Gladiatorenkampf mit Zimbeln

Im Römertheater Augusta Raurica feiert Fritz Hauser und Boa Baumanns «Schallmaschine Maximus» Premiere – ein humanes Spektakel.

(Bild: Alexander Preobrajenski)

Im Römertheater Augusta Raurica feiert Fritz Hauser und Boa Baumanns «Schallmaschine Maximus» Premiere – ein humanes Spektakel.

Die Ohrenstöpsel kommen mit. Angehörs dieses Titels scheinen Vorsichtsmassnahmen nicht unangebracht: «Schallmaschine Maximus» – das tönt nach grossem Lärm und Getöse, nach einem Klanginferno. Und ein bisschen auch nach Techno, wer mit Pop sozialisiert wurde, dem fällt Kraftwerks «Mensch-Maschine» ein. Dass man, am Römertheater angekommen, als Zuhörer in eine Art Holzkäfig gesperrt wird, mindert das Unbehagen nicht. Genauso wenig wie die Utensilien, die da auf einem riesigen Werktisch ausgebreitet sind, als präsentiere ein Archäologenteam seine Fundstücke: Vierkantmetalle, zackige Artefakte, Zimbeln, Glocken und Bleche auf mehreren Laufmetern. Auf den Theaterrängen verteilt – das Publikum sitzt unten, vis-à-vis – Gongs und Metalltöpfe. Man wartet in der schwülen Luft und unter dunklen Wolken schier darauf, dass Thor selbst mit seinem Hammer den Startschuss gibt zum Spektakel.

Über mehrere Stufen hat der Musiker Fritz Hauser mit dem Architekten Boa Baumann das Perkussions-Spektakel «Schallmaschine» seit 2002 variiert. In Kleinstbesetzungen von nur einem Schlagzeuger war es genauso zu erleben wie mit zwölf oder gar 22 Ausführenden, in Basel sowie in Melbourne. Dass die «Schallmaschine Maximus» nun mit 18 Perkussionisten auskommt – Ensembles und Interpreten aus Luzern, Australien, Polen, den USA und den Niederlanden – deutet daraufhin, dass Hauser/Baumann nicht an ein neues Volumenlimit gehen wollten. Maximiert werden vielmehr Räumlichkeit, Dynamik, Ideenreichtum, wie sich während der nächsten 75 Minuten zeigt.

Gigantische Spieluhr

Kein Donnerschlag zu Beginn, sondern Stille. Die 18 Akteure verteilen sich auf der Bühne, meditieren, lösen sich dann mit leisen Staccati auf Röhren aus der Stase. Ein Klirren und Rütteln von Metall auf Metall, das in dem Masse glockenartigere, obertonreichere Spektren erschliesst, je mehr die Musiker den Raum nach oben hin, ins Theater ausmessen. Die Klangarchitektur nimmt Gestalt an: Während von oben die Gongs dumpf mahnen, wie aus einem fernen Tempelbezirk, wird vorne am Tisch auf den Nicophonen, Vierkantmetallen mit Lamellen, geklopft, gekratzt, geschabt. Klangfarben ändern sich nicht zwingend durch Wechsel der Instrumente, sondern durch Auslotung ihrer Beschaffenheit, ihrer Oberfläche. Mit der Hand abgedämpft tönen die Nicophone plötzlich wuchtiger, die Gongs wie Regentropfen von den Bäumen nach einem Tropensturm. Signalisiert werden diese Wechsel auch durchs Aufblenden anderer Farbtöne von blutrot bis satt grün aus der fulminanten Lichtregie von Brigitte Dubach.

Hauser/Baumann choreographieren den Schall auf vielen Ebenen: Rigide Rhythmusstrukturen treffen auf scheinbare Willkür, wenn etwa ein Teil der Perkussionisten sich als Mechaniker gebärden, die die auf dem Bühnenboden verstreuten Werkzeuge «mit Schmiss» neu sortieren. Während im Off ein indifferentes Dröhnen sich mit den Geräuschen vom nahen Bahndamm vereinigt, schreiten die Schlagwerker mit plingenden Glöcklein über die Ränge, als vollzögen sie einen geheimen Mythos ohne Worte. Und ja, auch das Spiel mit der Menschmaschine wird mit einbezogen: Wenn im Halbrund synchron auf die metallenen Töpfe gehämmert wird, dann sieht das aus, als seien die Musiker Teil einer gigantischen Spieluhr.

Szenische Patterns

Ihre denkbar weiteste Spreizung erfährt die «Schallmaschine Maximus», als die Musiker über sieben Ebenen hinweg eine Art absurdes Theater aufführen: Notorisch lässt da einer die Becken auf dem Boden kreiseln, sein Kollege schüttet sich Sand auf seinen Bronzeschirm. Die Treppe hinaufhetzend schlägt oben einer auf einen Gong, in Gladiatorenmanier kämpfen zwei mit ihren Zimbeln, ein anderer schüttelt am Laub eines Baumes, eine Musikerin fährt manisch mit dem Roller hin und her. In diesen unerbittlichen Wiederholungen, auf szenische Darstellungen übertragene Rhythmus-Patterns, ist die Humoreske Nachbarin der Neurose: Auch als Zwangshandelnder wird der Mensch zur Maschine.

Befreit vom Manischen schliesslich das imposante Finale: Sukzessive treten die achtzehn vorne an den Spieltisch, jeder verantwortet seinen eigenen Rhythmus, eine gewaltige Polymetrik, ein werktätiges Percussion-Netz wird gewoben, das sich schliesslich wieder in freie Strukturen auflöst. Wie dieses vermeintliche Chaos zu einem Ende findet, wollen wir hier offen lassen. Mit ihrem Widerstreit zwischen persönlicher Freiheit und kollektiver Organisation ist Hauser/Baumanns neuester Streich ein zutiefst organisches, ja humanes Spektakel, weder technoid noch tosend. Die Ohrenstöpsel blieben getrost in der Tasche.

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