Ein Haus am Waldrand ist eigentlich etwas Romantisches, Sinnbild für ein ruhiges Leben im Grünen, fern des urbanen Trubels. Wäsche, die draussen im Wind flattert. Eine Katze, die im hohen Gras nach Mäusen jagt.
Ein Haus am Waldrand kann aber auch unheimlich wirken, als würde die Undurchdringlichkeit des Waldes auch Haus und Bewohner in Düsternis hüllen. Mit Einbruch der Nacht wird das Haus am Rand zum Lebewesen, dessen leuchtende Augen sich tief in die Dunkelheit bohren.
Dieser Zwiespalt findet sich schon auf den ersten Seiten von «Das Haus am Wald», der neuen Graphic Novel unseres TagesWoche-Kollegen Hannes Nüsseler («Das Seidenband»). Als Diana entscheidet, sich in Talberg niederzulassen, ahnt man: Das wird keine Plauschfahrt. Schwanger, alleine. In diesem Haus am Waldrand, das ihrer Mutter gehört. Ein Haus, gross, prächtig, mit Pool, doch nach dem Tod von Dianas Vater wollte ihre Mutter nie mehr darin wohnen.
Mord oder Unfall?
Was ist geschehen? Was hat es mit all den afrikanischen Masken auf sich, die die Wände zieren? Wieso hat Diana bloss immer wieder das Gefühl, beobachtet zu werden? Wer ist der geheimnisvolle Anrufer, der auflegt, kaum nimmt Diana den Hörer ab? Was ist dran an den Geschichten, die man sich im Dorf über ihren Vater erzählt? War es Mord oder doch ein Unfall?
Nüsseler braucht nur wenige Worte, um diese Geschichte zu erzählen. Auch sein Strich ist reduziert. Die Zeichnungen springen nicht ins Auge, sind eher eine unaufgeregte Einladung, in die Welt von Diana einzutauchen. «Das Haus am Wald» ist mehr Atmosphäre als verzweigter Plot. Und genau deshalb gelingt es der Graphic Novel, dieses beklemmende Gefühl einzufangen, das uns beschleicht, wenn wir an einem allein stehenden Haus am Waldrand vorbeigehen.