den Pilgertourismus, die Partywallfahrt im Grunde verachtet.

In diesem Stück habe sie das Österreichische neben dem Französischen gereizt, sagt von Graffenried, die alle ihre Texte durch ein Kaleidoskop der Sprachen dreht. Englisch, Französisch, Deutsch geben sich die Klinke in die Hand, wobei im Prinzip alle Türen bereits offen stehen. Oft sind es Aeberhards Rhythmen, die eine Zeile ins Schweizerdeutsche oder Französische lotsen. Wie im Stück «Brüssel» beispielsweise:

i nime sprachbäder en masse
des bains de langue, parce-que j’adore ça
obwou i se gar nid aui verstah die sprache
et ni les eurocrates

Es geht oft ums Nicht-Verstehen auf «Grand Tour», um die Unmöglichkeit, alle Eigenarten der verschiedenen Orte und Menschen dekodieren zu können. Und es geht auch darum, dieses Dekodieren einfach bleiben zu lassen und dem Reflex zu widerstehen, das Fremde in das eigene Koordinatensystem einzupassen. In einer Sushi-Bar in Brüssel, umgeben von Eurokraten. Das vollkommene Sprachbabylon und mittendrin Ariane von Graffenried. Ist wirklich so passiert.

Den Takt geben die Feldstudien an

Aeberhard bedient sich einer speziellen Methode, um seine Sounds zu kreieren. Mit dem Mikrofon zieht er durch die Strassen und saugt Geräusche auf. Strassenlärm, Fensterknarren, das Knattern der Rotorblätter eines Helikopters. Diese Field Recordings werden im Studio zu den Taktgebern der Stücke, so klingt das Stück «Brüssel» wie Brüssel an bestimmten Orten eben klingt. Und «Warschau» nach… Jazz. «Diese Stadt war einfach laut, aber auf eine unspezifische Art, so dass ich lange keine charakteristischen Geräusche gefunden habe», sagt Aeberhard, der sich auch erlaubt, Geräusche vom einen in dem Soundtrack zu einem anderen Ort einfliessen zu lassen.

«In den Kompositionen bewegen sich sowohl Geräusche wie auch Sprachen und Figuren zwischen den Ländern hin und her. Eine Art Migration von Sounds und Menschen: ein Österreicher in Spanien, ein Deutscher in Brüssel, Berliner Schrott in Brüssel, isländischer Wind im Grauholz, ein Venezianer in Warschau…»


Der Londoner Stadtteil Bermondsey war schon Schauplatz in Charles Dickens‘ «Oliver Twist».

Das Booklet zur CD gibt Auskunft darüber, welche Gegenstände und Geräuschkulissen dem jeweiligen Stück Pate standen. Es sind diese Details, die «Grand Tour» zu einem mehrdimensionalen Erlebnis machen. Hier dominiert nicht Text vor Ton, keine Klangebene drängt die andere in den Hintergrund.

Und so muss man auch keine Voraussetzungen erfüllen, um den Sound von Fitzgerald und Rimini für sich entdecken zu können. Obwohl: Vielleicht lohnt es sich, den Reflex zu überwinden, das Unbekannte sofort in ein vorhandenes Koordinatensystem einzupassen.


Am Freitag, 27. Mai um 20 Uhr, spielen Fitzgerald und Rimini in siebenköpfiger Grossformation im «Gare du Nord» in Basel. In Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus.

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