Iiro Rantala, Lars Danielsson und Wolfgang Haffner verbanden im Basler Stadtcasino rockige Ausbrüche mit feinsinniger Stille und überbordender Spielfreude.
Der Mann ist ein Chamäleon. Im vergangenen April gastierte Iiro Rantala noch mit der Cellistin Asja Valcic und dem Geiger Adam Baldych im Gare du Nord. Riss, von Bach genau wie von Pop inspiriert, die Grenzen unserer Jazzvorstellungen ein. Ein Dreivierteljahr später agiert der Finne mit dem sympathischen Knautschgesicht nun auf der Bühne des Stadtcasinos in einer Standardbesetzung des Genres, im Piano Trio mit dem Bassisten Lars Danielsson und dem deutschen Schlagzeuger Wolfgang Haffner. Und setzt sich auch hier souverän, virtuos und mit viel Humor von herkömmlichen Parametern komplett ab.
Bezeichnend, dass die drei Herren erst in der zweiten Zugabe ins Great American Songbook hineinschauen. Aber wie! Das Thema von Kurt Weills «September Song» wird zu neckischen Synkopen zerpflückt, geradezu kleinzellig aufgelöst und bekommt mittendrin noch eine Honky-Tonk-Einlage. Und da scheinen der hagere Schwede am Tieftöner, der von Ibiza gebräunte Drummer und der blonde Struwwelkopf an den Tasten noch genauso frisch wie zu Beginn, immerhin haben sie schon 90 Minuten hochenergetischen Spiels hinter sich.
Unbekümmerter melodischer Fluss
Das sie mit der Komposition „Fool Around“ eingeleitet haben. Vom Titel her («herumalbern») ein glattes Understatement: Rantala und Danielsson zelebrieren einen wahren Hummelflug zu heizenden Drums, der Flügel wird auf seine extremen Randlagen abgeklopft. Und aus diesen Eruptionen heraus erwächst eine Melodik, die mit ihrem unbekümmerten Fluss und augenzwinkernden Blue Notes fast ein wenig an Vince Guaraldis «Peanuts»-Soundtrack erinnert. Mit ihrer Verbeugung vor Jaco Pastorius’ «Liberty City» halten sie den Puls weiterhin hoch: Rantala, der sich humoresk in Ostinati der unteren Lagen festbeisst, gibt Haffner Raum, sein Spiel auf Toms und Becken differenziert auszugestalten, wo er sonst – seiner funkig-rockigen Grundausrichtung treu – schon mal ein wenig zu zupackend wird und seine beiden Mitstreiter stellenweise überdeckt.
Momente tiefer Ruhe
Doch auch wenn die drei Musiker unter dem Titel «Power Trio» zusammengefunden haben, loten sie an diesem Abend wiederholt Stille aus, zwei Mal anhand von Danielssons Kompositionen: «Hymnen» hat einen andächtigen Ton, fast psalmhaft, und der Schwede singt innig, wenn auch mit sehr trockener Tongebung in den hohen Lagen. Genau wie in «Ängar», wo Rantala dem melancholischen Seufzen auf dem Bass mit purer Tastenelegie begegnet. Diese Momente scheinen die tiefe Ruhe der weiten schwedischen Landschaft zu atmen.
Frohnatur und Dramatiker
Den Spannungsbogen schliesst Rantala mit einer Art familiärem Triptychon. Er porträtiert seine beiden Buben: Hier der zwölfjährige «Bruno», eine simple Frohnatur, für deren Charakterbild es nur zwei Akkorde braucht, die aber mit melodisch unerschöpflicher Erfindungskraft verziert werden, während Haffner darunter einen Disco Shuffle auspackt. «Topi» dagegen bringt mit seinen achtzehn Jahren dunklere Stimmungen auf die Bühne, inklusive Headbanging und nordischer «Apocalyptica»-Dramatik.
Hendrix als Idol ist der Kitt zwischen den Sprösslingen Rantalas, und sein «Little Wing» wächst sich hier fast zu einem gospelartigen Blues aus, mit Rockenergie ganz ohne E-Gitarre.
Abschütteln von Fesseln
Zentral für das gesamte Set und für Rantalas Piano-Philosophie ist jedoch seine Soloeinlage. Mit einem Frotteehandtuch dämpft er die Saiten des Flügels und stellt dann mit «Freedom», seiner Widmung an Jonathan Franzens gleichnamigen Roman, den Kampf zwischen Konventionen und Abschütteln von Fesseln dar, dass es einem Schauer der Begeisterung den Rücken herunterjagt. Immer wieder von Neuem strebt der Flug über die Tasten in die Höhe, immer wieder wird er hinuntergezwungen und durch das Staccato ausgebremst – und das alles mit stilistischen Anleihen an barocke Figuren, rhythmische Geflechte, die nach Minimal Music klingen und purer Popmelodie. Zum Schlussakkord wirft Rantala das Handtuch, befreit die Tasten – eine symbolische Geste, die er in seinem künstlerischen Credo schon längst vollzogen hat.