Im Jahr 1869 eröffnete William H. Mumler in New York das erste Studio für Geisterfotografie. Das Geschäft mit der Leichtgläubigkeit blühte: Bei mehr als einer halben Million Opfer, die der Sezessionskrieg gefordert hatte, war das Bedürfnis der Hinterbliebenen gross, sich gemeinsam mit den lieben Toten ablichten zu lassen.
Mehr als 100 Jahre später brachte der amerikanische Unternehmergeist erneut ein paranormales Start-up hervor: Im 80er-Jahre-Sommerhit «Ghostbusters» gründen drei nerdige Akademiker eine Geisterjäger-Agentur und verhindern so die Übernahme Manhattans durch einen «schimmligen babylonischen Gott».
Und im Gegensatz zu Mumlers betrügerischen Bild-Manipulationen bildete die Gruselkomödie tatsächlich etwas ab, was von blossem Auge nicht zu erkennen war – die Transformation einer Gesellschaft, kurz: den Zeitgeist.
Nichtterminale Wiederholungsfantasmen
Im Winter des Jahres 1985, als «Ghostbusters» in der Schweiz anlief, war er wie ein grosser, ektoplasmafeuchter Bubentraum: Als Neunjähriger hatte ich einst selbst eine Nacht in einem angeblichen Spukhaus verbracht und darauf gewartet, dass mir das Gespenst einer verblichenen Magd die Bettdecke von den Füssen lupft.
Und da kam «Ghostbusters»: mit «fokussierten, nichtterminalen Wiederholungsfantasmen», einem gigantischen Marshmallow-Mann und Dämonenhunden, die wie frisch vom Münsterturm gekletterte Wasserspeier aussehen. Ich war restlos begeistert und malte, was die Farbstifte in meinem Schüleretui hergaben.
Ausgedacht hat sich den Filmspuk der Saturday-Night-Life-Komiker Dan Aykroyd, dessen Grossvater ein Buch über paranormale Phänomene verfasst hatte. Als Aykroyd und Regisseur Ivan Reitman Geldgeber für das Projekt suchten, hatten sie nicht viel mehr als eine vage Idee, einen Titel – und den Namen eines aufsteigenden Stars: Nach dem Drogentod von John Belushi («Blues Brothers») war Bill «The Murricane» Murray als Ersatz verpflichtet worden.
Columbia Pictures sagte vom Fleck weg zu. Einzige Bedingung: Der Film musste innerhalb eines Jahres fertiggestellt werden. Der Husarenritt gelang, «Ghostbusters» wurde zur erfolgreichsten Komödie der 80er-Jahre und hielt sich sieben Wochen an der Spitze der US-Kinocharts. Der Titelsong von Ray Parker Jr. war in aller Ohren und Munde.
Doch «Ghostbusters» ist eben nicht nur ein alter Kassenhit oder das nostalgisch verklärte Erweckungserlebnis vieler heute angegrauter Nerds. Der Film wurde zum Phänomen, weil die Welt auf ihn gewartet hatte und glauben wollte: an die unsichtbare Hand des Marktes, die alles geisterhaft richtet.
Nach einer schweren Weltwirtschaftskrise nahm die Konjunktur 1984 wieder Fahrt auf, in den USA sanken die Arbeitslosenzahlen. Da kam das Erfolgsmärchen der Geisterjäger gerade richtig, die sich nach ihrem Rauswurf aus der Universität als Geschäftsmänner bewähren und ihren ärgsten irdischen Widersacher – den Beamten einer Umweltbehörde! – bodigen.
«Ghostbusters», das waren die neoliberalen Regeln der «Reaganomics» in Leinwandformat: wenig Staat und noch weniger Steuern.
Who you gonna call?
Was der Reboot der Franchise für die Nachwelt an Themen konservieren wird, muss sich erst noch weisen, aber der hässliche sexistische und rassistische Bocksgesang («Ain’t no bitches gonna hunt no ghosts»), der dem Filmstart vorausging, hat bereits jetzt Spuren hinterlassen.
Dabei verhält es sich im laufenden Präsidentschaftswahljahr mit den Geisterjägerinnen wie mit Hillary Clinton: Man muss ganz einfach für sie sein, weil die Alternative – die Internet-Trolle und der aufgeblasene Popanz aus New York – keine ist.
Who you gonna call? Gleichberechtigung!