Der scheidende Basler Theaterdirektor über seine Erfolge mit der Oper, die Probleme im Schauspiel, seine Pläne in Hamburg und seinen Entscheid, mit einem Bein in Basel zu bleiben.
Das Theater Basel wirkt an diesem Nachmittag wie eine grosse Baustelle. Überall wird gehämmert und gebohrt, Arbeiter schleppen Werkzeuge durch die Gänge, Zügelmänner transportieren Requisiten und Möbel auf den Vorplatz hinaus. «Totalrenovation», sagt Georges Delnon mit einem ironischen Lächeln, als er uns in seinem Büro begrüsst.
Fünfzig intensive Minuten Gesprächszeit stehen uns bevor. Basels scheidender Theaterdirektor zieht Bilanz über seine Erfolge in Basel, spricht auch offen über Probleme und Niederlagen. Und er freut sich sichtlich auf seine neue Stelle als Direktor der Hamburgischen Staatsoper, die für den Opernspezialisten eine spezielle Herausforderung darstellt.
Herr Delnon, Sie besetzten einige Monate lang zwei Direktorenposten. Bald werden Sie nur noch für die Hamburgische Staatsoper tätig sein. Freuen Sie sich darauf, Basel hinter sich lassen zu können?
Nein, natürlich nicht. Aber ich freue mich auf Hamburg, auf die tolle Herausforderung, und ich habe auch Lampenfieber.
Weshalb denn Lampenfieber?
Man hat immer Lampenfieber, wenn man ein neues Theater übernimmt.
Ist es denn nicht auch eine Befreiung, wenn Sie sich künftig voll jener Sparte widmen können, die Ihnen am nächsten ist: der Oper?
Befreiung ist sicher nicht das richtige Wort. Basel ist das dritte Dreispartenhaus, das ich leitete, im Mehrspartenbereich sah ich für mich keine Weiterentwicklung mehr. Also lag eine Spezialisierung auf der Hand.
Glauben Sie nicht mehr an das Dreispartenkonzept?
Das wollte ich so nicht sagen. Es ist einfach klar, dass für mich jetzt eine Spezialisierung folgen muss. Als Frank Baumbauer von Basel nach Hamburg ging, war es das Schauspiel, bei mir ist es nun folgerichtig die Oper.
Sie hatten mit Dietmar Schwarz während der ersten Jahre einen Opernleiter an Ihrer Seite, der viel bewegte, bis er an die Deutsche Oper Berlin wegberufen wurde.
Davor gabs hier Wernicke. Ich war ein grosser Bewunderer von Herbert: ein grossartiger Regisseur, der das Basler Publikum durch seine Arbeiten so sensibilisiert hatte, dass wir ein Fundament vorfanden, auf dem wir aufbauen konnten. Wir trafen ein tolles Publikum an, das mit einer zeitgemässen Opernästhetik etwas anzufangen weiss.
Was verändert sich am Theater Basel? Was haben wir vom neuen Direktor Andreas Beck und seiner Truppe zu erwarten? Alles zum Intendantenwechsel lesen Sie in unserem Dossier.
Das gilt für die Oper, weniger aber für das Schauspiel. Dieses kam bei Ihnen an zweiter Stelle.
Wenn Sie die Auslastung ansprechen, kann man das so sagen. Aber nicht, wenn Sie unsere Intention meinen. Für mich waren die drei Sparten immer wie drei Kinder, von denen man keines bevorzugen möchte und sich wünscht, dass sie alle gleich erfolgreich sind.
Was sie aber letztlich nicht waren. Das Schauspiel kam lange Zeit nicht in Fahrt, was beim Publikum zu einem gewissen Unmut führte.
Sie haben Ihre Meinung, gegen die ich nicht ankämpfen mag. Wir versuchten, unser Bestes zu geben. Wir sind mit einer grossen Rigorosität an die Arbeit gegangen und waren letztlich auch überzeugt von dem, was wir taten.
Trotzdem entschieden Sie sich, die Schauspielleitung nach sechs Jahren auszuwechseln. Das war doch ein bewusster Versuch eines Neubeginns?
Natürlich. Unter jedem Intendanten in Basel gingen Spartenleiter weg und stiessen neue dazu. Das bewegte sich im normalen Bereich. Und es ist letztlich auch nichts Aussergewöhnliches, dass sich die drei Sparten unterschiedlich entwickeln. Aber ich glaubte stets an den übergeordneten Ort, wo wichtige und relevante Sachen stattfinden, die weit über die Grenzen der Stadt hinaus wahrgenommen werden.
Bieitos Einstand mit der «Don Carlos»-Premiere war für uns ein Höhepunkt in Ihrer Basler Zeit.
Ganz sicher. Es war einer jener Momente, wo man merkte, dass sich etwas im Publikum entschied – und zwar für uns. Es gab allerdings noch ein paar weitere solcher Momente.
Was war Ihre grösste Enttäuschung in Basel?
Davon gab es einige. Das gehört dazu! Toll am Basler Publikum ist, dass es aufmerksam und sehr mündig ist und dies auch ausstrahlt… Man merkt meistens schon nach zehn Minuten, ob das Stück funktioniert oder ob es durchfällt. Vor allem im Schauspielhaus. Das habe ich vorher nie so deutlich gespürt wie in Basel.
Wenn Sie Ihrem Nachfolger, Andreas Beck, einen Tipp geben könnten, wie er das Basler Publikum packen kann, was würden Sie ihm sagen?
Das würde ich nie machen! Das machte Schindhelm bei mir auch nicht. Ich glaube, dass ist sogar bei Fussballtrainern so (lacht).
Warum eigentlich? Weil man denkt, der soll mal selber reinrasseln?
Nein, ganz einfach deshalb, weil solche Eindrücke sehr persönlich und subjektiv sind.
«Ich habe zu allem, was ich tue, eine gewisse Distanz.»
Was bedeutet das Weggehen für Sie? Eine Truppe, mit der Sie neun Jahre zusammenarbeiteten, wird zerschlagen und in alle Winde verweht. Überkommt Sie da auch ein wenig Wehmut?
Das in unserem Job so. Ich halte es mit dem Motto «Kunst ist das, was das Leben interessanter als Kunst macht». Jeder empfindet das Theaterleben anders. Für manche ist das Theater eine Familie und die Theaterkantine die Küche, in der über Gott und die Welt gesprochen wird. Ich habe meine Familie woanders.
Kein bisschen Sentimentalität?
Ich habe zu allem, was ich tue, eine gewisse Distanz. Darum sehe ich das Weggehen auch anders. Es war eine sehr intensive und schöne Zeit in Basel, jetzt geht es in Hamburg weiter. Ich werde allerdings mein Haus in Basel behalten, weil ich mich – als Berner – hier sehr wohl fühle. Basel hat, wie schon gesagt, eine unerklärliche Magie. Und ausserdem wahre ich auch sehr gerne einen Bezug zur Schweiz.
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Georges Delnon verabschiedet sich von Basel mit zwei Produktionen, die beide Ausdruck seiner Vorlieben sind: mit der schweizerischen Erstaufführung von Peter Ruzickas «Hölderlin – eine Expedition» sowie der szenischen Installation «The Parthenon Metopes» des italienischen Regiestars Romeo Castellucci während der Art Basel.