Auf dem Kasernenareal treffen harte Rapper auf härteste Metaller. Den stärksten Eindruck hinterlassen am Ende aber zwei junge Musikerinnen mit bezauberndem Kammer-Pop.
Wenn die Ohren noch frisch sind, ist der Moment günstig, um neue Klänge zu entdecken. Also starten wir den Abend, an dem Chuck Berry starb, im Parterre mit dem Duo Eclecta. Andrina Bollinger und Marena Whitcher schreiten in Paillettenjacken und umgehängtem Klingelzeug auf die Bühne und setzen so den Ton für einen Auftritt, der theatralisch, aber ungekünstelt und vor allem erfreulich frei von der Leber weg ausfällt.
Eclecta sind nur zu zweit, verfügen aber über einen grosszügigen Instrumentenpark, mit dem sie charmanten Kammerpop für Kleinkunstbühnen spielen. Da gibt es Folkpop mit lieblichen Harmonien, brummende Synthies und auch gut gewählte und klug im Set platzierte Covers. «Eleanor Rigby» von den Beatles bringen sie a cappella als Doo-Wop-Nummer, Tom Waits’ «Hang On St. Christopher» so lödelig und rumpelnd, dass der Komponist wohl seine Freude hätte.
Zwei Frauen mit vielen Instrumenten: Eclecta bezaubern im Parterre mit Kammerpop. (Bild: Eleni Kougionis)
Am Ende ist das Parterre gut gefüllt, weil immer mehr Leute kommen und kaum jemand geht. Nach dem Auftritt schnappen wir draussen diesen Dialog auf: «Ein bisschen wie CocoRosie.» «CocoRosie sind Scheisse.» Eclecta aber sind an diesem Abend ganz bezaubernd.
Effektiv, effektiver, Power-Trio
Wir bleiben heute auf dem Kasernenareal. Nicht weil wir zu bequem wären, zu den anderen Spielstätten zu pedalen. Aber hier locken unter anderem zwei Plattentaufen und die Rückkehr des Heavy Metal an die BScene.
Jetzt also rüber in den Rossstall. Dort geht ein Verstärker der Sons of Morpheus kaputt, noch bevor der Gig startet. Irritieren lässt sich die Band aber nicht. Entschlossen und mit viel Druck tauft die Band ihr neues Album «Nemesis».
Die Kraft des Power-Trios: Manuel Bissig von Sons of Morpheus im Rossstall in der Kaserne. (Bild: Eleni Kougionis)
Die Sons of Morpheus haben die Power-Trios der Vergangenheit gut studiert. Die Reduktion auf Drums, Bass, Gitarre und Gesang zwingt zur Bündelung der Kräfte. Das war so bei Cream und Jimi Hendrix, der in den Solos von Manuel Bissig immer mal wieder anklingt, und das ist bei Acts wie Triggerfinger – und eben den Sons of Morpheus nicht anders. Wuchtig und auf den Punkt gespielt, bringen ihre Songs Bewegung ins Publikum und beweisen: Das Power-Trio ist und bleibt eine der effektivsten Formationen der Rockgeschichte.
Maskiert an der Plattentaufe: Kush Karisma in der Reithalle der Kaserne. (Bild: Eleni Kougionis)
Präzis und abwechslungsreicher Hip-Hop
In der Reithalle nebenan tauft Kush Karisma sein zweites Soloalbum «Bâlonce». Der grosse Raum ist nur spärlich gefüllt und der Rapper und seine Mitstreiter müssen viel Aufwand betreiben, um das Publikum zu animieren – so kommt unter anderem eine Streetdance-Crew zu einem spektakulären Kurzeinsatz auf der Bühne.
Was die Musik angeht, gesteht Ihr Chronist hier, dass er nicht wirklich viel von Hip-Hop versteht. Was aber auch er hört: Kush Karisma ist ein präziser Rapper, auch wenn man die Böse-Buben-Texte im Hallensound nur teilweise versteht. Sein DJ weiss die Beats so zu variieren, dass hier nicht die Monotonie aufkommt, die manch anderen Hip-Hop-Gig prägt.
Diese Sängerin spielt bald auf grösseren Bühnen
Harter Bruch, zurück ins Parterre, wo viel und auffällig viel weibliches Publikum auf Annie Goodchild wartet. Die Wahlbaslerin aus Boston zeigte sich auf ihrer EP letztes Jahr vielschichtig und stilistisch schwer fassbar. Im Konzert aber stellt sie sich mit ihrer fünfköpfigen Begleitband klar in die Soultradition. Die Songs sind straff arrangiert und voller Hooklines und fahren schnell in Herz und Beine.
Annie Goodchild ist eine begnadete Performerin: Sie hat eine tolle Stimme voller Wärme, verfügt über Persönlichkeit und Charisma, kurz – diese Frau ist ein Star. Prognose: Die spielt bald in grösseren Sälen.
Diese Frau ist ein Star: Annie Goodchild im Parterre. (Bild: Eleni Kougionis)
Der Bann der Annie Goodchild ist derart stark, dass wir glatt Black Tiger verpassen. Als wir die Reithalle betreten, geht dessen Auftritt gerade zu Ende. Was wir sagen können: Viel Volk und die Stimmung mehr als aufgeräumt. Hinten in einer Ecke stehen drei Langhaarige in Lederjacken, die sich die Zeit zwischen Zatokrev und Schammasch mit Hip-Hop vertreiben. «Ich liebe diesen Kontrast», sagt einer: «Hier Hip-Hop, drüben Metal.»
Der Metal und die BScene – eine Versöhnungsgeschichte
Ja, der Metal. Basel hat zwar schon lange eine umtriebige und international erfolgreiche Metal-Szene, an der BScene spielte die in den letzten Jahren aber allenfalls eine Nebenrolle. Letzten Herbst setzten sich Veranstalter und Bands an einen Tisch und beschlossen: 2017 soll es einen richtig harten Abend geben, und zwar im Rossstall der Kaserne.
Umgesetzt wird der Beschluss mit zwei wirklich groben Kalibern. Zatokrev und Schammasch sind Bands, die auch Heavy-Hörer überfordern können, denn mit Iron Maiden oder Metallica hat ihr Stil nur wenig gemein.
Unheilvoller Klang jenseits der Metal-Klischees: Fredy Rotter (l.) mit Zatokrev im Rossstall in der Kaserne. (Bild: Eleni Kougionis)
Es ist kein Zufall, dass Zatokrev-Leader Fredy Rotter in einem Shirt der ewigen Noise-Avantgardisten Swans auf die Bühne tritt. Seine Musik sprengt die Genre-Grenzen. Dicht, dräuend und knirschend errichtet das Quartett mit vollem Körpereinsatz eine mächtige, unheilvolle Klangkulisse jenseits aller Metal-Klischees.
So was ist für Auserwählte
Zatokrev stammen aus der Region, ihre Musik aber hat internationales Format – behauptet nicht einfach der Chronist, sondern beweisen Auftritte in halb Europa. Auch das Basler Publikum zeigt sich interessiert bis begeistert, wobei Laufkundschaft, die aus Neugier reinschaut, bald wieder abzieht oder zumindest zur Pfropfenbildung in den Eingangsbereich zurückweicht.
Wer glaubt, heftiger könne es nicht mehr kommen, wird von Schammasch eines Böseren belehrt. Seit 2016 das dritte Album «Triangle» erschienen ist, reissen die Lobeshymnen nicht mehr ab, nächsten Monat wird die Band das 100-Minuten-Werk am legendären Roadburn-Festival in den Niederlanden integral aufführen.
Das Konzert als Ritual: Schammasch im Rossstall in der Kaserne. (Bild: Eleni Kougionis)
Heute gibt es nur 50 Minuten, aber die reichen. Schammasch beherrschen die brutalen Blast-Beats und das Gitarrengeraffel des Black-Metal, können aber jederzeit zu schwer schleppenden, ultrafinsteren Passagen wechseln oder auch mal floydiansch gniedeln. Die Band tritt in mönchsartigen Roben auf, zum Einstieg verbreitet sich im Raum der Geruch von Weihrauch (oder ist es Myrrhe?). Wisset: Ein Schammasch-Konzert ist auch ein Ritual.
Mit drei Gitarren spielen sie das Publikum schwindlig. Ein aus Zürich angereister Berufskollege kann sich zwar partout nicht mit den siebensaitigen Modellen, die Schammasch spielen, anfreunden, wirklich zu meckern hat er aber sonst nichts. Man würde ihn hier eh auch nicht hören.
Für Normalsterbliche ist so was natürlich nichts. Schliesslich hören wir hier eine Band, deren Sänger gegen Ende ihres Auftritts verkündet: «I will raise my throne above the stars of God.» So was ist nur für Auserwählte.
Doch, die Versöhnung von BScene und und Metal-Szene ist gelungen. Auch wenn unsereiner bei der Gute-Nacht-Zigarette dann in den Erinnerungen an seine persönliche Festival-Entdeckung Eclecta schwelgt.
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