God has left the building: Klaus Littmanns neuster Streich in der Kirche Don Bosco

Klaus Littmann ist wieder da: Mit einem Fotoprojekt, das Gläubige zum Bangen und Atheisten zum Schmunzeln bringt.

Wieso nicht: Die Kirche als Kfz-Werkstatt, festgehalten vom italienischen Fotografen Andrea Di Martino.

(Bild: zVg Littmann Kulturprojekte GmbH)

Klaus Littmann ist wieder da: Mit einem Fotoprojekt in der leerstehenden Kirche Don Bosco, das Gläubige zum Bangen und Atheisten zum Schmunzeln bringt.

Kunstvermittler Klaus Littmann kocht gerne mehrere Süppchen gleichzeitig. Nicht nur als Hobbykoch, sondern auch in der Kunst. Das hat ihm in der Vergangenheit Pleiten, Ärger und einen Herzinfarkt eingebracht, aber auch einige Bewunderung. Und Basel hat es ein paar Aufsehen erregende Projekte beschert.

Wer erinnert sich nicht an den Stadthimmel, der 2008 die Freie Strasse überspannte? Oder an den Engel, die temporäre Wohnung oben auf dem Münsterturm? Seit 2002 ist Klaus Littmann im Alleingang unterwegs. Das Bremspedal hat er irgendwie noch immer nicht gefunden. 

Viele seiner Projekte finden im öffentlichen Raum statt, sind temporär und ecken an. So kommt es auch immer wieder zu ungewollten Interaktionen mit der Bevölkerung: Der weisse Container seines «Real Fiction Cinema» wurde, wie die meisten weissen Wände im urbanen Raum, nachts von Unbekannten versprayt – und aus Protest gegen die gewaltlastigen Vandalisierungen sogleich von einem Schulhausabwart in einem ebenso anonymen Akt von Gegenvandalismus wieder weiss übermalt. Das Projekt war von 2010 bis 2012 in der Schweiz unterwegs und ist zurzeit in China auf Reisen.

Die Messe hat das Gebäude verlassen

Klaus Littmann zeigt die Fotos Andrea Di Martinos ganz im Sinne des Projekts: In der umgenutzten Kirche Don Bosco.

Klaus Littmann zeigt die Fotos Andrea Di Martinos ganz im Sinne des Projekts: In der umgenutzten Kirche Don Bosco. (Bild: zVg Littmann Kulturprojekte GmbH)

Am Donnerstag hat die jüngste Ausstellung der Littmann Kulturprojekte eröffnet, in der leerstehenden Kirche Don Bosco im «Dalbeloch» an der Waldenburgerstrasse. Der Mailänder Fotograf Andrea Di Martino zeigt dort unter dem Titel «THE MASS IS ENDED» fünfzig Arbeiten, die von ebenfalls leerstehenden Kirchen in Italien erzählen. Oder eben nicht mehr leerstehenden Kirchen: Die quadratischen Fotografien zeigen sakrale Gebäude, die aus Not oder Erfindergeist neuen Nutzungen zugeführt wurden, was nicht selten zu richtig schön ketzerischen und italienisch-geschmacklosen Ergebnissen führt.

Gerümpel statt Kirchenbänke: Kirche in Montarolo, als Lager umgenutzt.

Gerümpel statt Kirchenbänke: Kirche in Montarolo, als Lager umgenutzt. (Bild: zVg Littmann Kulturprojekte GmbH)

Ein Gotteshaus als Bar oder Konzertsaal zu nutzen, liegt eigentlich auf der Hand, ebenso, wie auch ein Regionalparlament gut ins Mittelschiff einer Kirche passt, wird doch in beiden Fällen jeweils – mehr oder weniger reinen – Wein ausgeschenkt, musikalischen Darbietungen gelauscht und über Gesetze entschieden. Doch die Geräte der Muckibude, der Pingpongtisch des Sportvereins oder etwa die Hebebühnen der Autowerkstatt schmerzen beim Anblick in Herz und Auge. Je nach Gottesnähe des Betrachters rufen die Bilder auch ein Schmunzeln hervor. 

Bete und arbeite: Fitnesscenter/Kirche in Napoli.

Bete und arbeite: Fitnesscenter/Kirche in Napoli. (Bild: zVg Littmann Kulturprojekte GmbH)

Die Ausstellung dauert noch bis zum 5. März. Dazu entstand auch eine Publikation. Am 18. Januar findet im Ausstellungsraum eine Podiumsdiskussion statt mit dem Titel «Kirchen anders genutzt – Gott aus dem Häuschen».

Not macht erfinderisch

Das Thema kommt nicht ganz von ungefähr: Kirchengebäude sind vielleicht noch kein Auslaufmodell, aber sicher nicht mehr so gefragt wie damals, als die meisten davon erbaut wurden. Den Institutionen fehlen oft das Geld wie auch die Besucher. Und so sehen sie sich nach neuen Nutzungen um, um die Kassen oder zumindest die leeren Ränge etwas aufzufüllen.

Das ist auch in Basel ein Thema: Die Elisabethenkirche zum Beispiel kann man für den Geburtstag mieten. Sie bietet Zen-Seminare zwischen den Gottesdiensten an und gelegentlich finden in den heiligen Hallen Partys statt. Die Schweizer Bischofskonferenz hat den Vorgang ebenfalls auf dem Radar und bereits 2006 ein ausführliches Dokument publiziert: «Empfehlungen für die Umnutzung von Kirchen und von kirchlichen Zentren».

Mit Umnutzungen kennt sich Klaus Littmann aus: Sein anderes Projekt «Canal Street» in einer Fabrikhalle in Arlesheim stösst offensichtlich auf Wohlgefallen und ist nach einem Besitzerwechsel der Liegenschaft bis Ende 2016 verlängert worden, wie er selbst erfreut am Telefon verkündet. Die Süppchen scheinen zu schmecken.

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«The Mass is Ended», Littmann Kulturprojekte, Kirche Don Bosco, Waldenburgerstrasse 32, 4052 Basel.

Podiumsdiskussion «Kirchen anders genutzt – Gott aus dem Häuschen»: Montag, 18. Januar 2016, 19 Uhr.

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