Grandiose Show mit moderatem Nachhall

Um die Berliner Elektrogruppe Moderat ist fast so etwas wie Starkult entstanden, entsprechend war der Ansturm auf das Konzert am Samstag. Es war grandios, doch irgendwas an der Bühnenshow funktionierte nicht.

Haben eigentlich gar nichts Konzertantes: Moderat im Volkshaus Basel.

(Bild: Dirk Wetzel)

Um die Berliner Elektrogruppe Moderat ist fast so etwas wie Starkult entstanden, entsprechend war der Ansturm auf das Konzert am Samstag. Es war grandios, doch irgendwas an der Bühnenshow funktionierte nicht.

Was für ein Elektrowochenende. Jetzt ist es Sonntag 4 Uhr morgens und es liegen zurück: Die Eröffnung des Elysiaclubs am Dreispitz (wo es auf den ersten Eindruck allerdings schien, dass vor allem Geld ausgegeben wurde und sich Charme und Punch von irgendwoher noch einstellen müssen), am Samstagabend der Höhepunkt mit der Berliner Elektronik-Formation Moderat, die zur Zeit mit ihrem neuen Album «III» und ihrer angelaufenen Welttournée so viel Wirbel macht wie sonst kaum eine. Und direkt danach dann spielte der deutsche Produzent Stimming im Café Singer, ebenfalls mit neuem Album und eigens vorbereitetem Live-Set in der Tasche, der so fein Techno produziert, als wäre er ein Erzähler.

Moderat hatte ein kleines Fieber herbeigezaubert. Ein paar Tage nach Verkaufstart waren die Tickets für das Konzert im Volkshaus weg, so wie für die meisten Auftritte, zu denen die drei Musiker bis Oktober um die Welt fahren werden. Vor vier Jahren konnte man die Band noch auf Bühnen wie dem Kiff in Aarau hören, zusammen mit hundert anderen Nasen, die verstreut im Raum standen und ihre Füsse nicht recht vom Fleck bekamen.

Viel Aufmerksamkeit

Dann ist irgendwas passiert, 2013 mit dem Release des Albums «II», und man kannte kaum mehr jemanden, der Moderat nicht kannte und liebte. Ans Zürcher Konzert kamen 2500 Leute, die Show in der Basler Kaserne wurde fett. Die Musik von Moderat hatte eine Aufmerksamkeit bekommen wie die von Leuten, die man früher Popstars nannte.

Zu Recht. Ihr Sound hat eine krasse Architektur. Grosse Tracks wie «A New Error» vom ersten Album «Moderat» (2009) oder das zehnminütige Biest «Milk» vom Album «II» sind Kathedralen. Eigentlich wie ein Stück Beethoven, mit dem Ernst zur grossen Geste, um damit ein Gefühl auszudrücken, etwas Tiefes, und ganz bis zu Ende zu erzählen. Über Minuten tauchen Klangschichten auf, bis sie strahlend werden und man die Arme ausbreitet, als flöge man nach Haus. Am besten übrigens auf Kopfhörer.




Jeder an seinem Tischchen… (Bild: Dirk Wetzel)

Denn warum eigentlich ein Moderatkonzert? Ihr Sound ist intim, man taucht in ihn ein. Diese Klänge, die mit Gott weiss welchen Skills produziert wurden, haben nichts Konzertantes. Und seien wir ehrlich, die drei Jungs stehen jeder an seinem Tischchen auf der Bühne und man hat nicht gross eine Ahnung, wie ihre Bewegungen mit dem zusammenhängen, was man hört.

Klar, man sieht den Frontmann Sascha Ring Keyboardtasten drücken und kann schwer glauben, wie er so groovy einen Beat durchziehen kann. Auch seine Gitarre kommt zum Zug, von der er gern erzählt, dass er sie gar nicht spielen kann. Und natürlich sieht man ihn singen.

Aber abgesehen davon und gerade bei den anderen beiden Musikern Gernot Bronsert und Sebastian Szary ist diese Musik null performativ. Die Schwarzgekleideten stehen als Schemen auf der Bühne, fast nie von vorn beleuchtet, eigentlich existieren sie als Personen gar nicht. Was man vor allem sieht, sind die grandiosen Visuals von Pfadfinderei, minimal und stahlend, und zusammen mit der Musik ergeben sie das Kunstwerk. Die Show steht ganz im Dienst der Musik, nicht um Personen zu zeigen.




Eine Show im Dienste der Musik. (Bild: Dirk Wetzel)

Und es ist grossartig, alles ist da. Und dass die erste Hälfte des Konzerts mit einer Ausnahme aus Songs vom neuen Album besteht, zeigt, dass Moderat gerade ganz oben auf der Höhe ist.

Und doch fehlt etwas. Das hat zu Beginn am schlecht abgemischten Klang gelegen, der aus unförmigem Bass und sonst nicht viel bestand, aber das haben die Leute am Mischpult bald recht gut hingekriegt. Doch auch dann weiss man beim Hören in der Menge nicht genau, ob man sich über das freut, was man gerade hört, oder über das Zitat der Erlebnisse, die man früher mit den Songs hatte. Und seis in den vergangenen vier Wochen, als man «III» rauf und runter gehört hat.

Weder enttäuscht noch ekstatisch

Und wenn man sich umschaut: Jubeln die Leute, weil sie gerade im Sound sind oder weil sie ihn wiedererkennen? Wenn man sich nach dem Konzert umhört, wie sie es fanden, sagen sie mit Nachdruck «gut!», oder «schön!», oder «diese Verbindung von Sound und Licht ist eine neue Ebene». Niemand ist enttäuscht, aber nur einige haben so etwas wie Ekstase im Gesicht. Klar wars ein Superkonzert, was sonst, doch schien eine ganz kleine Distanz zu dem zu liegen, was die meisten wahrscheinlich mit Moderat verbinden. Was ist die Form für diese Musik, die weder Techno ist noch Pop? Offene Frage, irgendwie geheimnisvoll.

Und so darf man vielleicht ganz vorsichtig sagen, dass die wahre Party anschliessend im Café Singer stieg, übrigens einem sehr gemütlichen Club, wo der deutsche Produzent Stimming auftrat. Auf einem Quadratmeter hatte er sich in der DJ-Ecke eingerichtet und nestelte mit feiner Mimik in seinen Synthesizern. Musik für den Club, im Club gespielt. Sonnenklare Sache. Und man konnte sich so tief hineintanzen, bis Beat und Bewegung ein Material waren.

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