Das neue Vergabemodell der Ateliers in der Klingentalkirche ist gesetzt: Ab Ende 2017 wird umgekrempelt. Wie ist es zu diesen Entscheidungen gekommen und was halten die Betroffenen davon? Fünf Stimmen zur Situation.
Es ist entschieden: Ende 2017 müssen die jetzigen Künstler aus der Klingentalkirche raus und ein neues Modell bestimmt, wer in Zukunft die begehrten Ateliers nutzen darf. Der überwiegende Teil der Räume wird künftig nicht mehr unbefristet vergeben, sondern mit einer maximalen Mietdauer von sieben Jahren für junge- und zehn Jahren für ältere Künstler, mit Option auf Verlängerung. Der Mietzins hat sich vervierfacht und beträgt neu 80 Franken pro Quadratmeter und Jahr.
Für die Stadt ist dies ein sichtlicher Gewinn – die Ateliergenossenschaft wird aufgelöst, das Gebäude saniert und mit geeigneten Künstlern gefüllt, die nach einer gewissen Zeit wieder ausziehen und Platz für die nächste Förderungsmöglichkeit machen. Die Klingentalkirche ist somit bald offiziell als kulturpolitisches Vorzeigemodell in den Händen der Stadt. Für die jetzt noch sesshaften Künstler der Kirche bedeutet dies ein einschneidender Wandel: Sie müssen Ende 2017 – teils nach über 40 Jahren – aus ihren Ateliers raus und sich neu bewerben.
Im Zuge der fälligen Entscheidungen band die Abteilung Kultur eine «Begleitgruppe» (bestehend aus Vertretern der Ateliergenossenschaft Klingental, des Berufsverbands visarte und weiteren) mit ein, die beratend zur Seite stand und ihre Forderungen einbrachte.
Wurde den Forderungen Rechenschaft geleistet? Wie schätzen Betroffene die Entscheidung ein und was meinen die Klingentaler dazu? Wir haben uns umgehört:
Jan Hostettler, Mitglied der Begleitgruppe und Mieter eines Klingentalkirche-Ateliers
«Ich finde es gut, dass das Modell neu ausformuliert wurde, mit sieben Jahren Frist und einer Berücksichtigung der älteren Künstler. Schwierig ist aber, dass wir immer noch nicht wissen, was in der Zwischenzeit passiert – wenn wir also ein Atelier bekommen sollten, aber für die Sanierung alles rauskarren müssten. Ich würde in dem Fall was Neues suchen und nicht wieder in die Klingentalkirche rein. Für die älteren Künstler aber ist die Situation weit belastender und das geht auch mir sehr nah, weil es zeigt, wie existenziell diese Entscheidungen sind. Für mich war die Arbeit in der Begleitgruppe nicht immer einfach: Es war nie Thema, was mit den Menschen passiert, die jetzt drin sind, es ging nur darum, was geschieht, wenn alle draussen sind.
Ich habe immer wieder versucht, das Thema der jetzigen Künstler zur Sprache zu bringen, man hat aber nicht darauf reagiert. Durch diese Art von Zusammenarbeit wurde mir klar, dass wir nicht dieselbe Sprache sprechen – und wie sehr ich als Künstler von politischen Entscheidungen abhängig bin.»
Matthias Aeberli, Mitglied der Begleitgruppe, Vetreter Berufsverband visarte
«Natürlich bin ich nicht zufrieden mit dieser Entscheidung. Aber man kann es nicht ändern, das war uns von Anfang an klar. Als Begleitgruppe waren wir bewusst Ideenlieferanten, nicht mehr und nicht weniger. Ein grosser Teil von dem, was wir einbrachten, wurde berücksichtigt, einfach nicht immer in dem Ausmass, das wir vorgesehen hatten. Es ist toll, dass den älteren Künstlern zehn Jahre mit Aussicht auf Verlängerung gewährt werden. Die sieben Jahre für alle anderen Künstler sind auch weit mehr, als die Stadt ursprünglich vorgesehen hatte. Trotzdem finde ich es viel zu wenig Zeit, sieben Jahre sind nicht genug, um in einem Atelier wirklich anzukommen.
Dazu kommt der neue teure Mietzins: Fragen Sie mal einen HGK-Abgänger, ob er jährlich 80 Franken pro Quadratmeter für ein Atelier bezahlen kann! Aber wir können nichts daran ändern. Das Haus gehört der Stadt und die tut jetzt was für sie am meisten Sinn macht. Ihr Entscheid hat jedoch wenig mit der Realität der Künstler zu tun. Man muss sich fragen, was Kultur der Stadt wert ist. Und damit meine ich vor allem Kultur, die eben nicht auf den ersten Blick Geld einbringt.»
Marius Rappo, derzeitiger Mieter eines Ateliers in der Klingentalkirche
«Viel hat sich nicht verändert, wir haben nach wie vor eine Kündigung. Das ist sehr belastend: Wir müssen alle raus, das ganze Atelierhaus soll für die Renovation total leer sein. Ob wir danach wieder rein dürfen, wissen wir nicht. Bewerben können wir uns, aber will man wirklich sein ganzes Atelier räumen, nur um dann nach einem halben Jahr vielleicht wieder einziehen zu können? Die Stadt strebt an, uns für die Renovationszeit andere Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Ich meine aber, eine in Etappen gut geplante, schonende Renovation sollte auch ohne Totalräumung möglich sein. Ich will keine Leerläufe machen. Es ist schwierig, wenn der eigene Abgang nach 47 Jahren so plötzlich von der Stadt bestimmt wird. Diese Dringlichkeit und Ungewissheit sind eine grosse Belastung. Was es jetzt braucht, ist Fingerspitzengefühl und ein Verständnis für unsere Situation.
Aber es gibt auch Positives am neuen Vergabemodell: Die Regelung für die alten Menschen und die sieben und zehn Jahre Frist sind bessere Konditionen als die, von denen anfangs die Rede war. Und so wie es aussieht, soll es für weitere Entscheidungen auf kleinerer Ebene eine Arbeitsgruppe geben, in der wir präsent sein werden – da lässt sich hoffentlich auch noch einiges erreichen. Mit gutem Willen geht das, da bin ich überzeugt.»
Markus Schwander, Mitglied der Begleitgruppe, Vertreter Freie Szene
«In der Klingentalkirche geht es von nun an um Förderung. Und wo es um Förderung geht, kommen bürokratische Gesetzmässigkeiten ins Spiel. Auch ich hätte es lieber gehabt, wenn man das Atelierhaus der Genossenschaft überlassen hätte, aber für mich war schnell klar, dass man einen Kompromiss finden muss und wir letztendlich wenig ändern können. Nun gibt es aber doch einen Gewinn unsererseits: Die Vergabepraxis an die älteren Künstler. Dieses System, das nach Alter unterscheidet, ist ein grosser Fortschritt und wichtig zu betonen. Auch toll ist, dass sich die Stadt bereiterklärt hat, während der Sanierung der Ateliers Ersatzräumlichkeiten zu vermitteln. Der ganze Rest ist aber ein Erfolg der Politik, ganz klar.»
Philippe Bischof, Leiter Abteilung Kultur, Kanton Basel-Stadt
«Uns war es ein Anliegen, ein Modell zu schaffen, das den Kunstschaffenden so weit wie möglich entgegenkommt. Die Arbeit mit der Begleitgruppe, die unsererseits Katrin Grögel verantwortet hat, war sehr genau und konstruktiv – und wir konnten erfreulicherweise mehrere Inputs daraus aufnehmen und mindestens in Teilen ein gegenseitiges Verständnis schaffen, was eine Sensibilität für die verschiedenen Anliegen und Flexibilität ins Modell brachte. Transparenz stand dabei immer an erster Stelle: Wer ist wofür zuständig, was sind die Konditionen und Kriterien, wie sieht der Altersausgleich aus, wie die Fristen. Diese Fragen versuchten wir so klar wie möglich zu beantworten.
Ich glaube, dass wir insgesamt eine sehr gute Lösung gefunden haben. Und uns war und ist wichtig, dass die Übergangszeit vom heutigen zum neuen Modell menschlich gestaltet werden kann. Wie der interne Betrieb der Ateliers nach der Sanierung aussehen wird, ist noch offen. Wichtig ist, dass wir keine bürokratische Hierarchie anstreben. Die Künstlerinnen und Künstler, die das Haus nutzen werden, sollen mitverantwortlich sein, gemeinschaftlich etwas aufbauen können und an der Verwaltung beteiligt sein. Je mehr wir uns seitens der kantonalen Verwaltung zurückziehen können, desto interessanter wird sich die Zusammenarbeit unter den Künstlern gestalten. Dem wollen wir nicht im Weg stehen.»