Geheimnisdienste

«Tinker, Tailor, Soldier, Spy» ist ein Spionage-Thriller, fast so geheimnisvoll wie unsere Banken.

Gary Oldman brilliert in der Verfilmung des Buchklassikers von John le Carré. (Bild: Ascot Elite/zVg)

«Tinker, Tailor, Soldier, Spy» ist ein Spionage-Thriller, fast so geheimnisvoll wie unsere Banken.

John le Carré ist der König der Geheimdienst-Thriller. Aber selbst er kümmerte sich noch lange nicht um jedes Geheimnis. Als ehemaliger Agent weiss er zu genau, welche Geheimnisse zu Geld werden. Jene der Macht. Macht ist allerdings schwerer fassbar als Geld. Obwohl Geld früher oder später immer zu Macht führt. Geld lässt sich immerhin leichter geheim halten.

Banken sind – wie Geheimdienste – Händler von Geheimnissen. Banken machen überall, wo Geld ist, ein Geheimnis darum, wie man es verdienen kann, und versuchen daran zu verdienen, dass dies ein Geheimnis bleibt. Das ist nicht einfach, müssen dazu doch täglich Billionen von Bankdaten um die Welt geschoben werden, ohne dass jemand etwas davon erfahren darf. Millionen von Menschen halten Abrechnungen in der Hand, die sie niemandem zeigen dürften, ohne geheimdienstliche Aktivität zu provozieren.

Auch wenn die Banken (nicht nur die schweizerischen) nicht müde werden, zu behaupten, sie hätten längst nicht mehr das geheimste Bankgeheimnis der Welt, ist es ein offenes Geheimnis: Bei den Banken herrscht Geheimdienst-Koller. Das mag die Kriegsrhetorik der Schweizer Banker erklären, die sich mit den USA im Krieg sehen: Als es darum ging, 70 Millionen Bonus von Brady Dougan gegen lokale Zweifler zu verteidigen, war die CS noch ein Global Player. Seit Neuestem sind Schweizer Banken eine nationale Bastion. Müssen wir unsere Ordonanz-Munition bereithalten? 

Die nationalen Denker haben neuerdings Angst. Manche Banken verbieten ihren Kadern USA-Reisen (Verhaftungs-Angst). Andere fürchten, dass der US-Geheimdienst Schweizer Daten knackt. Als ob sich die US-Geheimdienste nicht schon längst in Culpeper, USA bedienen würden, wo sämtliche weltweiten Computer-Bank-Daten gespiegelt werden. Es knackt in den Bank-Geheimnüssen.
Kommt Le Carrés exzellent erzählter Spionage-Thriller überhaupt an diese explosive Gemengelage heran? Ja. Jetzt wäre man so gern dabei, wenn Oscar-Träger Firth und der Oscar-Nominierte Oldman den Schweizer Bankgeheimniskrämern den neuesten Sündenfall erklären: Einige Banken sollen versucht haben, den internationalen Referenzzinssatz zu manipulieren! Hier sei der Gang ins Kino empfohlen. Dort wird zumindest ein Geheimnis am Schluss gelüftet.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 10.02.12

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