«Gone Girl»: Bis dass der Tod sie scheidet

Literatur zu verfilmen, kann für einen Regisseur sehr reizvoll sein – wenn er etwas wagt. Doch David Fincher verfilmt «Gone Girl», den Bestseller von Gillian Flynn, allzu buchstabengetreu.

Am liebsten würde Nick Dunne seiner Frau Amy den hübschen blonden Schädel knacken, um ihre Innenwelt zu ergründen: Was geht im Kopf der marmorblassen Schönheit vor? Ihre Ehe liegt im Argen, seit die beiden arbeitslosen Journalisten aus New York in Nicks ländliche Heimatstadt gezogen sind, wo der Ehemann mehr schlecht als recht eine Bar betreibt.

Doch dann kommt der fünfte Jahrestag ihrer Hochzeit und Amy verschwindet. Nicht spurlos ­allerdings: Die Polizei findet Reste einer Blutlache, später auch Amys Tagebuch. Darin traut sie ihrem Ehegatten das Schlimmste zu.

Junge trifft Mädchen, Mädchen verschwindet, Polizei ermittelt – David Fincher («The Girl with the Dragon Tattoo») ist zurück auf dem vertrauten Terrain der Thrilleradaption, diesmal mit Gillian Flynns Bestseller «Gone Girl». Dass die Autorin das Drehbuch gleich selbst verfasst und das Ende umschreibt, klingt natürlich verlockend.

Unzuverlässiger Erzähler

So wartet man auch als Viel­leser im Kino gespannt darauf, dass die Geschichte eine unerwartete Wendung nimmt. Es bleibt dann aber doch bei einer kompetenten, wenn auch allzu buchstabengetreuen Verfilmung.

Denn darin ist die Literatur dem Kino – und Nick – voraus: Sie kann in die Köpfe ­ihrer Figuren blicken, ohne einen einzigen Tropfen Blut dabei zu vergiessen. Das ­aufreizende Versteckspiel zwischen Nicks unzuverlässiger Erzählstimme und Amys sentimentalen, aber zunehmend verängstigten Tagebucheintragungen wird filmisch zum ermüdenden Flashback-Hindernislauf, den Fincher reichlich lustlos absolviert.

Viel spannender als im Buch gestaltet sich in der Verfilmung dagegen das mediale Hintergrundrauschen, das die Suche nach der Vermissten begleitet. Nick gerät in die Fänge der Talkshow-Hexen, die an dem unbedarft grinsenden Schönling ein Exempel statuieren wollen und ihn zum Mörder stempeln.

Pervertierter Feminismus

Mit Hilfe eines Staranwaltes lässt sich Nick zum fernsehtauglichen Waschlappen trimmen, und da macht sich gelegentlich die bitterböse Satire auf ­einen Feminismus bemerkbar, der auf dem hart umkämpften Markt der Wahrnehmungsökonomie zur Unkenntlichkeit ­pervertiert.

Ben Affleck verleiht Nick eine solide Präsenz, die Bewunderinnen im Film zu ­einem Selfie mit dem mutmasslichen Killer verleitet, während Rosamund Pike als Amy rätselhaft distanziert bleibt wie eine Sphinx. Anders als im Buch sind die Sympathien im Film klarer verteilt, auch wenn man sich nicht zu sehr auf den ersten Eindruck verlassen sollte.

Am Ende, so viel sei verraten, wird ein Mensch tot sein. Und die Institution Ehe um ein dunkles Kapitel reicher.

 

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