Bettina Schelker und Thomas Baumgartner, zwei Urgesteine der Basler Musikszene, huldigen einer Rockmusik, die noch älter ist. Als The Blackberry Brandies singen sie über kraftvolle Gitarrenakkorde vom staubigen Asphalt des Lebens. Gestern tauften sie in der Kuppel ihr Album «Love… And The Gun».
Die ersten Takte bereitet das Schlagzeug vor, dann schleichen Bass und akustische Gitarre herbei, und dann müsste er eigentlich kommen. Der schwere, knisternde Akkord, der den Song erlöst und ihm kraftvoll den Weg bahnt, krachend und schmelzend. Aber er kommt nicht. Thomas Baumgartner zuckt mit den Schultern, wechselt ein Kabel aus, und die Band spielt vorerst ohne ihn weiter.
Mit Verzögerung beginnt also der Road Trip der Blackberry Brandies, des ungleichen Duos aus Baumgartner und Bettina Schelker: er mit einer Biografie aus 20 Jahren knüppelhartem Rock (Gurd, Erotic Jesus, Undergod), sie als Singer/Songwriterin in verschiedenen Subgenres des Folk und reichlich internationaler Tourerfahrung. Das Duett, im Sommer 2012 auf dem Basler Kulturfluss mit einer ersten EP aus der Taufe gehoben und nun mit dem ersten Album «Love… And The Gun» konsolidiert, muss also von den Kontrasten leben. Schelker und Baumgartner verschmelzen diese dort, wo sie sich am nächsten kommen: im erdnahen, hitzeflirrenden Rootsrock, dessen Spannbreite das fragile Lied wie mächtiges Gedonnere umfasst.
Wie gut sich das ineinander fügt, wird offenbar, als Baumgartnerns Gitarre den Kontakt findet. Mit dem Titelstück beginnt das Konzert in der gut besuchten Kuppel, in dem verdichtet ist, was das Album in den funkelndsten Momenten auszeichnet: Akkorde, schwer wie ein Sattelschlepper, und Baumgartners Gesang, eindringlich bissig wie ein heisser Wüstenwind.
Solider Countryrock mit Kanten
Man greift unwillkürlich zu solchen etwas abgegriffenen, doch passgenauen Bildern bei den Blackberry Brandies, die dem Genre huldigen, ohne es ansatzweise zu durchbrechen. Auf dem Album etwas gar vorsichtig als solider Countryrock produziert, gewinnt auf der Bühne jedoch an Kanten. Die verschlungenen Ornamente auf der Slidegitarre von Martin Buess verleihen den druckvoll gesetzten Stücken psychedelisches Flair, die eleganten Schlangenlinien von Pascal Gründenfelder am Bass brechen die Statik regelmässig auf. Und Baumgartners Kratzstimme reisst die Lieder auch dann ins Düstere, wenn sie Behaglichkeit versprechen: «I won’t do you no harm» klingt bei ihm wie ein Verhängnis.
Lichtdurchflutet hingegen glänzen die mehrheitlich von Schelker gesungenen Balladen. «Firewall» gefällt mit einer einfachen, aber emphatisch gesungenen Refrainmelodie, «Black Magnolia», ein Glanzstück, ist noch zurückhaltender arrangiert und lässt dem fragilen Gesang den notwendigen Raum. Und die Interpretation von Chris Isaaks «Wicked Game» erreicht zwar nicht die melodramatische Schwermut des Originals, entfaltet mit satt unterfütterten Gitarren eine hypnotische Wirkung.
Solche Stimmungsmomente tragen das Set über die Gemütlichkeit hinweg, die sich manchmal etwas gar behäbig breitmacht. Schunklereien wie «Cold Light In May» könnte man, würde Baumgartners Gesang nicht soviel Reibung erzeugen, auch etwa bei Gotthard vermuten. Und bei einem nur dürftig kaschierten Zitat aus der Mottenkiste wie Lynyrd Skynyrds «Sweet Home Alabama», das eingangs von «Love My Angel Tonight» erklingt, wünscht man sich etwas klarere ironische Distanz. Dass dies nicht im geringsten der Zugang von den Blackberry Brandies zum traditionssatten Südstaatenrock ist, untermauert das letzte Stück vor der Zugabe: drei Akkorde, satter Beat, ein zugkräftiger Refrain. «Driving down this long hard road», singen die beiden im Duett. Die Sonne geht unter am Horizont, und Baumgartner hängt ein souveränes Gitarrensolo dran. Eine Liebeserklärung – an das Leben, mit Sicherheit, vor allem aber an die Mythen dieser traditionssicheren Rockmusik.
- The Blackberry Brandies: «Love… And The Gun», Phonag. www.blackberrybrandies.com