Wie sozial ist die Wehrmännerentlassung? Wie gemeinnützig der Musikantenstadl? Bei der Vergabe von Geldern aus dem Swisslos-Fonds werden die gesetzlichen Regeln in Basel oftmals sehr leger ausgelegt.
Die Zeitschrift «Beobachter» kürte sie salopp zur «teuersten Wurst der Schweiz». Gemeint ist die 40 Zentimeter lange Extraausgabe des Schübligs, die Jahr für Jahr zur traditionellen Wehrmänner-Entlassungsfeier serviert wird. Das kostet natürlich etwas. 70’000 Franken sind es, die dafür jährlich aus dem Swisslos-Fonds entnommen werden – das wären fast 390 Franken pro Wurst.
Nun besteht die Veranstaltung, die im Volksmund den Übernamen «Grieni Fasnacht» trägt, natürlich nicht nur aus dieser Wurst. Dieses Jahr kamen die 180 anwesenden Armeeangehörigen neben der Abschiedsrede des Militärdirektors – in diesem Jahr war es erstmals Baschi Dürr – auch noch in den Genuss der Uraufführung des Militärmarsches «Carnival in Green».
Bei der Wehrmännerentlassung sind die Wege des Staatsapparats für einmal kurz und unkompliziert. Verwaltet wird die Vergabe der Gelder aus dem Swisslos-Fonds von Baschi Dürrs Justiz- und Sicherheitsdepartements (JSD), der den Betrag also quasi gleich aus dem eigenen Kässeli entnehmen kann. Zwar müssen die Beiträge vom Regierungsrat abgesegnet werden, aber das war bislang reine Formsache – ein «Tischgeschäft», das normalerweise ohne Diskussion durchgewinkt wird.
Bislang. Denn nun kam die Finanzkommission des Grossen Rates auf die Idee, einmal näher hinzuschauen. Und so ist auf Seite 32 ihres kürzlich veröffentlichten Berichts zum Budget 2014 die Frage zu lesen: «Ist die Wehrmännerentlassung ein öffentlicher Anlass?»
Gemeinnützig, wohltätig, sozial, kulturell oder sportlich
Die Finanzkommission bezieht sich bei dieser Frage auf die Verordnung über die Verwendung von Geldern aus dem Swisslos-Fonds aus dem Jahre 2010. Dort ist festgehalten, dass für «interne, nicht öffentliche Anlässe sowie Veranstaltungen mit Festcharakter» aus dem Swisslos-Fonds «grundsätzlich keine Beiträge ausgerichtet» werden dürfen. Dasselbe Ausschlussprinzip gilt unter anderem auch für politische Aktivitäten oder Institutionen, für «vom Staat wahrzunehmende Aufgaben» oder für Institutionen, die in sonstiger Form staatlich subventioniert oder mitfinanziert werden. Grundsätzlich dürfen die Beiträge laut Verordnung «ausschliesslich für gemeinnützige, wohltätige oder soziale, kulturelle und sportliche Zwecke» ausgerichtet werden, so wie dies übrigens auch in Art. 106 der Bundesverfassung festgelegt ist.
Man muss schon einiges an Toleranz aufwenden, wenn man die Wehrmännerentlassung als nicht staatliche Aufgabe und als öffentlichen und gemeinnützigen Anlass ohne Festcharakter definieren will. Wer nun wie die Finanzkommission die ausgesprochen lange Liste der Projekte und Institutionen aufgrund dieser «Bewilligungsgrundsätze» durchforstet, kommt noch viele weitere Male ins Stutzen. So werden im Kommissionsbericht noch weitere Beispiele hinterfagt: Etwa, wie unpolitisch eine Publikation mit dem Titel «Männerpolitik. Was Jungs, Männer und Väter stark macht?» sei (5000 Franken) oder ob ein Festival wie die Baloise Session (100’000 Franken) tatsächlich nicht gewinnorientiert sei. Als fragwürdiges Beispiel nannte die Kommission während der Medienorientierung zum Bericht auch noch den erst kürzlich gesprochenen Beitrag von 185’000 Franken für die Austragung der Volksmusik-Sendung Musikantenstadl in der St. Jakobshalle (plus 25’000 Franken aus beiden Basel für einen Apéro).
Strapazierter Spielraum
Aus der Sicht von Doris Schaub, der Verwalterin des Swisslos-Fonds Basel-Stadt, sind die von der Finanzkommission hinterfragten Fälle aber «verantwortbar». Zumindest vor dem Hintergrund, dass die Regierung bei der Bewilligung der Beiträge einen gewissen Spielraum geltend machen kann. «Es ist letztlich eine Ansichtssache, ob und wann genau ein Anlass als öffentlich bezeichnet werden kann», meint sie zum Beispiel der Wehmännerentlassung. Überdies erkennt sie im Umstand, dass es um einen Akt der Wertschätzung gegenüber den Militärdienstlleistenden handle, auch noch einen sozialen Aspekt. Ähnlich flexibel lassen sich laut Schaub auch die Beiträge an die Baloise Session und den Musikantenstadl rechtfertigen: «Unter dem Gesichtspunkt des Standortmarketings sind solche Anlässe letztlich für die gesamte Bevölkerung von Nutzen.»
Der Kanton Basel-Stadt greift für Standortmarketing-Aktionen gerne in den Swisslos-Topf: 280’000 Franken schmuggelte die Regierung für die gemeinsam mit den Kantonen Baselland und Jura organisierte «Charme-Offensive» an der Lausanner Publikumsmesse Comptoir-Suisse im September 2013 an der Staatskasse vorbei. Und 2010 entnahm der Kanton gar 416’000 Franken aus dem Swisslos-Fonds, um sich an der Olma in St. Gallen als «offenen, erfolgreichen und innovativen Wirtschafts-, Kultur- und Lebensraum» in Szene zu setzen.
Basel-Stadt ist damit nicht allein. Auch die Kantone Luzern, Aargau, Solothurn, Bern und Zürich haben ihre Olma-Auftritte mit Lotteriegeldern finanziert – eine Praxis, die in diesen Kantonen «immer stärker kritisiert» wird, wie die NZZ schreibt.
Verordnung unter die Lupe nehmen
In Basel fällt die Kritik noch relativ moderat aus. Der Präsident der Finanzkommssion, Patrick Hafner (SVP), will der Regierung den politischen Spielraum bei der Bewilligung der Beiträge nicht streitig machen. Grundsätzlich ist es seiner Ansicht nach begrüssenwert, wenn dank Geldern aus dem Swisslos-Fonds Anlässe stattfinden können, die sonst nicht möglich wären. «Aber man muss sich dennoch fragen, ob dieser Spielraum nicht allzu stark strapaziert wird und die Regelungen zum Teil nicht allzu elastisch ausgelegt werden.»
Die Finanzkommission schlägt nun als mögliche Lösung des Problems nicht etwa eine Anpassung der Vergabepraxis vor, sondern empfiehlt dem Regierungsrat, die Verordnung «zu überarbeiten und den tatsächlichen Verhältnissen anzupassen». Und rennt damit offenbar offene Türen ein. «Im Justiz- und Sicherheitsdepartement sind wir zurzeit, unabhängig von den laufenden Diskussionen, an einer Auslegerordnung zur Vergabepraxis des Swisslos-Fonds Basel-Stadt», teilt Swisslos-Fonds-Verwalterin Schaub mit. «Diese soll zeigen, ob die aktuelle Praxis und/oder die aktuelle Verordnung angepasst werden soll.»
Im Konflikt mit der Bundesverfassung
Zu einer Anpasssung der Verordnung hat man sich kürzlich erst in Luzern entschlossen. Der Zentralschweizer Kanton wollte eine Werbetour nach Moskau vollständig aus dem Lotteriefonds finanzieren, wurde aber von der interkantonalen Lotterie- und Wettkommission Comlot zurückgepfiffen, wie das SRF-Regionaljournal Zentralschweiz berichtete. Zur Wahrung des Prinzips der Gemeinnützigkeit krebste der Kanton zurück und finanzierte nur noch den kulturellen Teil des Moskau-Auftritts mit Lotteriegeldern, während die Reisekosten der Wirtschafts- und Tourismuspromotoren aus anderen Kassen bezahlt werden mussten.
Um nun aber künftig wieder aus dem Vollen schöpfen zu können, schwächte der Kanton Luzern in seiner Lotteriegeld-Verordnung das Kriterium der vollumfänglichen Gemeinnützigkeit in «nicht rein kommerzielle Anlässe» ab. Gegenüber der NZZ bezweifelte Benjamin Schindler, Professor für öffentliches Recht an der Universität St. Gallen, die Verfassungskonformität dieser Formulierung. Tatsächlich heisst es in der Bundesverfassung: «Die Kantone stellen sicher, dass die Reinerträge (…) vollumfänglich für gemeinnützige Zwecke, namentlich in den Bereichen Kultur, Soziales und Sport, verwendet werden.» Eine Vorgabe, an der sich auch die Basler Reformer nicht so leicht vorbeischummeln können.
Der Swisslos-Fonds nährt sich aus den Reinerträgen aus dem Zahlenlotto der interkantonalen Glückspielgenossenschaft Swisslotto, die laut Bundesverfassung «vollumfänglich für gemeinnützige Zwecke» verwendet werden müssen. Laut Verteilschlüssel erhält der Kanton Basel-Stadt jährlich über zehn Millionen Franken, die er auf Gesuch für die unterschiedlichsten Institutionen und Veranstaltungen zur Verfügung stellt. Das kann zum Beispiel die «Anschaffung eines neuen Alphorns für Schulungszwecke» sein, für die die Alphorngruppe Basler Dybli 1000 Franken erhält. Oder 450’000 Franken für das biennale Theaterfestival Basel.
Am meisten Geld, nämlich fast fünf Millionen Franken, floss 2012 in den Bereich Kultur, gefolgt vom Sport mit über drei Millionen. Rund eine Million Franken floss in «Spezialprojekte» (u.a. die Wehrmännerentlassung), während die Bereiche Jugend und Sozialwesen Gesamtbeiträge von unter 1 Mio. Franken auswiesen.
Die meisten Vergabungen lassen sich mit den Bestimmungen der Verordnung problemlos rechtfertigen. Viele wichtige und kaum mehr wegzudenkende Veranstaltungen in Basel, etwa das Jugendkulturfestival oder der Basler Stadtlauf, werden zu einem wesentlichen Teil mit Geldern aus dem Swisslos-Fonds finanziert.
Bis 1999 galt bei der Vergabe der Lotteriegelder übrigens strikteste Geheimhaltung. Danach wurde zumindest jeweils eine Liste der Geldempfänger veröffentlicht – allerdings noch ohne die einzelnen Geldbeträge. Vollständige Transparenz in Sachen Swisslos-Fonds herrscht in Basel-Stadt erst seit 2003.