General Sutters Leben mit Post-Porno und Flüchtlings-Tragödie aufgepeppt

Das Projekt «Goldrausch» im Theater Basel ist Film im Theater, Theater als Groteske über die zynische Selbstverliebtheit der Kunst. Alles in allem ziemlich wirr, aber höchst vergnüglich.

Am Schluss: Ein Melodram über den Zynismus der Kunst.

(Bild: Simon Hallstroem)

Das Projekt «Goldrausch» im Theater Basel ist Film im Theater, Theater als Groteske über die zynische Selbstverliebtheit der Kunst. Alles in allem ziemlich wirr, aber höchst vergnüglich.

Stellen Sie sich vor, Sie setzen sich auf ein Bett, auf dem unmittelbar zuvor eine Pornoszene gedreht wurde, und Ihre Hand greift in …

Eine wenig appetitliche Vorstellung. So ist der Aufschrei des Filmschauspielers nachvollziehbar, dem dies widerfährt. Es ist der Tiefpunkt der Erkenntnis, dass seine seriöse Rolle in einer Literaturverfilmung von einem Pornodarsteller für eine explizite Sex-Szene nachgedoubelt wird.

Und umso grösser ist die Frustration, wenn er unmittelbar danach mitbekommt, dass eben dieser Pornodarsteller ein höchst gebildeter Zeitgenosse ist, der auch als seriöser Schauspieler einiges hergibt und – wie er zumindest behauptet – der Enkel von Blaise Cendrars ist.

«Goldrausch» nach «Gold» von Blaise Cendrars

Blaise Cendrars ist der Schweizer Schriftsteller, der mit seinem Roman «Gold» Unsterblichkeit erlangte. Der Geschichte des Baselbieters Johann August Sutter, der als Kleinkrimineller in die USA flüchten muss, dort als Quasi-König von Neu-Helvetien (heute Kalifornien) steinreich wird, dann aber mit dem aufkommenden Goldrausch alle seine Besitztümer verliert. In den USA gehört er als General Sutter zu den grossen Namen der Geschichte, im Baselbiet schaffte er es immerhin zur Kirsch-Marke.

Es ist eine schillernde Geschichte über ein schillerndes Schicksal (auch Stefan Zweig widmete ihr in seinen «Sternstunden der Menschheit» ein Kapitel). Und nun also eine Bühnenfassung von Guillermo Calderón «nach dem Roman ‹Gold› von Blaise Cendrars», wie das Theater Basel verkündet.

Nicht mehr als die Ausgangslage

Die Deklaration «nach Blaise Cendrars» führt arg in die Irre. Denn mit der im Roman nacherzählten Geschichte hat das Bühnenprojekt von Calderón wenig bis eigentlich nichts zu tun. Zu erleben ist der Nachdreh zu einem Film über General Sutter. Oder der verzweifelte Versuch eines heruntergekommenen Filmemachers, seiner Literaturverfilmung im Nachhinein etwas Pepp einzuprügeln. Mit wackelig geführter Videokamera, mit einer Pornoszene und zum Schluss, weil dies fast alle Künstler halt so tun, auch noch einer Szene mit Flüchtlingen und einem politischen Pamphlet gegen Donald Trump.

Das klingt alles ziemlich strub. Und das ist es auch. Zu erleben ist ein physisch und psychisch fahriger Filmemacher (Ingo Tomi), der am Tiefpunkt seiner Karriere angelangt ist. Mit einer Hand im Hosenbund ahmt er die körperliche Versehrtheit Blaise Cendrars nach, der in der Fremdenlegion seine Hand verlor.

Zu erleben sind zwei fassungslose Filmschauspieler (Orlando Klaus und Inga Eickemeier), die mitbekommen, wie sie von den beiden Porno-Models (Vicent Glander und Leonie Merlin Young) mehr und mehr abgedrängt werden. Und selber verblüfft erleben wir Zuschauer, wie sich dieses seltsame und zuweilen überdreht chaotische Gespann mehrmals unvermittelt zu wunderschön mehrstimmigen Gesangs-Intermezzi zurückzieht – auf der Gitarre begleitet von Ana Castaño Almendral.

Wunderbare Schauspieler

Wer nun angestrengt zu Bezügen von General Sutters Geschichte schürft, wird schon hie und da fündig. Etwa in der Person des Filmemachers, der vielleicht mal sehr erfolgreich war, nun aber gnadenlos abgestürzt ist und wie Sutter, der mit dem Goldrausch «sein» Kalifornien verlor, um Rehabilitation kämpft. Oder in den seriösen Schauspielern, die konstatieren müssen, dass die Porno-Goldgräber ihnen das Wasser abgraben.



Film im Theater: Eigentlich eine Literaturverfilmung, aufgepeppt mit Post-Porno und einer Flüchtlingsszene.

Film im Theater: Eigentlich eine Literaturverfilmung, aufgepeppt mit Post-Porno und einer Flüchtlingsszene. (Bild: Simon Hallstroem)

Aber man muss sich schon sehr anstrengen, um diese Bezüge herzuleiten. Letztlich wird man das Gefühl nicht los, dass das Ensemble unter der Leitung Calderóns ganz einfach eine abstruse Groteske zusammenfabuliert hat, die zur etwas selbstreflektierenden Erkenntnis führt, dass die Film- oder auch Bühnenkunst keinerlei Hemmungen zeigt, wenn es darum geht, mit speziellen Effekten für grosse Aufmerksamkeit zu sorgen.

Das ist letztlich vielleicht etwas viel Lärm für wenig Erkenntnisgewinn. Aber es ist derart gut gemacht und vom Ensemble durchs Band so erfrischend und konzentriert gespielt, dass der rund zweistündige Abend unter dem Strich viel Vergnügen bereitet. Zum Teufel mit dem Tiefgang, der Abend unterhält bestens und das ist doch schon schön viel Gegenleistung für den Gang ins Theater.


Theater Basel: «Goldrausch» von Guillermo Calderón nach dem Roman «Gold» von Blaise Cendrars. Die nächsten Aufführungen: 20., 26., 30. Januar und im Februar.

 

Nächster Artikel