Im Fokus von Gregory Haris Performances stehen Rituale, beispielsweise die Reinigung von Körper und Geist, so wie aktuell in der Kunsthalle Basel anlässlich der «Regionale».
Ganz hinten an der Wand, fast nicht sichtbar hinter zwei rosa Transparenten, auf denen «hand» und «ace» geschrieben steht, klebt eine Fotografie. Darauf abgebildet ein kleiner Junge in einem Kleid mit Blümchen, der auf einem Balkon auf einer Plastiktüte steht; daneben ist eine jener muschelförmigen, blauen Sandkastenhälften ans Geländer gelehnt, die wir aus unzähligen Vorgärten kennen.
Gregory Hari als kleiner Junge – das Foto gilt als Ausgangspunkt für seine Performance. (Bild: Eleni Kougionis)
Mitten im Raum kniet derselbe Junge, inzwischen 23 Jahre alt, in schwarzen Shorts und Kurzarmhemd zwischen zwei solchen Sandkastenmuscheln. Die eine ist gefüllt mit Wasser, die andere mit weissem Talkpuder. Gregory Hari hat die Augen geschlossen und reibt sich Hände und Gesicht mit dem weissen Puder ein, bevor er sich am Wasserbecken wäscht und dann an den hängenden rosa Frotteetüchern trockenrubbelt.
Die Performance hat etwas Meditatives, auch wenn sie zu kurz war, wie der Künstler nachher gesteht. Wir haben ihm bei der Hauptprobe zugesehen – sozusagen, denn «Proben gibt es eigentlich keine», so Hari. Doch noch war die «Regionale», in deren Rahmen das Werk gezeigt wird, nicht geöffnet, nur die Kunstkreditkommission auf ihrer Ankaufrunde durfte dabei sein. Und eben wir.
Eine halbe Stunde hätte es dauern sollen, sagt Hari. Eine Viertelstunde war es, das sei ihm aber viel länger vorgekommen, meint er. Stören tut ihn das nicht, beim nächsten Mal kann er nun stärker darauf achten.
Gregory Hari während seiner Performance in der Kunsthalle Basel. (Bild: Eleni Kougionis)
Gregory Hari ist einer von wenigen Künstlern, die hauptsächlich performativ schaffen, die an der «Regionale» mitmachen. Noch immer ist die Teilnahme an einer Ausstellung für Performancekünstler schwierig, denn nur selten kann ein Werk während den gesamten Öffnungszeiten gezeigt werden. Meistens sind dann für die Besucher nur die Relikte sichtbar, die auf den nächsten Einsatz warten. So auch bei Haris Werk «hand and face», das er insgesamt viermal aufführen wird.
Er habe schon früh angefangen, Performances zu machen, erzählt der in der Region Obersee aufgewachsene Künstler: «Es ist halt einfach: Man braucht keine Infrastruktur, kommt mit wenig Budget zurecht und kann den öffentlichen Raum als Atelier nutzen.»
Im Moment lebt Hari in Basel – erst seit August, seit er hier den Master in Fine Arts an der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) macht. Sein Kunststudium hat er an der F+F Schule für Kunst und Design in Zürich abgeschlossen, und wenn er ehrlich sei, so ziehe es ihn wohl auch bald wieder zurück in die Stadt an der Limmat, zumindest wohntechnisch. «Zürich liegt einfach zentraler», gibt er als Grund an.
«Als ich klein war, puderte meine Grossmutter immer nach dem Baden meinen ganzen Körper weiss.»
Seine Ausbildung an der HGK werde er natürlich weiterverfolgen. Und auch der Performance will er treu bleiben. Sie eigne sich am besten, um auszudrücken, was er zu sagen hat.
Wie in der aktuellen Performance gehe es ihm meist um Rituale – und um die eigene Vergangenheit, um Dinge, mit denen er aufgewachsen ist, die ihn geprägt haben. Im Hodler-Saal des Kunsthauses Zürich hat er beispielsweise zusammen mit Alexander Frei alias Crimer etwa sieben Stunden lang den Popsong «I swear» gesungen – in Bezugnahme auf Ferdinand Hodlers «Der Studierende» – eines «dieser One-Hit-Wonder aus meiner Jugend», sagt er. «Danach fühlte ich mich regelrecht mind-fucked.»
«Hand and face» beziehe sich auf ein Ritual, das ihm seine asiatische Grossmutter mit auf den Weg gegeben habe: «Als ich klein war, puderte sie immer nach dem Baden meinen ganzen Körper mit Puder weiss.» Zwar kehrt er für die Performance die Reihenfolge um, doch es gehe ihm trotzdem um Reinigung, nicht nur der Oberfläche, sondern durch die Wiederholung der Gesten auch um eine innerliche Reinigung. Die Farbe Weiss unterstütze diesen Gedanken zudem.
Natürlich könne man noch anderes hineinlesen. Den Komplex mancher Asiaten, die lieber weiss wären, zum Beispiel. Er würfle gerne unterschiedliche Referenzen in seine Performances, verlange aber keine eindeutige Lesart. «Es geht mir nicht um Kritik, auch nicht um ein Blossstellen», sagt er. «Ich zitiere zwar, bleibe selbst dabei aber neutral – schön schweizerisch.» Er lacht.
Worte gehörten nicht immer zu seinen Performances, erzählt Gregory Hari. (Bild: Eleni Kougionis)
Das Publikum lädt er dazu ein, seinen Ritualen beizuwohnen, die Atmosphäre aufzusaugen. Eine Atmosphäre, die bei «hand and face» auch durch den mantramässigen Gesang entsteht, mit dem Hari seine Gesten untermalt. Auch hier ist es die Wiederholung, die einen meditativen Charakter vermittelt.
Zum ersten Mal seien es in dieser Performance seine eigenen Worte, die er benutzt, während er vorher lieber auf Songtexte zurückgriff oder auch bereits Geschriebenes. Zum ersten Mal auch habe er die Augen geschlossen, was etwas komisch sei, wie er zugibt.
Für den Betrachter gilt das nicht: Man erhält zwar das Gefühl, einem intimen Moment beizuwohnen – doch tut man das aus einer Distanz heraus, ein bisschen voyeuristisch nur. Hari scheint in seiner Versunkenheit nicht zu merken, dass Publikum zugegen ist. Also ist man ganz still – nur das Knacken der Heizkörper stört die Ruhe.
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Gregory Hari stellt in der Kunsthalle Basel aus, bis 8. Januar 2017. Seine Performance kann man an den folgenden Daten sehen, jeweils um 19.30 Uhr: 8. und 15. Dezember 2016, 5. Januar 2017.